Stürme ab Februar 2022

„Xantra“ „Ylenia“, „Zeynep“, „Antonia“ u. a. fegten über Dorsten hinweg

Baum zerstörte eine Gräberreihe auf dem Friedholf in Wilfen-Barkenberg; Foto: Bludau

Einen so schweren Dreifachsturm wie in den Tagen und Nächten von Mittwoch bis Montag (16. bis 21. Februar 2022) hat es nach Analyse von Wetter- und Versicherungsdaten im vergangenen halben Jahrhundert in Deutschland nicht gegeben. Seit Beginn der detaillierten Aufzeichnungen vor mehr als 50 Jahren wurde demnach bislang noch keine zeitlich derart enge Abfolge vier unterschiedlicher Stürme dokumentiert wie bei „Xantra“, „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“. Das teilte die auf Versicherungsmathematik spezialisierte Unternehmensberatung Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) mit. Die von den vier Stürmen angerichteten versicherten Schäden schätzt das Unternehmen auf insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Lediglich vor über 30 Jahren gab es demnach einmal eine ähnliche Konstellation, allerdings mit nur zwei Stürmen.

Namen von Hochdruckgebieten und Sturmtiefs können gekauft werden

Jedes Mal, wenn ein Sturmtief durch Deutschland fegt, begegnet uns ein neuer Name, mit  dem der Orkan oft beachtlichen Schaden anrichtet. 1999 war es „Lothar“, 2013 „Andreas“, 2017 „Xavier“, ein Jahr darauf „Friederike“ und Anfang 2020 „Sabine“, um einige Beispiele zu nennen. Sie könnten auch Lambert, Tobias, Nina, Holger, Karsten heißen, wobei den Eignern dieser Namen diese für Hochdruckgebiete sicherlich besser gefallen würde. Vergeben werden die Namen vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin und dem Verein Berliner Wetterkarte im Rahmen der Aktion Wetterpate. Die Namensnennungen sind heiß begehrt. Vergeben werden die Wetterpatenschaften für das Folgejahr meist ab einem Mittwoch im September. Diejenigen, die ihren Antrag gleich an diesem Tag an die Freie Universität schicken, haben in der Regel eine Patenschaft sicher. Bei allen anderen Anträgen werden die Patenschaften verlost. Ein Hoch kostet 360 Euro, ein Tief 240 Euro. Hochdruckgebiete haben eine deutlich längere Lebensdauer und bleiben daher länger auf den Wetterkarten sichtbar und somit auch auf den Bildschirmen des Fernsehens, heißt es zur Begründung. Wer welchen Namen vergeben hat, listet die FU öffentlich auf. Darunter finden sich manchmal auch Gruppen, Vereine, Städte oder Unternehmen. So haben „Alle Rockfans in Deutschland“ im Jahr 2017 einem Tief den Namen „Bob“ gegeben. Das Team von Radio Fritz hat sich eine „Queeni“ gekauft. Die Tiefs Yvan und Quanna haben von keinen Geringeren ihre Namen als von der Vermittlungsplattform parship.de und vom Boulevardblatt tz.

Nacht von Dienstag auf Mittwoch
Aufziehende Sturmfront: Wolken und Regen über Deutschland

In der Nacht auf den Mittwoch intensivierte sich der Niederschlag über dem Westen und dehnte sich bei einem böigen Wind aus westlichen Richtungen bis zum Nachmittag des Mittwochs über die östlichen Landesteile aus, während es über dem Westen bereits wieder abtrocknete. Der Niederschlag wurde regional schauerartig verstärkt und örtlich von Gewittern begleitet. Auch in Dorsten. Ab den späten Nachmittagsstunden intensiviert sich der Wind über dem Westen und verstärkte sich in den Nachtstunden zu stürmischen Windböen in tiefere Lagen. In exponierten Lagen und den Küstenregionen kamen schwere Sturmböen bis hin zu orkanartigen Winde auf. Die Temperaturen erreichten am Tage +5 bis +10 Grad und über dem Westen bis +14 Grad und stiegen in der Nacht auf +10 bis +15 Grad an.

Nacht von Mittwoch auf Donnerstag:
Auch ein wegrollendes Dixie-Klo musste eingefangen werden

„Ylenia“ und „Xandra“ – diese beiden Sturmtiefs schüttelten Dorsten in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag und am Donnerstag bis zur Mittagszeit kräftig durch. Doch ein nennenswerter Schaden entstand nicht. Einzelne Sturmböen erreichten nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 130 km/h. Die im Vorfeld befürchteten Schäden blieben allerdings aus, Menschen wurden nicht verletzt.
Bis zum Nachmittag verzeichnete die Dorstener Feuerwehr 14 Sturm-Einsätze im Stadtgebiet. An zwei Einsatzstellen waren Oberleitungen der Telekommunikation betroffen. Auch ein Dixi-Klo begab sich auf stürmische Abwege und musste wieder eingefangen werden. Die Nordwestbahn hatte den Zugverkehr bereits gegen 5.20 Uhr komplett eingestellt. Ein Regionalexpress, der etwa eine Stunde später auf dem Weg zu einem sicheren Haltepunkt war, rammte auf freier Strecke in Wulfen zwei umgestürzte Bäume und beschädigte auf den nächsten 150 Metern Stromkästen und Schilder entlang der Gleise. Die fünf Passagiere und der Zugführer blieben unverletzt. Der Regionalexpress 14 konnte seine Fahrt nach einer Kontrolle in Richtung Dorsten fortsetzen, nachdem die Feuerwehr das Gehölz entfernt hatte. – Foto: Nordwestbahn in Wulfen (Bludau).

Freitag:
Mehr als 30 Feuerwehr-Einsätze – Zugverkehr wurde eingestellt

Sturmtief Zeynep fegte am Freitagabend über das Dorstener Stadtgebiet hinweg und sorgte dafür, dass die örtlichen Einsatzkräfte eine Menge zu tun hatten. Größere Schäden blieben aus. Während der „Hauptsturmzeit“ zwischen 19 und 20 Uhr mussten die Einsatzkräfte alle paar Minuten ausrücken – mal zur Bestener Straße, mal zur Kirchhellener Allee, dann zur Pliesterbecker Straße, zur Händelstraße zur Rekener und Recklinghäuser Straße, zur Hervester Straße, dann zur Borkener Straße und zur Gerlicher Heide. Es gab keine Verletzten, lediglich umgeknickte Bäume, abgebrochene Äste, die von den Straßen weggeräumt werden mussten. Ein Mast der Straßenbeleuchtung musste gesichert werden. Insgesamt gab es bis etwa 20 Uhr mehr als 30 Einsätze. Als die Dunkelheit anbrach, wurde der Wind stärker und die Einsätze häuften sich: Die Kräfte mussten zum Heidbruch nach Wulfen-Barkenberg in den Einsatz, dann zum Rütherweg und zur Erler Straße nach Rhade. Auch an der Lippramsdorfer Straße in Dorsten-Lembeck gab es am frühen Abend zwei Alarmierungen. Angesichts der Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes hatte die Nordwestbahn den Zugverkehr am Freitagnachmittag eingestellt. Die Deutsche Bahn zog nach und stoppte den Zugverkehr auf der RB 43 von Dorsten nach Dortmund bis zum Betriebsschluss. Die Freiwillige Feuerwehr Kirchhellen-Feldhausen hatte einen abgeknickten Baum am Bahnhof Feldhausen beseitigen müssen.

Der Sturm stoppte den Fußball – Spiele am Freitag und Sonntag abgesagt

Der Amateurfußball kam 2022 nur langsam in Schwung. Nicht nur, dass Coronafälle einzelne Mannschaften immer wieder ausbremsten. Auch die Sturmtiefs sorgten für die Absage eines kompletten Spieltags – nicht nur im Fußballkreis Recklinghausen. Alle Spiele in den Kreisligen des Fußballkreises Recklinghausen wurden am Freitagmittag abgesagt, nachdem Städte wie Marl, Haltern oder auch Herten ihre Sportanlagen über das Wochenende gesperrt hatten. Aus Sorge, abbrechende Äste oder umstürzende Bäumen könnten Kicker oder Zuschauer gefährden. Ein Rumpfprogramm auszutragen hätte keinen Sinn gemacht, argumentieren die Verantwortlichen beim Fußballkreis – und stoppten den kompletten Betrieb bei Senioren und Junioren für das Wochenende – nicht nur in Recklinghausen, auch in Haltern, Herne und Bochum wurde nicht gespielt.

Samstag auf Sonntag
Umgestürzter Baum verwüstete eine Gräberreihe auf dem Friedhof

Durch das Orkantief „Zeynep“, das am Freitagabend auch über Dorsten zog, kamen zwar keine Menschen zu Schaden, doch Bäume. Gärten, Häuser schon, wie noch am Sonntag deutlich im Stadtgebiet zu sehen war. Betroffen waren auch Friedhöfe. Zum Beispiel auf dem Waldfriedhof in Wulfen-Barkenberg hatte es gleich mehrere Sturmschäden gegeben. Ein Baum fiel quer über eine ganze Reihe von Gräbern und beschädigte diese (Foto oben) Mit dem Aufräumen nach dem Sturm waren Einsatzkräfte der Dorstener Feuerwehr auch noch im Laufe des Sonntags beschäftigt. Zum Beispiel an der Schönbergstraße, Waldstraße und an der Friedrichstraße mussten noch herab fallende Baumteile weggeräumt werden. Auch am Samstag hatte es rund 15 sturmbedingte Einsätze gegeben: Borkener Straße, Alter Postweg, Heidener Straße, Ostwall. Die Feuerwehr Dorsten war bis abends im gesamten Stadtgebiet unterwegs.
So auch am Hessenweg in Wulfen im Bereich des Gewerbegebietes Dimker Heide. Hier war der Stamm einer rund 20 Meter hohen Kirsche im Stammbereich durch den Sturm gerissen. Der Baum drohte unkontrolliert auf ein benachbartes Grundstück zu fallen. Hier waren Gebäude und Personen in Gefahr. Mit Hilfe der Drehleiter wurde der Baum von den Einsatzkräften des Löschzug Wulfen von oben her abgetragen und so die Gefahr beseitigt.
An der B 58 in Wulfen wurde ein Alleebaum durch den Sturm entwurzelt und drohte ebenfalls umzukippen. Auch dieser Baum wurde von der Feuerwehr beseitigt. Hier musste die B 58 durch die Polizei gesperrt werden. Es kam zu Verkehrsstörungen.
Insgesamt waren es rund 140 Einsatzkräfte, die in der Sturmnacht und in den beiden Tagen danach die zahlreichen Einsatzstellen im Stadtgebiet abgearbeitet haben. Alle acht Löschzüge und die hauptamtliche Wache waren im Einsatz. Auch der RE 14 (Münsterland-Emscher-Express) konnte wieder fahren, allerdings vorerst nur zwischen Gladbeck-West und Coesfeld/Borken. Zwischen Gladbeck-West und Essen-Steele wurde ein Busnotverkehr eingerichtet. Die von der Bahn AG betriebene Emschertalbahn zwischen Dorsten und Dortmund fuhr wieder normal nach Fahrplan. Besorgt wurde das angekündigte Sturmtief „Antonia“ erwartet.

Sonntag auf Montag
„Antonia“ – Im Ortsteil Tönsholt fiel ein Baum auf eine Telefonleitung

Es blieb stürmisch in Deutschland: Auf den Orkan „Zeynep“ folgte das Sturmtief „Antonia“, das seinen Höhepunkt in der Nach auf Sonntag erreichte. Kurz, aber heftig tobte „Antonia“ in der Nacht von Sonntag auf Montag über Dorsten. Der Feuerwehr bescherte das vierte Sturmtief in Folge erneut Einsätze. Die Nordwestbahn nahm den Betrieb mit Verzögerungen auf. Der Deutsche Wetterdienst hatte auch für den Dorstener Raum eine Unwetterlage vorhergesagt. Um kurz nach 23 Uhr zog dann eine größere Gewitterfront mit Sturmböen und Starkregen über das Stadtgebiet hinweg. Glücklicherweise hat es nach ersten Erkenntnissen aber nur wenige Schäden angerichtet. Auf dem Marler Damm krachten gleich zwei Bäume auf die Fahrbahn. Nach Beseitigung der Bäume war dann die Straße wieder befahrbar. Diese Einsatzstelle wurde vom Löschzug Altendorf-Ulfkotte abgearbeitet. Anschließend beruhigte sich die Unwetterlage wieder und so konnten kurz nach Mitternacht die rund 130 Einsatzkräfte entlassen werden. Insgesamt verzeichnete die Dorstener Feuerwehr ein halbes Dutzend Einsätze – deutlich weniger als in den Tagen zuvor. Kreisweit mussten die Einsatzkräfte etwa 20-mal ausrücken.
Die Nordwestbahn nahm den Betrieb am Montag mit Verzögerung auf. Die ersten Züge ab Dorsten hatten deutliche Verspätungen. Das Unternehmen bestätigte, dass vor dem Betriebsbeginn umfangreiche Erkundungsfahrten notwendig waren. Ersatzverkehre konnten nicht sichergestellt werden.

Die Stürme kosteten insgesamt mehr als anderthalb Milliarden Euro

In den vergangenen Tagen waren wegen der Orkantiefs „Ylenia“ und „Zeynep“ mindestens sechs Menschen in Deutschland gestorben. „Xantra“ „Ylenia“, „Xantra“ „Zeynep“, „Antonia“ dürften den Versicherern  nach ersten Schätzungen mehr als 1,6 Milliarden Euro kosten.

Mai 2022: Erste Sturmschäden – Dorstener Feuerwehr im Dauereinsatz

Die Unwetterfront in den Tagen der zweiten Maiwoche 2022 führte auch in Dorsten zu Schäden, wenn auch im Vergleich zu anderen Orten zu maßvollen. Am Donnerstagnachmittag (19. Mai) warnte der Deutsche Wetterdienst vor Unwetter der Stufe 3. Erste Schäden richtete die Unwetterfront bereits kurz nach 15 Uhr in Dorsten an. 14 Feuerwehreinsätze meldete die Kreisleitstelle allein in Dorsten innerhalb von rund 15 Minuten, nachdem die ersten Sturmböen am Nachmittag durch Dorsten gezogen waren. Gut zwei Stunden später waren es schon 28. Vor allem im Dorstener Norden und da vor allem in Wulfen und Wulfen-Barkenberg waren die meisten Einsatzorte verzeichnet. Südheide, Dimker Allee, Rüther Weg, Am Gecksbach, Im Ovelgünne, Dülmener Straße, Lasthausener Weg, Halterner Straße: An diesen Straßen und weiteren meldete die Leitstelle Sturmeinsätze. Am Gecksbach wurde ein dicker Baum aus der Straßenpflasterung gerissen.

Juli-Gewitterfront löste in NRW mehr als 1650 Einsätze aus

Die Gewitterfront über NRW, die kurze Zeit auch über Dorsten bemerkbar war, hat bis weit in den Freitag (1. Juli 2022) hinein mindestens 1650 Feuerwehreinsätze ausgelöst und mehrere Menschen verletzt. Dies sei die Bilanz allein in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Münster, teilte das NRW-Innenministerium mit. In mehreren Städten waren die Feuerwehren im Dauereinsatz – etwa wegen umgekippter Bäume, unter Wasser stehender Keller und Straßen. Besonders betroffen waren Duisburg mit rund 670 Einsätzen und Krefeld mit 265. Bei der Deutschen Bahn kam es wegen umgestürzter Bäume zu Ausfällen und Streckensperrungen. Im Kreis Wesel hatte die Feuerwehr fast 360 Einsätzen zu bewältigen. Nach den Gewittern kehrte wieder der Sommer zurück. Hoch „Hartmut“ hat am Wochenende (2./3. Juli) wieder sonnig-heißes Wetter gebracht.

Siehe auch: Wetter /Essay)
Siehe auch: Stürme/Orkane/Unwetter
Siehe auch: Sturmstoß 2019 – kurz und heftig
Siehe auch: Sturmstoß „Zeljko“ 2015
Siehe auch: Sturmtief „Friederike“ 2018
Siehe auch: Sturmtief „Sabine“ 2020
Siehe auch: Sturmtief “Kyrill” 2014 u.a.
Siehe auch: Unwetter “Ela” 2014
Siehe auch: Wetterjahr 2021
Siehe auch: Wetterjahr 2011
Siehe auch: Dauerregen 2016
Siehe auch: Hochwasser


Quellen: Michael Klein, Guido Bludau, Stefan Diebäcker, Jörg Isringhaus, Birgit Holzer im DZ- Lokalteil und überregionalen Teil in den Ausgaben vom 18. bis 22. Februar.    

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone

Dieser Beitrag wurde am veröffentlicht.
Abgelegt unter: , Stürme, Wetter