Straßenstrich

Liebesdienerinnen an der B 225 wird das Gewerbe schwer gemacht

Wer wissen will, in welchen Städten „Bordsteinschwalben“, wie Frauen auf dem Straßenstrich auch genannt werden, stehen oder nicht stehen dürfen, der findet im Internet reichlich Auskunft. Neben Hamburg, Düsseldorf und Rom ist auch Dorsten als Straßenstrich-Standort verzeichnet. An der B 225 zwischen Abfahrt Marl-Frentrop (A 52) und Ortseingang Dorsten stehen tagsüber selten, mehr abends immer wieder einige Lust-Anbieterinnen.

st-stra0enstrich-6Was der einen Lust ist der andere Frust. Verärgerte Anwohner klagen immer wieder über das Straßengewerbe, das nach deren Ansicht zu nah an Wohnhäusern stattfindet. Doch dem Ordnungsamt und der Polizei fehlen die rechtlichen Grundlagen, um gegen diese Straßen-Prostitution einzuschreiten. Dorstens Ordnungsamtsleiter äußerte sich gegenüber der Öffentlichkeit, dass es dort keinen ausgewiesenen Sperrbezirk gebe und niemand daran gehindert werden könne, am Straßenrand zu stehen oder dort spazieren zu gehen. Nur wenn bezahlte Liebesdienste unter freiem Himmel im Schutz des Waldes stattfänden, würde dies als Erregung öffentlichen Ärgernisses gelten, sobald Unbeteiligte unfreiwillig Zeugen des Geschehens werden. Dann könnten rechtlich legitimierte Platzverweise erteilt werden. Ein weiters Mittel der Behörden, das älteste Gewerbe der Welt dort einzuschränken oder gar zu vertreiben, ist die ständige Personenkontrolle. Denn es wird immer wieder festgestellt, dass an der B 225 vornehmlich ausländische Frauen aus Südosteuropa ihre Reize anbieten, manche ohne gültige Aufenthaltserlaubnis.

Die Straße sei ein schlechter Arbeitsplatz und deshalb unzumutbar

An der B 225 zwischen Marl und Recklinghausen; Foto: Nowaczyk

An der B 225 nach Marl; Foto: Nowaczyk

Da die Lust am Straßenstrich der B 225 grenzüberschreitend ist, befasst sich auch die Stadt Marl mit der Straßenprostitution. Im Rat der Stadt Marl stritten sich im Juli 2011 die Fraktionen, ob ein Sperrbezirk eingerichtet werden sollte oder nicht. „Doppelmoral“ sagten die einen, „Maßnahmen aus dem letzten Jahrhundert“ und „Diskriminierung der Prostituierten“ andere und wiederum andere meinten, „dass Prostitution auf der Straße ein ganz schlechter Arbeitsplatz“ und deshalb unzumutbar sei. In Dorsten wird dies gelassener gesehen, denn durch Dauerpräsenz der Behörden wird den Frauen und Freiern massiv der Spaß verdorben. Daher hatte sich Dorsten nicht am Sperrbezirksantrag der Nachbarstadt beim Regierungspräsidenten Münster beteiligt. Eine Verlängerung, an der B 225 kam Anfang 2014 wieder in die öffentliche Diskussion. Denn im Dezember 2014 sollte das Verbot des Straßenstrichs im Städtedreieck Herten/Marl/Recklinghausen wieder aufgehoben werden. Man will dort keine Prostitution. Daher stellten die drei Städte beim Regierungspräsidenten Münster den Antrag auf weitere Sperrung des Straßenstrichs.

Verbot des ganzstädtischen Straßenstrichs in Dortmund nicht rechtens

Straßenstrich in Dortmund; Foto: Sebastian Konopka (dpa)

Straßenstrich Dortmund; Foto: Konopka (dpa)

Als die Stadt Dortmund das Stadtgebiet 2011 flächendeckend zum Sperrbezirk erklärte, klagte die Dortmunder Prostituierte Dani K. vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen das Land NRW und die Stadt Dortmund.  Das Gericht hob 2013 das Verbot der Stadt auf und erlaubte weiterhin Straßenprostitution in Dortmund. Nur der alte Straßenstrich in der Nordstadt bleibt geschlossen. Das Urteil gilt zwar für die Klägerin, hat aber eine Signalwirkung auf andere Städte. Der Richter stellte im Urteil fest, dass die Stadt Dortmund alternative Standorte für den Straßenstrich im Stadtgebiet nicht ausreichend geprüft habe.

Vertreibung der Prostituierten in Herten und Gelsenkirchen

Straßenstrich im Winter; eine kalte Angelegenheit

Straßenstrich im Winter; kalte Angelegenheit

Die Stadtverwaltungen Herten und Gelsenkirchen wollen einen zeitlich begrenzten Sperrbezirk an ihrer gemeinsamen Stadtgrenze einrichten mit dem Ziel, die Straßenprostitution entlang der Gelsenkirchen Straße zu verbieten. Während der Sommermonate sollen keine Prostituieren sich anbieten dürfen in der Zeit von 6 bis 22 Uhr und im Winter von 6 bis 20 Uhr. Auf dieses Vorgehen haben sich die Stadträte von Herten und Gelsenkirchen als „notwendigen Zwischenschritt“ verständigt. 2011 standen die ersten zwei Prostituierten an der Gelsenkirchener Straße in Herten. Seither hat sich dieser Straßenstrich stetig vergrößert. Einige Bürger wollten dies 2014 nicht mehr hinnehmen und luden unter dem Motto „Straßenstrich – nein danke! Hertener Bürger wehren sich gegen den Straßenstrich!“ Aufgerufen wurde von drei Hertenerinnen über Netzwerke. Durch dauerhafte Protestaktionen sollen die Freier vertrieben werden, was den Prostituierten das Geschäft verderbe und sie dann freiwillig verschwinden würden. Auch sollen durch diese Protestaktionen „dem Bürgermeister und allen Entscheidungsträgern mal ein wenig Dampf unterm Hintern“ gemacht werden. Rund 60 Bürger protestierten dann an dem 200 Meter langen Straßenstück an der Gelsenkirchener Straße. Nach einer Stunde waren die Demonstranten wieder weg, die Prostituierten kamen abends wieder. Allerdings haben die Prostitierten diesen Straßenstrich Ende 2014 verlassen, denn dieser Bereich ist zum Jahresende 2014 gerichtlich als Sperrbezirk in Kraft getreten. Anders als in Herten, Marl oder Gelsenkirchen ist der Straßenstrich an der B 225 in Dorsten kein Sperrbezirk. Die Stadt Dorsten setzt eher auf Abschreckung durch stete Kontrollen als auf Verbote. Denn es dürfte für die Stadt schwer sein, an der B 225 juristisch einzugreifen, so lange die Damen den Verkehr nicht behindern.

Bezirksegierung Münster erließ eine Sperrgebietsverordnung

Ende Dezember 2014 entschied die Bezirksregierung in Münster die Verlängerung der Sperrbezirksverordnung der Städte Recklinghausen, Marl und Herten an der  B 225 bis Ende 2019. Die Bezirksregierung hatte erstmalig im September 2011 dem Antrag der Städte Marl, Herten und Recklinghausen auf Sperrgebietsverordnung im Städtedreieck an der Bundesstraße 225 „zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes“ zugestimmt. Weil in der Vergangenheit immer wieder Befürchtungen laut wurden, dass Prostituierte nach Ablauf der Sperrbezirksverordnung an die B225 zurückkehren könnten, hatte der Rat der Stadt Marl im Frühjahr 2014 die Verwaltung beauftragt, gemeinsam mit den Nachbarstädten Herten und Recklinghausen die Verlängerung der Sperrbezirksverordnung über 2014 hinaus zu beantragen. Die Bezirksregierung Münster erließ für die Städte Herten und Gelsenkirchen eine Sperrgebietsverordnung, welche die Straßenprostitution während der Tagesstunden von 6 bbis 20 Uhr Winterzeit und 6 bis 22 Uhr Sommerzeit unterbindet. Die Verordnung trat am 5. Januar 2015 in Kraft. Außerdem wurde bekannt, dass die Bezirksregierung auch den Sperrbezirk an der Bundesstraße 225 im Städtedreieck Marl/Herten/Recklinghausen um fünf Jahre verlängern will (bis 2019). Dort gab es bis Oktober 2011 die Straßenprostitution mit vielen negativen Begleiterscheinungen wie Vermüllung, Belästigungen von Spaziergängern und Unfallgefahr. Die Bezirksregieung Münster erklärte im Oktober 2015 Herten nur teilweise und nur tagsüber zur Verbotszone und bestätigte: Prostitution ist im Winter schon ab 20 Uhr erlaubt, im Sommer erst ab 22 Uhr.

Weiterhin Ärger über den Straßenstrich an der B 225 in Marl-Frentrop

Bürger beschweren sich über die zunehmende Prostitution auf dem Pendlerparkplatz an der B 225 in Frentrop. Auf dem Park & Ride-Parkplatz für Berufspendler an der Auffahrt zur A 52. Seit mehreren Jahren bieten Prostituierte dort täglich in Wohnwagen ihre Dienste an. Bis zu neun Camper stehen an einem Tag auf den Parkflächen. Vier Mal hat es in den vergangenen fünf Jahren gebrannt. Nachdem das Thema aktuell wieder in die öffentliche Diskussion geraten war, ging Mitte Februar 2020 wieder ein Wohnwagen einer Prostituierten in Flammen auf. Die Ursache des Feuers wird noch ermittelt. Die Stadt soll Grenzen ziehen, beschloss der Marler Stadtrat. Denn  Pendler würden den Parkplatz immer mehr meiden, weil sie sich nicht rechtfertigen wollen, wenn man sie dort sieht. Dass die Wohnwagen auf dem Platz an der Autobahnzufahrt stehen, ist legal, solange sie nicht länger als zwei Wochen geparkt werden. Prostitution ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Der Kreis Recklinghausen kontrolliert, ob Prostituierte eine Zulassung haben und hat das auch auf diesem Pendlerparkplatz bereits getan.
Auch der Landesbetrieb Straßen.NRW will, dass die Wohnwagen der Prostituierten auf dem Pendlerparkplatz an der A 52 in Marl-Frentrop verschwinden. Einen Sperrbezirk um den Pendlerparkplatz zu ziehen, wäre das letzte Mittel, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, so die Bezirksregierung Münster (Mö).

Statt Prostituierte wieder Pendler auf Parkplatz

Nachdem die Straßenbaubehörde „Straßen.NRW“ im Sommer 2020 mit einer Schranke die Zufahrt mit Wohnwagen für den von Prostituierten genutzten Pendler-Parkplatz an der Autobahn-Auffahrt Dorsten/Marl verhindert hatte,  parken wieder Pendler aus Dorsten und Marl auf ihrem Parkplatz an der B 225. Mehrere Wohnwagen standen früher auf dem Pendler-Parkplatz. Die meisten Fahrzeuge waren ohne Nummernschild und hatten verbretterte Fenster und Türen. In diesen arbeiteten Prostituierte aus Ost-Europa unter schlechten hygienischen Zuständen. Es gab zudem Fälle von Brandstiftung. Nicht nur ihre Wohnwagen, sondern auch die Prostituierten selbst, die im Grenzgebiet Dorsten/Marl entlang der Marler Straße (B225) nach Kundschaft Ausschau hielten, sind seitdem nicht mehr zu sehen. – Übrigens: Inzwischen wurde auch am Dorstener A 31-Pendler-Parkplatz an der Königsberger Allee eine solche Schranke installiert.

Verstoß gegen Sperrbezirksverordnung ist weiterhin keine Straftat

Bundesjustizminister Marco Buschmann hält nichts von einem Sexkauf-Verbot, wie es einige europäische Staaten eingeführt haben. Auf die Frage, ob er eine Bestrafung von Freiern befürworte, antwortete der FDP-Politiker: „Ich glaube, das Wichtigste ist, dass jedwede Ausübung von Zwang gegen die Frau sozusagen unterbunden werden muss, auch mit Mitteln des Strafrechts“. Dafür gebe es in Deutschland Instrumente, die auch angewandt werden müssten. Hier sollte der Schwerpunkt liegen, sagte er der dpa. Die Streichung einer Vorschrift, die Prostitution in Sperrbezirken unter Strafe stellt, ist Teil einer geplanten Reform des Strafgesetzbuches. Der Verstoß gegen Sperrbezirksverordnungen könnte, wenn das Vorhaben des Bundesjustizministeriums umgesetzt werden sollte, zwar weiter als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Er wäre aber keine Straftat mehr. „Klar ist, weiterhin können solche Sperrbezirksverfügungen erlassen werden“, sagte Buschmann.

Siehe auch: Bordelle und Swingerclubs
Siehe auch:
Prostitution im Kreis
Siehe auch:
Sexsteuer
Siehe auch:
Sex-Lehrgänge


Quellen:
Klaus-Dieter Krause „Dorstener sind empört über Straßenstrich vor ihrer Haustür“ in DZ vom 23. September 2010. – Robert Klose „Politiker grübeln: Hilft Sperrbezirk wirklich gegen Straßenstrich?“ in Marler Zeitung vom 8. Juni 2011. – Mariusch Pyka „Straßenstrich floriert weiter – Sperrbezirk für Prostituierte unklar“ in Marler Zeitung vom 2. September 2011. – DZ vom 15. Februar 2014. – Michael Klein in DZ vom 1. Febr. 2021

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone