Hervest

Die Ritter von Hervorst gaben dem Ortsteil Namen und Wappen

Dorfwindmühle Hervest

Dorfwindmühle Hervest

Der Hervester Raum wurde wie der Holsterhausener im 6./7. Jahrhundert von Einzelhöfen besiedelt. Das geht aus topografischen, siedlungs- und ortsnamentlichen Kriterien hervor. In schriftlichen Quellen wird Hervest mit den Bauerschaften Orthöve und Wenge erst nach dem Jahre 1100 erwähnt. Hervest („parrochia Herevorst“) ist 1188 als Pfarrort mit der romanischen Kirche St. Paul bezeugt. Für die ältere Einzelhofsiedlung gleichen Namens wurde nach der Kirchgründung der Name Orthöve geprägt. Die Bauerschaft Wenge wurde 1498 erstmals urkundlich erwähnt. In der Gemeinde Hervest war eine Familie gleichen Namens ansässig, deren Burg östlich vom Dorf gestanden haben soll. Als erster ist 1228 ein „Gerardus de Hervest miles“ genannt. Der Knappe Hugo de Hervorste verkaufte 1338 die beim Hof Bergmann („by den hove ten berghe“) gelegenen „bona dicta Lobberteshues ten Velde“ an Wessel Schetter. Die meisten anderen Güter der Familie wurden von seinen Söhnen Johann und Dietrich an den Junker Dietrich von der Mark übertragen und 1359 auch das Schollbrock teils an die Stadt Dorsten, teils an Heinrich Harst versetzt, während der angrenzende Hof Richter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts im Besitz der Familie geblieben war. 1652 wird in den Büchern der Stadt letztmalig ein Jakob von Hervest genannt.

Industrialisierung veränderte im 19. Jahrhundert das Leben

Fürst Leopold um 1990

Fürst Leopold um 1990

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden nordwestlich von Wenge in der Gälken-Heide sowie auf dem ehemaligen Hofe Frintrop Raseneisenerz gewonnen und zur Guten-Hoffnungs-Hütte gefahren. Das erste industrielle Werk war die 1849 errichtete Kattunfabrik von Reischel und Evelt, aus der 1885 die Teppichfabrik Stevens hervorgegangen ist, die 1887 unter dem Namen Stevens und Schürholz (später DeKoWe) weiter bestand. 1875 wurde die Dorstener Eisengießerei und Maschinenfabrik gegründet. 1897/98 wurden auch bei Venhoff in Sölten Bohrungen auf Steinkohlen angesetzt, bei denen man in 558 m Tiefe fündig wurde. Durch vertragliche und gesetzliche Bestimmungen wurde die Berghoheit des fürstlichen Hauses Salm-Salm zu Anhalt durch eine Abfindung abgelöst. Nach Überwindung erheblicher Schwierigkeit konnte 1913 die Gewerkschaft Fürst Leopold mit dem Ausbau der Schächte beginnen und die Kohlenförderung aufnehmen. 1918 sind die Grubenfelder in den Besitz des Stahlwerks Hoesch in Dortmund übergegangen. Der Werkshafen wurde 1828 ausgebaut, die Hafengleise 1929 angelegt.

Einwohnerschaft durch Zuzüge stark angestiegen

Im Jahre 1600 hatte Hervest über 40 schatzungspflichtige (steuerpflichtige) Hofstätten und Wohnhäuser, 1805 fast 60 Haushalte mit 443 Einwohnern (die Geistlichen waren steuerfrei). Die Einwohnerzahl, die 1890 nur 781 und auch 1900 nur 997 betrug, war 1910 auf über 2.000, im Jahre 1915 auf über 4.000 und 1920 auf über 6.000 angewachsen und belief sich 1927 auf 7.612. In den Jahren 1910 und 1920 sind die Rektoratsgemeinden St. Marien und St. Josef und 1923 eine evangelische Gemeinde entstanden. Heute leben rund 13.359 Einwohner in dem 1943 nach Dorsten eingemeindeten Stadtteil, der aus dem ländlich strukturierten Hervest-Dorf und Hervest-Dorsten besteht.

Dorf Hervest (ländlich) und Hervest-Dorsten (industriell)

Bergbau-Fahne

Bergbau-Fahne

Noch in der Nachkriegszeit wurde im Sprachgebrauch deutlich unterschieden zwischen Hervest-Dorsten und Dorf Hervest – heute teilweise schon wieder. Die Kirchsiedlung Hervest-Dorsten besteht aus den Wohngebieten südlich und westlich der Zeche. Das Dorf Hervest ist der alte Dorfkern (die Kirchsiedlung) östlich der Zeche. Aufgrund dieser Unterscheidung war vielen Bewohnern der Herrlichkeit nicht bewusst, dass zum Beispiel Hervest-Dorsten und das Dorf Hervest zur selben Gemeinde gehörten. Mit der Errichtung der Zeche „Fürst Leopold“ zogen Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet und dem Osten des Reiches zu, so dass mit der weiträumigen Zechensiedlung Wohnraum geschaffen werden musste. Die Industrialisierung verdrängte die wenigen Bauernhöfe im Hervest-Dorstener Bereich und bestimmte das Leben und Arbeiten in Hervest-Dorsten.

Hervest wird vorerst ein „Nebenzentrum“ bleiben

Neben Holsterhausen ist der zentrale Versorgungsbereich von Hervest einer von zwei Nebenzentren in Dorsten. Das wird zunächst so bleiben. Damit stellte sich die Politik nach Vorschlag der CDU gegen die Gutachter. Nach Wirtschaftslage in Hervest plädierten die Gutachter für eine Herabstufung von „Nebenzentrum“ in ein „Nahversorgungszentrum“. Weil sich aber ein Drogeriemarkt in Hervest ansiedeln will, soll „über einen angemessenen“ Zeitraum es beim wirtschaftlich höher eingestuften „Nebenzentrum“ bleiben.

Baustart rund um neuen dm-Markt in Hervest verzögert sich

Eigentlich sollte längst gebaut werden, doch aktuell tut sich beim Bauprojekt rund um den dm-Markt am Hervester Zechengelände nichts. Und das kann auch noch mehrere Monate so bleiben. Denn der Bund hatte im Januar 2022 Zuschüsse der KfW-Förderbank kurz vor Ende der Antragsfrist vorzeitig gestoppt. Zwar habe das für den Bau zuständigen niederländische Projektentwicklungsunternehmen „AquiVisions“ noch vor dem Stopp die für den Bau des Hervester Projekts notwendigen Anträge bei der KfW eingereicht, diese „waren aber zum Zeitpunkt des Stopps noch nicht bearbeitet“. Da sich im November 2021 der Stopp schon angekündigt hatte, hätten viele Investoren schnell noch ihre Anträge eingereicht. Ohne den KfW-Bescheid kann mit dem Bau nicht angefangen werden. Wie lange der Baubeginn in Hervest verschoben wird, ist „nicht abzusehen“.

Wappen: In blauem Schild befinden sich drei nach oben gerichtete goldene Hechte, von denen die beiden äußeren nach oben stehen und der mittlere unten steht. Als Vorlage des 1935 verliehenen Wappens diente das der im 14. Jahrhundert ausgestorbenen Familie der Herren von Hervorst. Aus dem ursprünglichen Wappen hervorgegangen ist 1939 das Hoheitszeichen des Amtes Hervest – ein goldener Schlüssel auf schwarzem Feld –, angelehnt an das Wappen der Herrlichkeit Lembeck, getrennt durch einen silbernen Wellenbalken, der die Lippe darstellt. Das Wappen existierte amtlich bis zur Kommunalreform 1975.


Siehe auch:
Stadtteile


Quelle:
Teilweise „Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen“, Münster 1929.

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