Bullenhitze Juni/Juli 2019

Wegen der Affenhitze allein an einem Tag 30 Noteinsätze der Feuerwehr

Temperaturmessung an der Borkener Straße am 25. Juli 2019; Foto: Stegemann

Wolf Stegemann. – Eine Vorbemerkung zur Überschrift sei gestattet: Tiernamen in solchen Zusammensetzungen dienen in der Umgangssprache einfach als Ausdruck einer Steigerung wie „hundsgemein“, „schweineteuer“, neudeutsch: „affengeil“. – „Bullenhitze“ oder „Bullenheiß“ sind Wendungen, die das Bild des Bullen als Ausdruck der Steigerung verwenden, um das Unüberbietbare zu verdeutlichen. Ähnlich betrifft dies auch das Wort „Affenhitze“. Es hat eine steigernde oder auch wertmindernde Bedeutung. Vielleicht ist diese Wortschöpfung aus „Hitze wie im Affenstall“ verkürzt.

„Ulla“ heizte in Deutschland im Juni 2019 kräftig ein. Angekündigte Höchstwerte „35, 37, knapp 40 Grad“. Auch den Dorstenern wurde kräftig eingeheizt. Weltweit wurde der Juni 2019 als heißester Monat bezeichnet. So die Klimawissenschaftler am 2. Juli 2019. Doch dann wurde es noch heißer. Am 24. Juli 2019, ein Mittwoch, wurde in Geilenkirchen/Heinsberg 40,5 Grad gemessen. Das war bis dahin in Deutschland der heißeste Tag seit den regelmäßigen Wetteraufzeichnungen von 1881. Doch schon der nächste Tag stelle den Hitzerekord des Vortages in den Schatten. Im niedersächsischen Lingen maß die Wetterwarte 42,6 Grad. Laut „Deutsche Wetterdienst“ (DWD) geht dieser Juli als bislang heißester Monat seit Aufzeichnungsbeginn in die „meteorologischen Geschichtsbücher“ ein. Insgesamt wurde an diesen Ragen von 25 Wetterstationen eine Temperatur von 40 Grad Celsius oder mehr gemessen. In Deutschland gibt es mehr als 180 größere Wetterwarten wie in Lingen und fast 1750 kleinere Wetterstationen. Übrigens wurden in Deutschland in den letzten 138 Jahren seit der Wetteraufzeichnung insgesamt zehnmal 40 Grad erreicht oder überschritten.

Bei den Temperaturen schlossen Einrichtungen und Betriebe früher

Und in Dorsten? Dorsten hat keine Wetterwarte. Doch am Parkplatz an der Borkener Straße steht ein öffentlicher digitaler Temperaturanzeiger. Dieser maß am Donnerstag, den 25. Juli  um 13.08 Uhr 44 Grad. Dabei steht der Temperaturmesser nicht einmal in der vollen Sonne, sondern etwas schattig bedeckt durch das Geäst eines Baumes. Die Luft heizte sich dort am späten Nachmittag auf die 50 Grad-Anzeige hoch. Das dürfte zumindest in Holsterhausen der heißeste Tag des Jahres 2019 gewesen sein. Rudy Carrells Hit aus den 1970er-Jahren „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ könnte heute mit Juli 2019 beantwortet werden. Und der Sänger Konstantin Wecker hatte den Sommer einst mit „Wenn die Welt dann wieder breit ist satt und ungeheuer fett“ angeschmachtet. Klimawissenschaftler werden Liebeserklärungen an die „prallste Jahreszeit“ als literarisches Stilmittel einer vergangen Epoche abheften als unzeitgemäße Schwärmerei. Von Idylle ist schon lange keine Rede mehr, wenn es um den Sommer geht. Meldungen von ohnmächtig gewordenen Hitzeopfern, von ausgetrockneten Senioren und im Auto vergessenen Haustieren und Kleinkindern sind nicht mehr zu ignorieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf rechnete vor, dass in den Jahren 2030 bis 2050 mit ungefähr zusätzlichen 250.000 Todesfällen durch die Erwärmung zu rechnen sei.

Und wie erlebten Dorstener die Hitzewoche im Juni und Juli 2019?

Die Stadtverwaltung hatte hitzebedingt die Öffnungszeiten des Bürgerbüros im Rathaus geändert und anderthalb Stunden früher geöffnet und geschlossen als sonst. Auch die Müllabfuhr begann eine Stunde früher. Schulen hatten versetzten Unterricht. Die Wassertemperatur im „Atlantis“-Bad lag bei 22 Grad. Viele städtische Kitas schlossen  vorzeitig. Hitzebedingt wurden etliche geplante Wallfahrten der katholischen Kirchengemeinden und Radtouren abgesagt. Der Heimatverein Lembeck und der Verkehrsverein für Dorsten und die Herrlichkeit sagten ebenfalls ihre Veranstaltungen ab. Blick in die Nachbarschaft: Das Museumsfest des Waltroper Heimatvereins wurde abgesagt. Bereits 2018 musste die Veranstaltung aus demselben Grund abgesagt werden. Auch damals gab es zu der Zeit, als das Museumsfest geplant war, eine Hitzewelle.
Für Besucher war auch das Tierheim in Hervest-Dorsten geschlossen. Die Tagesplanung der Tiere wurde der Hitze angepasst. Hunde verbrachten den Tag auf der Wiese, wo sie sich in gespendeten Hunde-Swimmingpools abkühlen konnten. Die Katzen erfrischten sich auf nassen Handtüchern. Temperaturen von weit über 40 Grad herrschten am Grill von Hähnchen Finke in Holsterhausen. Deshalb blieb der Imbiss geschlossen. Etliche Firmen und Büros wie beispielsweise das Gartencenter „Florawelt“ oder die Reiseagentur Vospohl und das Bauunternehmen Krukenberg schlossen ihre Betriebe bereits mittags oder am Nachmittag. Am Donnerstag fiel die Kühlung im Toom-Lebensmittelmarkt am Recklinghäuser Tor aus. Fleisch, Wurstwaren, Käse und Molkereiprodukte wanderten in die Abfalltonne. Aber auch Aldi Nord und Edeka hatten Mühe, die Kühlung in ihren Supermarktstandorten in Dorsten aufrechtzuerhalten. Totalausfälle konnten aber verhindert werden. Bei Edeka Honsel mussten die Techniker während der Hitzeperiode an den Kühleregalen hin und wieder nachsehen, es kam aber zu keinen Warenschäden.
Arbeiten war bei hochsommerlichen Temperaturen kein Vergnügen. Firmen in Dorsten machten ihren Mitarbeitern das Leben so angenehm wie möglich. Mineralwasser-Produzent „Stiftsquelle“ hatte eine große Gefriertruhe mit Speiseeis aufgestellt, aus der sich die Mitarbeiter nach Belieben bedienen konnten. Der Rettungsdienst der Feuerwehr hatte allein an einem Tag in dieser Hitzewoche über 30 hitzebedingte Einsätze. Eine ältere Person hatte auf dem Weg in den vierten Stock im Treppenhaus einen Herz-Kreislauf-Stillstand.

Hitzewellen gehen in den Wäldern und der Tierwelt nicht spurlos vorüber

Die extreme Trockenheit dieser Wochen, die nun auch noch mit großer Hitze daherkam, machte nicht nur den Menschen zu schaffen. Auch die Natur litt. Das betraf nicht nur den Baumbestand wie den Stadtwald, den Barloer Busch. Auch am Straßenrand war es kritisch. Platanen warfen ihr Laub früher ab. In Ahaus wurden beispielsweise in dieser Hitzewoche 80 Straßenbäume gefällt, die nicht mehr zu retten waren. Dorstens Stadtgärtnerei war tagsüber mit einem Trecker unterwegs, der mit einem Tank ausgerüstet war, und wässerte Bäume. Da die Stadtgärtnerei nicht alle Bäume bewässern konnte, appellierte die Stadtverwaltung über die Lokalzeitung an die Stadtbewohner, Straßenbäume in der Nähe mit ein paar Eimer Wasser zu versorgen.Wie Haushunde hecheln auch Füchse und Wölfe, um überschüssige Körperwärme abzugeben. Ihnen fehlen Schweißdrüsen, die dem Menschen Abkühlung verschaffen. Schattige Plätze sind auch in der Tierwelt beliebt: Dachse, Füchse oder Wildkaninchen dösen in ihrem unterirdischen Bau, umgeben von feuchter und kühler Erde. Feldhasen pumpen mehr Blut in ihre langen Ohren. Die überschüssige Wärme wird so über die dünne Haut an den wenig behaarten Ohren abgegeben. Auch Vögel leiten Wärme ab, sie nutzen dazu einen Luftzug um die Beine oder stellen sich mit den Füßen in kühlendes Wasser.

Die 30 „Hundstage“ stellen in Juli/August den Hochsommer dar

Die so genannten „Hundstage“ begannen am 23. Juli und endeten am 23. August 2019. Die Zeit der Hundstage bezeichnet traditionell die sommerliche Hitzeperiode, also die heißesten Tage des Jahres. Benannt wurden die Tage nach dem Sterns Sirius, der Anfang August zusammen mit der Sonne auf- und untergeht und der Hauptstern im Sternbild „Großer Hund“ ist. Die Zeitansetzung der Hundstage nahm schon das Römische Reich vor. Eine Bauernregel sagt über diese heiße Sommerperiode des Jahres:
„Sind die Hundstage voll Sonnenschein,
wird das Jahr recht fruchtbar sein.“

Zur Sache:
Bei großer Hitze macht den Unternehmen das das Arbeitsrecht Vorgaben

Die Bezirksregierung Münster erinnerte daran, dass das Arbeitsrecht Vorgaben macht, wie mit übergroßer Hitze umzugehen ist. „Hitzefrei-Regelungen sieht das Arbeitsrecht nicht vor. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, geeignete Maßnahmen und Vorrichtungen zum Schutz vor Hitze, Sonnenschutz oder auch vor UV-Strahlung zu ergreifen und vorzuhalten. Schon ab 26 Grad müssen in Räumen, an die keine besonderen betriebstechnischen Anforderungen gestellt werden, „wirksame Maßnahmen gegen Hitzebelastungen ergriffen“ werden. Jalousien schließen, ausreichend lüften in den Morgenstunden, technische Geräte ausschalten, die nicht zwingend benötigt werden, Arbeitszeiten verlagern – all das listet die Bezirksregierung Münster auf wie Trinkwasser bereitstellen und Bekleidungsregeln lockern. In Extremfällen können auch technische Maßnahmen wie Luftduschen, Wasserschleier und organisatorische Maßnahmen wie Entwärmungsphasen oder auch persönliche Schutzausrüstungen Abhilfe schaffen.

Siehe auch: Unwetter „Ela“
Siehe auch:
Sturmtief „Kyrill“ 2007 u. a.
Siehe auch: Sturmtief „Friedericke“ 2018
Siehe auch: Sturmtief Zeljko 2015
Siehe auch
: Dauerregen 2016
Siehe auch: Hochwasser
Siehe auch: Hochwasser Juni 2016
Siehe auch: Schneesturm 1978
Siehe auch: Wetter (Essay)
Siehe auch: Wetterrekorde 2011


Quellen: DZ vom 24. und 25 Juni 2019.  – Süddeutsche Zeitung vom27./28. Juli 2019. – Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten S. 240/S. 1079.

 

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