Bordelle und Swingerclubs

Prostituierte und Lust der Männer sollen auch den Stadtsäckel füllen

Weg zum Bordell in Wulfen

Den Weg ins Bordell in Wulfen zeigte kurzzeitig dieses Schild; Foto: Richter (Wulfen-Wiki)

Von Wolf Stegemann – In einem Haus an der Bismarckstraße war viele Jahre lang hinter heruntergelassenen Jalousien ein erotischer Club untergebracht. In Altwulfen wohnte eine Geschäftsfrau, die ein Bordell in Essen betrieb. An der Marler Straße (B 225) war/ist ein so genannter Straßenstrich. Dann gibt es in der Wienbachstraße den Club 24, benannt nach der Hausnummer. Insgesamt gab es noch 2010 vier Bordelle in Dorsten. Der harte Winter 2010/11 hatte die Lust in dieser Jahreszeit am Straßenstrich der B 225 „auf Eis gelegt“ („Sonntagsblatt“). Weniger als fünf Frauen gingen ihrem professionellen Freiluft-Geschäft noch nach. In wärmeren Jahreszeiten sind es bis zu 18 Frauen. Seit Ende 2020 gibt es in Dorsten mit dem „Heavens Gate“ nur noch ein Bordell. Ob es noch heimliche Sex-Clubs in der Stadt gibt, entzieht sich der Kenntnis dieses Lexikons.

Von den vier offiziellen Bordellen Dorstens waren drei in Wulfen etabliert

Die Finanznot zwang die Stadt Dorsten dazu, auch Bordelle steuerlich zur Kasse zu bitten und somit an der Prostitution mitzuverdienen. Die Möglichkeit dazu bietet die Neufassung der Vergnügungssteuer-Satzung. Im bisherigen Vergnügungssteuer-Gesetz fehlte nämlich eine Regelung, die es erlaubte, diejenigen zu besteuern, die Räume für die Prostitution bereitstellen oder betreiben. Denn Prostitution galt früher als kriminelle Handlung, die lediglich stillschweigend geduldet wurde. Und kriminelle Handlungen und deren Unterstützung sind nicht besteuerbar. Allerdings stellte sich ein Hindernis in den Weg. Beim Städte- und Gemeindebund hatte man bei der sehr kurzfristigen Erstellung der Mustersatzung diese Einnahme-Möglichkeit schlicht übersehen. Dorstens Stadtrat musste daher erst eine Ministerial-Genehmigung beantragen. Der für die Verwaltung erarbeitete Plan bestimmt, dass Mieter bzw. Eigentümer der Vergnügungsräume mit drei Euro pro Tag und je angefangene zehn Quadratmeter zu besteuern sind. Bei angenommenen 200 Quadratmetern je Bordell und 300 Öffnungstagen im Jahr sind dies 18.000 Euro. Von den vier offiziellen Dorstener Etablissements haben sich in Wulfen drei niedergelassen. Der Stadtteil liegt verkehrsgünstig an einer viel befahrenen Bundesstraße zwischen zwei Autobahnen. Deshalb haben sich hier in den letzten Jahren diese drei Bordelle angesiedelt: Der „Partytreff“ im Beckenkamp 22, das „Heavens Gate“ im Swebenring 36 auf der anderen Seite der B 58 und eines in der Wienbachstraße (Stand 2011). Da es sich um Gewerbegebiete handelt, war die Ansiedlung nicht zu verbieten, so man es überhaupt verbieten wollte. Planungsrechtlich hat die Stadt Dorsten aber anschließend dafür gesorgt, dass es nicht noch mehr Etablissements werden können. Nach vorsichtiger Schätzung der Verwaltung könnten auf diese Weise jährlich Vergnügungssteuer-Einnahmen zwischen 60.000 und 80.000 Euro in den Stadtsäckel fließen. Allerdings soll von den Prostituierten selbst keine Steuer eingezogen werden. Das Finanzamt Marl führte Ende Oktober 2015 in einem Wulfener Swingerclub eine Razzia durch.

Werbetafel für das Bordell wurde wieder abmontiert

Mitte 2010 wurde im Bereich der Einfahrt nach Barkenberg eine große Werbetafel für ein Bordell angebracht mit einem hinweisenden Pfeil, wo und zu welchen Tages- und Nachtzeiten das Amüsement in Barkenberg zu finden ist. Schon Wochen später wurde der Werbeblickfang wieder abmontiert. Offensichtlich hatten sich Bürger beschwert. Wenige Wochen später stand ein ähnliches Schild in Altwulfen auf Privatgrund an der Weseler Straße vor der Matthäuskirche, worüber sich Anwohner wiederum beschwerten und beide Lokalzeitungen auf den Titelseiten große Berichte mit Fotos der Bordellwerbung brachten. Politiker, die das Thema in den Rat und die Ausschüsse bringen wollen, ließen ihre Kommentare bereits über die Zeitungen streuen. Anderntags hat die von dem Bordellbetrieb beauftragte Werbeagentur das Werbeplakat in Altwulfen wieder entfernt. Dazu ließ sich die Werbeagentur in der Lokalzeitung zitieren, dass in modernen Städten Werbeplakate für Bordellbetriebe mittlerweile gang und gäbe seien. „Deshalb konnten wir in Dorsten nicht mit so heftigen Reaktionen rechnen!“

Kommentar: Kostenlose Bordellwerbung auf den Titelseiten

Über den Unmut der Wulfener, zuerst den der Barkenberger und dann den der Altwulfener, kam das Bordell kostenfrei zur besten Werbung, weil beide Tageszeitungen und die Wochenzeitungen das Thema aufgegriffen und mehrmals darüber berichtet haben. Das ist ihre Aufgabe. Dabei ist auch das als unzüchtig kritisierte Schild abgebildet worden, auf dem nun nicht nur die in Wulfen vorbeifahrenden Autofahrer die unterschiedlichen Liebesdienste, den Ort, die Öffnungszeiten und Telefonnummern erfahren konnten, sondern nun auch die Zeitungsleser in der ganzen Stadt und Umgebung. Geschickt gemacht von der Werbeagentur im Auftrag der Bordellbetreiber und etwas ungeschickt von denen, die durch ihren moralischen Unmut diese phänomenale kostenlose Werbung für die Bordelle erst möglich machten.

Betriebliche Anmeldung von Prostituierten gesetzlich vorgeschrieben

Am 1. Juli 2017 ist das neue Prostitutionsschutzgesetz mit Übergangsfrist 31. Dezember in Kraft getreten. Betreibern von Bordellen und Escort-Service-Agenturen werden darin umfassende Pflichten auferlegt. Sie brauchen eine Betriebserlaubnis vom Kreis. Beim Kreis Recklinghausen haben insgesamt 14 Bordellbetriebe ihre Unterlagen gem. dem Prostitutionsschutzgesetz eingereicht, darunter auch ein Wulfener Unternehmen. Die Zahl der Bordelle und Laufhäuser in den zehn kreisangehörigen Städten dürfte wohl weitaus größer sein. Auch die Prostituierten selbst sind als Unternehmerinnen mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes verpflichtet, sich bei der Behörde anzumelden. Dafür bekommen sie dann eine amtliche Anmeldebescheinigung, den so genannten „Hurenpass“. Bis zum Ablauf der der Übergangsfrist haben 99 Frauen davon Gebrauch gemacht oder den Kontakt zur Kreisverwaltung gesucht. Auch den Damen drohen wie den Clubbetreibern Geldbußen, wenn sie sich nicht anmelden.

„Villa Palazzo“ 2018 insolvent, die Geschäfte gingen bis 2020 weiter

Im November hatte das Amtsgericht Essen (Aktenzeichen: 167 IN 78/18) die Insolvenz über das Vermögen der Unternehmergemeinschaft der im Handelsregister eingetragenen Firma „Villa Palazzo“ am Burenkamp in Wulfen eröffnet und angeordnet, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Kontrolle über alle Vermögensfragen der Gesellschaft übernimmt. Trotz Insolvenz betreibt allerdings der Eigentümer der Erotik-Villa die Geschäfte weiter, was rechtens ist.  In einem Swingerclub treffen sich Paare oder Einzelpersonen, um ihre Erotik auszuleben. Die „Villa Palazzo“ (Foto: Christian Gruber) wurde 2012 am Burenkamp in Wulfen eröffnet. Geschäftsführerin der insolventen Betreibergesellschaft ist laut Veröffentlichung des Amtsgerichts Essen Justine Christine Hermansa. Seit dem 26. Februar 2013 ist sie laut Handelsregisterauszug beim Amtsgericht Gelsenkirchen Geschäftsführerin der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Hermansa ist verheiratet mit dem Adoptivprinzen Alexander von Anhalt.

Corona-Krise 2020/21: Im Swingerclub entstand eine Spielhalle entstehen

Der Swingerclub „Villa Palazzo“ in Wulfen war Anfang des Jahres 2020 wegen der Corona-Pandemie geschlossen worden, da der Betreiber in der Villa zudem eine Spielhalle einrichtete. Die Schließung hatte keine finanziellen Gründe, berichtete die „Dorstener Zeitung“, aber hygienische. In einem Bordell seien die hygienischen Vorschriften einfacher zu handhaben, da sich nur zwei Personen auf den Zimmern zum Sex befänden. Anders sei es in einem Swingerclub, so der Betreiber. Einzig aus Sorge um ihre Mitarbeiter und die Kunden, die angeblich sogar aus den USA nach Wulfen kamen, hatten sich Ehefrau Justine Christine, die offiziell als Geschäftsführerin fungiert, und der Prinz von Anhalt entschieden, den Betrieb einzustellen. Ohne Corona-Impfstoff mache ein Swingerclub keinen Sinn. Und so lange könne er nicht warten, zitierte ihn die Lokalzeitung. Die Villa wurde umgebaut, das Swingerclub-Inventar eingemottet, die Spielhalle allerdings nicht eröffnet (Stand Februar 2022). Die Stadt hatte die Eröffnung nicht genehmigt. Die Begründung: Das Objekt liegt in einem Gewerbegebiet, aber bei einer Spielhalle handelt es sich nicht um eine gewerbliche Nutzung. Die Eigenart des Baugebiets sollte erhalten bleiben, auch zur Sicherung der Flächenbedarfe der Gewerbebetriebe, so dass es aus städtebaulichen Gründen keine Ausnahme geben konnte.
Acht Jahre leitete das Ehepaar Alexander und JUstine Christine von Anhalt, das immer noch einen Wohnsitz in Dorsten hat, die „Villa Palazzo“ und überstand vor anderthalb Jahren auch eine Insolvenz. Zwischendurch versuchte sich der Prinz von Anhalt im Jahr 2016 als „Döner-Pirat“, baute „Irmi‘s Café Stübchen“ in Deuten um und initiierte ein „Weihnachtsessen für Obdachlose“. Das Projekt scheiterte. Wegen der Rheuma-Erkrankung seiner Frau gab Alexander von Anhalt den Imbiss an der B 58 im folgenden Jahr wieder ab.

Wulfens „Partytreff“ wird zum Wohnhaus umgebaut

Der „Partytreff“ am Beckenkamp in Wulfen-Barkenberg gehört ebenfalls der Vergangenheit an. In den vergangenen Jahren hatte der Sex-Club, der weit über die Kreisgrenze bekannt war, eine bewegte Geschichte. Nicht selten tauchte der Partytreff ungewollt in den Schlagzeilen auf. Zuletzt vor rund einem Jahr. Damals gab es eine Razzia von Polizei und Steuerfahndung. Ein starkes Aufgebot an Einsatzkräften hatte das Objekt, das mit „24 Stunden Erotik“ geworben hatte, durchsucht und diverse Gegenstände, wie Glückspielautomaten, sicherstellen lassen. Im Jahr 2015 hatten Einsatzkräfte der Polizei die Gäste und Betreiber an Halloween überrascht. Sie waren in den Abendstunden mit einem Großaufgebot plötzlich vorgefahren und kontrollierten die Räumlichkeiten am Beckenkamp. Zuletzt war der „Partytreff“ Corona-bedingt geschlossen gewesen und hatte seine Türen nicht wieder geöffnet. Der neue Gebäudebesitzer aus Marl will in dem Haus Wohnungen einrichten, die keinen Bezug zum Rotlicht haben. Der frühere Bordellbesitzer Wolfgang S. musste sich 2024 vor Gericht verantworten, weil er innerhalb von vier Jahren /2016 bis 2020) eine Million Euro Steuern hinterzogen hatte.

„Heavens Gate“ am Swebenring in Wulfen 2024 abgebrochen

Der FKK- und Sauna-Club „Heaven’s Gate“ (Foto unten) am Swebenring in Wulfen wurde 2024 teilweise endgültig abgerissen. Das Wohnhaus blieb stehen. Auch wenn markanten Hinweisschilder Männer noch immer mit „Wellness und Spa“ ins Gewerbegebiet locken, sind dort die Fenster mit Rollläden verschlossen. Hecken und große Sträucher, die einst als Sichtschutz dienten, wurden massiv zurückgeschnitten. Schon im Januar 2023 informierte ein Nutzer der Plattform „freiertreff.de“ über die Schließung des Bordells. Als das Bordell noch in Betrieb war, vermittelte eine Schild in drei Sprachen dem Besucher ein herzliches Willkommen. „Heavens Gate“ firmierte in seiner Werbung ohne Punkt und Komma als „Erotik FKK Bordell Saunaclub … im idyllischen Ortsteil Wulfen im diskreten Gewerbegebiet Dimker Heide“. Das Haus umfasste drei Etagen, hatte einen Garten, Sonnenterrassen, Love-Loungen und entsprechende Damen. Für das leibliche Wohl wurde durch Speisen gesorgt, die im Eintrittspreis enthalten waren und den Vorschriften der Corona-Schutzverordnung entsprachen. Zu Beginn der Corona-Pandemie, im März 2020, meinten zwei Männer, sie könnten in dem Vergnügungsbetrieb fette Beute machen, da wegen Corona „der Verkehr ruhte“. Doch der hauseigene Wachschutz erwischte die beiden Männer. Während der eine über den Zaun fliehen konnte, wurde der andere, ein 36-Jähriger, festgenommen und der Polizei übergeben.
Das „Luxe Inn“, eröffnet im Januar 2023, befindet sich an einer für diese Branche nahezu historischen Adresse: Am Burenkamp 5 betrieben der 2023 verstorbene Prinz Alexander von Anhalt und seine Frau Justine einst den legendären Swingerclub „Villa Palazzo“. Nachdem Corona das Geschäft mit dem Sex gründlich verdorben hatte, wollte der Geschäftsmann dort einen Spielsalon betreiben, was wiederum die Stadt nicht erlaubte.

„Luxe Inn“ am Burenkamp: einzig verbliebene öffentliche Luststätte

Noch können zahlende Kunden im „Luxe Inn“  ihr Glück bei freizügigen Damen finden und sich bei schönem Wetter sogar in einem Freibereich mit weißem Sandstrand auf Sonnenliegen von den Anstrengungen des Alltags erholen. Das tägliche Essensangebot wird übrigens sonntags durch „Hausmannskost“ vervollständigt. Das „Luxe Inn“ ist somit als einziges öffentliches Bordell in Wulfen übrig geblieben. Der „Partytreff“ wurde bereits 2020 geschlossen. Aus dem  „Club 25“ am Beckenkamp ist mittlerweile ein Wohnhaus geworden. Im Garten steht ein Klettergerüst für Kinder. Die Monteurwohnungen im Nebengebäude haben keinerlei Bezug zum Rotlichtmilieu. Anders als der ehemalige Betreiber des Etablissements, der Anfang 2024 wegen Steuerhinterziehung auf der Anklagebank saß und dem Gericht mitteilte, einen schlecht bezahlten Job als Fahrer in der Branche zu haben. Auch an der Straße An der Glashütte in der Feldmark werden Männer nicht mehr in Versuchung geführt. „Dauerhaft geschlossen“ meldet Google für den Saunaclub „Temptation“. So bleibt lustvollen Männern immer noch der Straßenstrich auf der Marler Straße.

 

 Zur Prostitution im Bordell  gezwungen – Prozess 2017/18 in Bochum

In Bochum begann vor dem Landgericht Ende Dezember ein Prozess gegen eine Gruppe nigerianischer Frauenhändler, die mit falschen Versprechungen junge Nigerianerinnen ab 2015 ins Ruhrgebiet gelockt und geschleust hatten und sie hier in Bordellen zur Prostitution gezwungen haben sollen. Darunter auch in ein Bordell in Dorsten. Die mutmaßlichen Opfer träumten von einer besseren Zukunft in Europa und wurden laut Anklage sexuell ausgebeutet und bitter enttäuscht. Angeklagt sind vier Männer (27, 28, 34 und 42) und zwei Frauen (34 und 35) aus Nigeria. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten die ausreisewilligen Landsfrauen (zwischen 17 und 22 Jahren). Von der libyschen Küste wurden die Frauen mit Schlauchbooten über das  Mittelmeer nach Europa gebracht. Vor der Abreise sollen die Frauen in Nigeria von einem so genannten Juju-Priester mit einem Voodoo-Schwur belegt worden sein. Dadurch sollte laut Anklage dafür gesorgt werden, dass die Frauen panische Angst haben und sich nicht trauen, wegzulaufen beziehungsweise die Polizei zu alarmieren. In Deutschland angekommen, sollen die weiblichen Angeklagten die Nigerianerinnen in Empfang genommen und anschließend an verschiedene Bordelle der Region vermittelt haben, auch in Dorsten. Einmal wöchentlich soll den Frauen dann von zwei Angeklagten ihr gesamter Lohn abgenommen worden sein.

Siehe auch: Straßenstrich
Siehe auch:
Prostitution im Kreis
Siehe auch:
Sexsteuer
Siehe auch:
Sex-Lehrgänge
Siehe auch: Prinz von Anhalt
Siehe auch: Sexualisierte Gewalt – was ich anhatte
Siehe auch: Sexualität / Artikelübersicht
Siehe auch: Bordell: Steuerhinterziehung


Quellen: „Dorstener Zeitung“ vom 4. Dezember 2009. – Christian Grubers Wulfen-Wiki (4 Fotos) . –  Werner von Braunschweig in DZ vom 14. Dez. 2017. – Claudia Engel in DZ vom 4. Dez. 2018. – Petra Berkenbusch in DZ vom 28. März 2024.

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