Komberg (Komatzki), Robert

Lembecker Lehrer schrieb 1952 im Heimatkalender weiter im NS-Jargon

Von Wolf Stegemann – 1890 in Rössel/Ostpreußen bis 1965 in Lembeck; Lehrer und Nationalsozialist. – Er steht für viele andere Beispiele von Lehrern, die mit echter oder vorgegebener nationalsozialistischer Gesinnung bereits 1933 in die NSDAP eingetreten sind, um mit der Menschenverachtung des Nationalsozialismus die ihm anvertrauten Schulkinder zu verhetzen. Somit gehörten sie zu den unterstützenden Rädern des NS-Systems, zu dem die von vornherein geplante und für jeden les- und hörbare Ausrottung beispielsweise der Juden gehörte, an deren Ende „Auschwitz“ stand. Anders ist das Verhalten solcher Lehrer nicht zu erklären und muss auch so erklärt werden, um es begreiflich zu machen, warum die meisten Deutschen das System mehr oder weniger tatkräftig unterstützten.

Am Beginn des Unterrichts (Symbolbild)

Denn schon Jahre spätrer wurde von vielen vergessen, dass auch der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB), dem ziemliche alle Lehrer angehörten, von den Alliierten nach dem 8. Mai 1945 aus gutem Grund als „verbrecherische Organisation“ verboten wurde. Die Deutschen hingegen – und vor allem Lehrer – haben den NSLB allerdings als eine harmlose Art Berufsorganisation und sich selbst als Opfer dargestellt, was dann auch im Beziehungs- und Kollegengeflecht von Kleinstädten und Dörfern so verstanden wurde. Einer von denen, die nicht nur schon am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten waren, dort sogleich das Amt eines Partei-Schulungsleiters übernommen hatten, zugleich auch dem NSLB und in drei weitern NSDAP-Organisationen bis 1945 angehörte, war der Lembecker Hauptlehrer Robert Komberg. Eigentlich hieß der aus Ostpreußen zugezogene und sich durch Heirat in Lembeck niedergelassene Robert Komberg noch Komatzki. Diesen polnisch klingenden Namen ließ er in einem von den Nationalsozialisten aufgelegten Namenänderungsprogramm zu Komberg „germanisieren“.

Komberg beschrieb noch 1952 Zwangarbeiter als „fremde Elemente“

Robert Komberg

Komberg war seit 1911 im Schuldienst als Junglehrer an der Lembecker einklassigen Schule Lembeck-Beck. Er nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und war bis 1920 in englischer Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr aus England machte Komatzki/Komberg aus der einklassigen eine zweiklassige Schule, trat Katholischen Lehrerverein bei, übernahm von dem Leipziger Schulwissenschaftler Gaudig die Unterrichtsmethode, den „kindlichen Kräften mehr Spielraum“ zu überlassen und es ihnen erlauben, im Unterricht auch Fragen zu stellen. Dafür lobte ihn der Schulrat Brock. Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, trat er in die NSDAP und den anderen Partei-Organisationen ein. Anfang Februar 1945 zerstörter der Druck einer niedergegangenen Bombe das Dach und die Fenster des Schulgebäudes, in dessen ersten Stock Komberg mit seiner Familie wohnte. Kurz vor Kriegsende wurden  russische Zwangarbeiter und kriegsgefangene Franzosen, Italiener, aber auch Volksdeutsche, einquartiert, wie er 1952 im „Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck“ schrieb, „denen es beileibe nicht daran lag, fremdes Eigentum zu schonen“. Robert Komberg verfiel 1952 in den ihm eigenen Jargon der Nationalsozialisten, als er 1952 in dem von Hermann-Josef Schwingenheuer und ihm selbst redaktionell betreuten Heimatkalender die Situation der nun befreiten und nicht mehr vom Erschießungstod bedrohten Zwangsarbeiter beschrieb: „Die fremden Elemente wurden die Herren und die deutschen Menschen zu Sklaven degradiert!“

Auszüge aus dem Schreiben Kombergs, die Entnazifizierungssitzung zu verschieben

Im Entnazifizierungsverfahren als (minder)belasteter Nazi eingestuft

Nach Mai 1945 bekam Robert Komberg wegen seiner aktiven Zugehörigkeit zur NSDAP Berufsverbot, wurde pensioniert, verhaftet und zu Aufräumarbeiten verpflichtet. Er musste sich dem Entnazifizierungsverfahren stellen und wurde 1947 als Nazi belastet eingestuft, allerdings als „geringer Übertäter“, auch „minderbelastet“ genannt (Stufe III). Sein Ruhestandsgehalt durfte er voll behalten, allerdings wurde ihm die pensionsberechtigte Stellenzulage als Strafe aberkannt, musste noch 50 DM Gebühr für das Verfahren bezahlen. Dagegen legte er beim Entnazifizierungs-Berufungsausschuss der Bezirksregierung Münster Beschwerde ein, da „die Entnazifizierungsbehörde bei meiner Entnazifizierung von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen war“. Zudem hatte er sich beim Kultusminister von Nordrhein-Westfalen beschwert und diesem geschrieben: „Ebenso muss ich die Zahlung der Gebühr von 50 DM ablehnen.“ Die 1. Kammer des Beschwerdeausschusses Münster tagte am 9. September 1949 in Anwesenheit Kombergs, der in diesem Jahr auch seine Wohnung im Schulgebäude verlassen musste. Nach Verlesung des angefochtenen Urteils nahm Robert Komberg ohne Verhandlung seine Beschwerde zurück, worauf das Beschwerdeverfahren eingestellt und das Urteil rechtskräftig wurde.

Robert Kombergs herzerweichende Klage nach 1945

Gebäude der früheren Schule in Lembeck-Beck

Robert Komberg blieb in Lembeck wohnen. Er trat dem Heimatverein Lembeck, dem Gesangsverein und dem Heimatbund der Herrlichkeit Lembeck bei. Er war zusammen mit Hermann-Josef Schwingenheuer (1911-1981, Wulfen) schon 1952 Schriftleiter des Heimatkalenders. In der ersten wiedererschienenen Ausgabe des Heimatkalenders von 1952 beklagte der ehema­lige Schulleiter nicht nur das Verhalten der 1945 befreiten ausländischen Zwangsarbeiter 1945, sondern in eigener Sache die Situation eines nationalsozialistisch belasteten Lehrers. Hier seine öffentliche Klage, in der er über sich in der dritten Person redet und diejenigen, die sich bemühten, die Öffentlichkeit vor nationalsozialistischer Gesinnung zu befreien, als „niederträchtige Kreaturen“ bezeichnete. Offensichtlich hatten die damals Verantwortlichen im Heimatbund der Herrlichkeit sieben Jahre nach Kriegsende gegen den Text im ersten wieder erschienenen Heimatkalender keine Einwände. Robert Komberg schrieb und veröffentlichte diesen unsagbaren Text (Auszug):  „Doch das Herz des alten Lehrers blu­tete in Bitternis und Schmerz. Ihm blie­ben die Tore der alten Erziehungsstätte verschlossen. Durch höhere Gewalt war seiner bisherigen Tätigkeit ein jähes Ende gesetzt. Wegen aktiver Zugehörig­keit zur Partei der Nationalsozialisten zweimal verhaftet, zur Zwangsarbeit kommandiert und schließlich in die Ka­tegorie der Belasteten eingestuft, galt er aus dem Schuldienst als entlassen. Äu­ßerlich entehrt und von minderwertigen Kreaturen verachtet, trat er seinen Weg in die Stille der Einsamkeit an. Gemein­heit und Niedertracht hatten gesiegt…“

Geschönter Nachruf auf die 30 Jahre Lehrertätigkeit bis 1945

Robert Komberg starb 1965. Hermann-Josef Schwingenheuer, verantwortlicher Schriftleiter des „Heimatkalenders der Herrlichkeit Lembeck“, ehrte ihn in der 1966er-Ausgabe mit einem Nachruf, in dem Kombergs Zeit als Nationalsozialist und NSDAP-Schulungsleiter verschwiegen und der Nachruf Hermann-Josef Schwingenheuers daher schwerlich als aufrichtig anzusehen ist:  „Mehr als dreißig Jahre war Robert Komberg Lehrer und Leiter der Schule in Lembeck-Beck. Einer ganzen Generation dieser Bauernschaft [sic! Bauerschaft] also hat er das Rüst­zeug für das Leben vermittelt. Für ihn bestand dieses Rüstzeug aber nicht nur aus Schreiben, Lesen und Rechnen. Als heimatverbundener Mensch bezog er die Natur, die Heimat, Brauchtum und Sitte mit in seine Bildungsarbeit an der Jugend ein. Zahlreiche Sprichwörter und Sagen, Gewohnheiten und Überlieferungen sind dank seiner Aufgeschlossenheit und Emsigkeit festgehalten worden. … Im Heimat­bund fand er den Kreis Gleichgesinnter, dem er sich geistig verbunden fühlte, in dem er über die Schule hinaus weiter wirken konnte. So war es für ihn eine Selbst­verständlichkeit, daß er sich 1951 sofort bereit erklärte, bei der Wiederherausgabe des Heimatkalenders der Herrlichkeit Lembeck, in der Schriftleitung mitzuwirken. … Wir werden seiner stets in großer Verehrung gedenken.“
Bereits 1933 beschrieben aus Deutschland emigrierte Pädagogen das politische Wirken der Lehrer im Nationalsozialismus: „Verseuchung der Jugend mit nationalsozialistischem Gewaltgeiste“ beschrieben bereits 1933 aus Deutschland emigrierte Lehrer das Wirken der Lehrer. Und: „Die Geschichte wird ein hartes Urteil über sie fällen.“

Siehe auch: Heimatbund
Siehe auch:
Hermann-Josef Schwingenheuer
Siehe auch: Heinrich Schwingenheuer
Siehe auch: Heimatkalender
Siehe auch: Heimatverein Lembeck
Siehe auch: Fritz Sagemüller


Anmerkung: Über die Beteiligung von Lehrern am Nationalsozialismus in Dorsten und den Landgemeinden informiert die von Wolf Stegemann herausgegebne Online-Dokumentation www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de, – Quellen: Entnazifizierungsakte Robert Komberg, Staatsarchiv Düsseldorf. – „Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck“ 1952, 1966. – Saskia Müller/Benjamin Ortmeyer: „Die ideologische Ausrichtung der Lehrkräfte 1933-1945“, BeltzJuventa 2016. – Wolf Stegemann (Hg): „Dorsten nach der Stunde Null“, S. 151, Dorsten 1986.

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