Vissing, Joseph und Heinrich

Zwei Brüder waren hintereinander Pfarrer von St. Paulus in Hervest

Blick auf Hervest-Wenge; Zeichnung: A. Wichelhaus

Sie waren wohl die einzigen Brüder, die hintereinander zu Pfarrern von St. Paulus in Hervest ernannt wurden. Zuerst Joseph Vissing von 1911 bis 1931 und danach der um 20 Jahre jüngere Bruder Heinrich von 1931 bis 1936. Ersterer erlebte in seiner Amtszeit den Ersten Weltkrieg, die Notzeit und Plünderungen durch Spartakisten und der „Roten Armee“, die belgische Besetzung von Hervest sowie die Gründung der St. Josefgemeinde in Hervest-Dorsten. Sein nachfolgender Bruder Heinrich erlebte die Machtübernahme durch die kirchenfeindlichen Nationalsozialisten und musste sich in Hervest mit der Partei und den NS-Behörden auseinandersetzen – bis zu seinem Tod im Jahre 1936. Joseph Vissing wurde 1868 in Wüllen geboren. Die Priesterweihe hatte er 1892 erhalten. Nach Hervest kam er 1911, nachdem er  Kaplan in Lembeck, Lippborg und Schmedehausen war. Als Pfarrer von Hervest war er zugleich zuständig für die Kirche St. Marien in Hervest-Dorsten. Die Einwohnerzahl in Hervest war durch die Industrialisierung und Zuwanderungen auf 2430 angewachsen.

St. Josef in Hervest-Dorsten gehörte als Rektorat zu St. Paulus

1919 gründete sich in Hervest-Dorsten ein Kirchenbauverein St. Josef, der beschloss, von der Zeche eine Baracke zu kaufen, um darin eine Notkirche einzurichten. Bei dieser Baracke handelte es sich um die Küchenbaracke des ehemaligen Russen­lagers an der Scharnhorststraße. Am 30. November 1919 erfolgte die Grundstein­legung und trotz der Inflationszeit gelang es, den sehr einfachen Kirchenbau zu vollenden. Am Weißen Sonntag, dem 11. April 1920 hielt Joseph Vissing den ersten Gottesdienst in St. Josef. Damals wurden auch die Kirchengrenzen festgelegt. Bereits am 26. Juli 1920 wurde St Josef zum Rektorat erhoben, aber erst 1951 selbststän­dige Pfarrei. Seit Oktober 1920 kamen je Eindrittel der Kirchenvorstandsmitglieder von St. Paulus sowie aus den Rektorratsbezirken St. Marien und St. Josef. 1920 waren das gesamte Ruhrgebiet und somit auch die Region Dorsten in der Hand der „Roten Armee“, die gegen die Reichswehr kämpfte. Das alte Pfarrhaus in Hervest wurde zur Verbandsstation. Bewaffnete Gruppen durchzogen täglich das Dorf und be­schlagnahmten bei den Bauern Lebensmittel aller Art. Vom Palmsonntag 1920 ist allerdings ein eigenartiges Erlebnis überliefert: Als an diesem Erst­kommuniontag die Kommunionkinder in feierlicher Prozession von der Schule zur Kirche zogen, wurden sie dabei von keinem der vorbeiziehenden Trupps der Kommunisten gestört. Als am selben Tag Pfarrer Vissing nachmittags zur Glockenweihe nach Hervest-Dorsten wollte, ließen ihn die Spar­takisten nicht durch. Daher konnten die Glocken erst am Ostersonntag geweiht werden. Im März 1921 waren die Rotgardisten aus Hervest vertrieben. Zwei Jahre später kamen im Rahmen der Ruhrbe­setzung Belgier nach Hervest, und wieder wurden bei den Bauern mit Waffenge­walt Lebensmittel beschlagnahmt. Die Besetzung durch die Belgier dauerte allerdings noch bis Juli 1925.

Im Jahr 1929 begann der Bau der Josefkirche in Hervest-Dorsten

1927 verzeichnet die Pfarrchronik: „ Nach langer Zeit fand wieder eine Primizfeier statt. Es war die Feier für den hochwürdigen Pater Stanislaus Löns. Er war bei den Franziskanern eingetreten und in Paderborn stationiert. Die ganze Gemeinde beteiligte sich an der Feier gehörte der Chinamission der Franziskaner an.“ Die Notkirche in Hervest-Dorsten musste 1927 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden, so dass der große Saal der Josefschule als Kirche benutzt werden musste. Im Frühjahr 1929 begann dann der Bau der Josefkirche, die am 18. Dezember feierlich geweiht wurde. Pfarrer Joseph Vissing, der auch bei der Grundsteinlegung anwesend war, feierte die erste heilige Messe in der neuen Kirche, ein Pontifikalamt mit dem Bischof von Münster und zwei weiteren Geistlichen. Viele andere Geistliche aus der Region waren anwe­send, und die Gemeinde nahm regen Anteil. – Nach einer fast zwanzigjährigen Dienstzeit in einer politisch aufregenden Zeit verstarb Pfarrer Joseph Vissing am 10. August 1931 unerwartet. Er erlitt auf der Bismarckstraße in Dorsten einen Herzschlag und brach vor der Villa Duesberg tot zusammen, als er den Rektor der Mariengemeinde besuchen wollte.

Sein jüngere Bruder Heinrich Vissing wurde sein Nachfolger

Nachfolger im Pfarramt Hervest wurde Joseph Vissings Bruder Heinrich, der 1931 nach St. Paulus kam. 1988 in Wüllen geboren, erhielt er 1912 die Priesterweihen und eine Kaplansstelle in Duisburg, danach in Schaag und Bocholt. In seiner nur fünfjährigen Amtszeit in Hervest nahm die Arbeitslosigkeit immer größeren Umfang an, und die Not der Bevölkerung wuchs. Nach der Machtübernahme Hit­lers am 30. Januar 1933 versuchte die NSDAP in immer stärkerem Maße, das katholische Leben zu unterdrücken. Zwar wurde bereits im Winter 1933/34 die KAB Hervest aufgelöst, ihre Fahne und ihr Eigentum beschlagnahmt, aber ansonsten nahmen die Nationalsozialisten zu­nächst wenig Einfluss auf das Gemeindeleben. Pfarrer Heinrich Vissing starb  am 6. September 1936. Er war bereits mehrere Jahre krank, doch sein Tod traf die Gemeinde dennoch unerwartet. Zum Pfarrverwalter wurde der Neupriester Zumhasch ernannt, der schon wenige Tage nach seinem Amtsantritt Bischof Clemens August von Galen am 12. September zur Firmung in Hervest begrüßen konnte.

Siehe auch: Pfr. Bernhard Grothues
Siehe auch: Pfr. Franz-Hermann Schlüter
Siehe auch: Pfr. Johannes Heinrich Eming
Siehe auch: Pfr. Franz Schulte Tenderich
Siehe auch: Pfr. Johann Konrad Freyssem
Siehe auch: Pfr. Augustin Stegemann
Siehe auch: Pfr. Heinrich Westermann
Siehe auch: Hervest
Siehe auch: Belgische Besetzung II
Siehe auch: Pauluskirche
Siehe auch: Pater Stanislaus Löns

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