Kommissariat

Polizei- und Verwaltungsdienststelle für Holsterhausen und Hervest

In Folge der starken Industrialisierung der einst ländlich strukturierten Gemeinde Holsterhausen Anfang des 20. Jahrhunderts äußerte der Gemeinderat gegenüber der Regierung mehrmals den Wunsch, eine Verwaltungszweigstelle in Holsterhausen zu erhalten. Erst 1913 kam die Regierung diesem Wunsch nach.  Auf dem der Bergwerkgesellschaft Trier gehörenden Gut Pliesterbeck an der heutigen Pliesterbecker Straße richteten die Behörden eine Polizeiveraltungszweigstelle ein, das so genannte Kommissariat. Die einstige Besitzung der Familie von Raesfeld, wurde zu Büroräumen ausgebaut und sämtliche die Gemeinden Hervest und Holsterhausen angehenden Polizeiaufgaben einem Polizeikommissar als Leiter der Zweigstelle zur Bearbeitung überwiesen. 1920 wurde das Standesamt für Holsterhausen und Hervest eingerichtet. Erster Polizeichef war der legendär gewordene  „Polizeikommissar Schulz“, in dessen Amtszeit die politischen Umwälzungen und Unruhen der Spartakisten 1919, der Roten Ruhrarmee 1920, die belgische Besetzung 1924, die große Notzeit von 1929 bis 1931 sowie die politisch unruhige Zeit vor und während der Machtübernahme durch die Nationalsozilisten fielen.

Kommissariat Holsetrhausen, 1933 bis 1945 das "Braune Haus"

Kommissariat Holsetrhausen, 1933 bis 1945 das “Braune Haus”

Kommunisten setzten die Polizisten fest

Als die Arbeiter- und Soldatenräte bzw. der Spartakusbund 1918/19 die Macht in Dorsten und in den Industriegemeinden übernommen hatten und die Bürgerlichen unter Leitung des Fabrikanten Heinrich Schürholz als Gegenstück eine Sicherheitswehr gründeten, forderte der Vorsitzende der Spartakisten, Winkelhüsener, im Holsterhausener Kommissariat die Entwaffnung der bürgerlichen Sicherheitswehr. Da sich die Polizisten weigerten, zogen 200 bewaffnete Arbeiter aus Hervest zum Kommissariat, besetzten es und nahmen den Kommissar Gustav Schulz fest und sperrten ihn vorübergehend in eine Zelle seines eigenen Kommissariats. Als das Freikorps Lichtschlag nach Dorsten anrückte, um dem Spartakistenaufstand niederzuschlagen, verschanzten sich Spartakisten im Kommissariat und schossen auf die Freikorpssoldaten, die daraufhin schwere Geschütze auffahren ließen. Die traurige Bilanz der drei Volltreffer waren Tote und Verwundete. Als ein Jahr später nach dem Kapp-Putsch die Rote Ruhrarmee Dorsten und die Herrlichkeit besetzt hielt, stand das Kommissariat wieder im Mittelpunkt von Ereignissen. Gefangene Reichwehrsoldaten wurden im Kommissariat festgehalten und verhört. Im September 1921 zogen Holsterhausener Bürger vor das Kommissariat und protestierten gegen die inflationäre Erhöhung der Lebensmittelpreise Als drei Jahre später, im Februar 1923, belgische Soldaten in Folge der Ruhrbesetzung auch Bereiche von Holsterhausen besetzten, umstellten sie das Kommissariat und nahmen die Polizeibeamten gefangen, darunter den Kommissar Schulz.

Zeugen Jehovas wurden im Kommissariat drangsaliert

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten überprüfte eine NSDAP-Kommission die politischen Überzeugungen der Polizeibeamten im Kommissariat. Sie kam zu dem Ergebnis, die Kommissarstelle einzusparen und den Leiter, Kommissar Gustav Schulz, mit 58 Jahren in allen Ehren zu pensionieren. Das Kommissariat Holsterhausen war fortan ein gefürchteter Ort, um den Holsterhausener, die nicht auf der Seite der Nationalsozialisten standen, lieber einen Bogen machten. Dies ging nicht immer. Beispielsweise bekam Emil Klang, Mitglied der von den Nazis verfolgten Zeugen Jehovas in Holsterhausen am 28. August eine Vorladung ins Kommissariat. Als er eintrat, schickten ihn die Polizisten wieder nach draußen, weil er den „Heil Hitler“-Gruß verweigerte. Die Prozedur wiederholte sich. Jedes Mal, wenn er wieder eintrat und den erwarteten deutschen Gruß nicht sprach, gaben ihm die Polizisten Ohrfeigen. Dies war übrigens eine der beliebten Methoden im Holsterhausener Kommissariat. Ein weiterer Zeuge Jehovas, Arthur Kramm, der 1943 hingerichtet wurde, wurde wegen Grußverweigerung im Kommissariat blutig geschlagen. Am 12. März 1945 bombardierten alliierte Flugzeuge in Holsterhausen einen Soldatentransportzug. Es gab über 70 Tote, weil der Zugkommandant entgegen der geltenden Anordnung es den Soldaten nicht erlaubt hatte, den Zug zu verlassen, um in den nahen Gräben Schutz zu suchen. Daraufhin soll der Kommandant von den eigenen Soldaten, wie Augenzeugen gesehen haben wollen, am nahen Kommissariat erschossen worden sein. Einen Beleg darüber gibt es nicht, aber einen weiteren Zeugen, der den Kommandanten noch in der Nachkriegszeit in Hamburg gesehen haben will. – Das Gebäude des früheren Kommissariats wurde in den 1950er-Jahren abgerissen.

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