Prostitution

Kauf von Sex seit 2002 nicht mehr sittenwidrig und somit nicht strafbar

Die Prostitution in Deutschland könnte sich massiv ändern. Geht es nach den Plänen des Europaparlaments, müssen sich Prostituierte bald etwas anderes suchen. Im September 2023 hatte sich das EU-Parlament für die Einführung des sogenannten Nordischen Modells in den Mitgliedstaaten ausgesprochen. Mit diesem Konzept wird der Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe gestellt. So wollen die Abgeordneten Ausbeutung und Menschenhandel den Boden entziehen. Die Unionsfraktion im Bundestag hat zuletzt beschlossen, sich für ein Sexkaufverbot in Deutschland einzusetzen. Danach sollen Freier für den Kauf von Sex bestraft werden. Bordelle müssten schließen. Prostituierte sollen keinen Sanktionen unterliegen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) lehnte es indes ab, die Gesetzgebung zur Prostitution zu verschärfen. „Es gibt gegenwärtig keinen Grund dafür, das Gesetz anzufassen“, sagte Paus im Bundestag.

2022 gab es in Deutschland 28.280 behördlich gemeldete Prostituierte

Prostitution ist in Deutschland seit 2002 nicht mehr sittenwidrig. Seit einer Gesetzesreform der damaligen rot-grünen Bundesregierung haben Prostituierte Zugang zur Sozialversicherung und das Recht, ihren Lohn einzuklagen. Kritikerinnen sagen, dass diese Änderung Prostituierte nicht bessergestellt, sondern dem organisierten Verbrechen und dem Menschenhandel Vorschub geleistet habe. Im Jahr 2022 gab es nach dem „Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung“ des Bundeskriminalamts (BKA) 346 Verfahren wegen „sexueller Ausbeutung“ mit 476 erwachsenen Opfern. Jedes dritte Opfer, dessen Alter ermittelt werden konnte, war jünger als 21 Jahre. Zur sexuellen Ausbeutung gehören die Straftatbestände Zwangsprostitution und Menschenhandel. Die Prostitution habe sich von der Straße und Bordellen weiter in Wohnungen und Hotels verlagert, heißt es im Bericht des BKA.
Wie viele Menschen in Deutschland sich unter Zwang prostituieren, lässt sich nicht sagen. Ebenso wenig ist bekannt, wie viele Menschen in Deutschland überhaupt Geld mit Prostitution verdienen. Zwar müssen sie sich nach dem Prostituiertenschutzgesetz von 2017 bei den Behörden anmelden, das machen aber längst nicht alle. Endes des Jahres 2022 waren rund 28.280 Prostituierte bei den deutschen Behörden gemeldet. Die meisten von ihnen waren zwischen 21 und 44 Jahre alt, 5870 von ihnen 45 Jahre und älter, 1050 Frauen waren zwischen 18 und 20 alt. 35 Prozent der gemeldeten Prostituierten hatten die rumänische Staatsbürgerschaft, elf Prozent die bulgarische.

Ist Prostitution „Sklaverei im eigenen Land“?

Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes ist es, die Menschen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. Die Sexarbeitenden müssen sich nicht nur anmelden, sondern auch zu gesundheitlichen Themen beraten lassen. Der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen BesD lehnt die Maßnahmen als stigmatisierend und ineffektiv ab.
Prostitution ist umstritten: Während die einen von Sexarbeit als Dienstleistung sprechen und selbstbestimmte Prostitution klar von Zwangsprostitution trennen, fordern andere die Abschaffung der Prostitution. Sie fordern ein Sexkaufverbot und Strafen für Freier, die sexuelle Dienstleistungen käuflich erwerben. Elke Mack, Professorin für Sozialwissenschaften an der Universität und Autorin einer veröffentlichten Studie zum Thema, spricht von Prostitution als „Sklaverei im eigenen Land“. Die meisten Prostituierten seien ausländische, bildungsarme Frauen, die bis zu 20 Freier am Tag bedienen müssten. Viele von ihnen würden erpresst.

Gesundheitliche Folgen der Prostitution

Von den gesundheitlichen Folgen der Prostitution berichtet Frauenärztin und Prostitutionsgegnerin Liane Bissinger. Sie hat zwischen 1996 und 2000 in einer Hamburger Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten Menschen in der Prostitution beraten. Zu den gesundheitlichen Folgen gehören nach ihren Angaben Einrisse und Verletzungen durch Überdehnung oder gezielte Verletzungen im Unterleib. Blasenentzündungen seien weit verbreitet. Sie habe junge Frauen gesehen, die Probleme hatten, Urin oder Stuhlgang zu halten, weil ihr Beckenboden Schaden genommen hatte. Prostituierte litten unter Ekzemen, Schmerzen am ganzen Körper und Schlafstörungen, viele konsumierten Drogen und Alkohol, um ihren Alltag zu ertragen. Im Vergleich zu den körperlichen Schäden seien die Auswirkungen auf die Psyche noch tiefer und nachhaltiger.

Hohe Dunkelziffer der Wohnungsprostitution

Auch Betreiber von Bordellen, Saunaclubs und Escort-Agenturen müssen nach dem Gesetz eine Betriebserlaubnis beantragen und bestimmte Auflagen in punkto Sicherheit, Hygiene und Gesundheitsschutz erfüllen. Im Kreis Recklinghausen sind nach Angaben der Behörde 17 Betrieben zugelassen, einem Betrieb habe die Erlaubnis verweigert werden müssen (Stand Juli 2019). Es gibt auch eine hohe Dunkelziffer von Wohnungsprostitution im Kreis Recklinghausen. Um die Bedingungen der Sexarbeiterinnen bei der Straßenprostitution zu verbessern, forderte die Kreistagsfraktion der Grünen das Aufstellen von „Verrichtungsboxen“. Dafür sah der Kreis allerdings keinen Bedarf. Straßenprostitution gebe es aktuell im Kreisgebiet nur an der B 225 in Dorsten. Für den Straßenstrich im Grenzgebiet von Gelsenkirchen und Herten (Pendlerparkplatz Gelsenkirchener Straße) ist die Stadt Gelsenkirchen zuständig.

Rumänische Frauen halten als Prostituierte die absolute Spitze

Von den 213 Prostituierten, die Mitte 2018 eine Anmeldebescheinigung vom Kreis ausgestellt bekamen, stammten die meisten aus Rumänien. Auf dem zweiten Platz folgen Deutsche, dann Frauen aus Polen, Bulgarien, Litauen, Ungarn, Russland und anderen Staaten. 15 dieser Frauen waren bei der Anmeldung jünger als 21 Jahre.

Allgemeine Information zum Thema:
2023: Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CDU)
will käuflichen Sex verbieten

Angesichts der prekären Situation Hunderttausender Prostituierter fordert im September 2023 die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Dorothee Bär (CSU), ein Verbot von käuflichem Sex. Im Jahr 2002 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Prostitution gesetzlich vollständig legalisiert. Die heutige Situation von Prostituierten in Deutschland sei „dramatisch“, sagte Bär. „Wir brauchen dringend ein Sexkauf-Verbot in Deutschland.“ Damit würde Prostitution „de facto verboten – und zwar zum Wohle der Frauen“, sagte sie. Nach ihren Angaben gibt es aktuell bundesweit rund 250.000 Prostituierte (Stand 2023). Die allermeisten kämen aus dem Ausland, und nur ein Bruchteil sei behördlich angemeldet. „Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt“, sagte die CSU-Politikerin. „Deutschland ist mittlerweile auch weltweit als Land für Sex-Tourismus sehr attraktiv.“

Siehe auch: Bordelle und Swingerclubs
Siehe auch:
Straßenstrich
Siehe auch:
Sexsteuer
Siehe auch:
Sex-Lehrgänge


Quelle: Nach Michael Wallkötter in DZ vom 29. Mai 2018 und 2. Juni2019

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