Wölfin „Gloria“

Ein Video soll das Wolfsrudel von „Gloria“ zeigen, Zweifel sind angebracht

Die Wölfin „Gloria“ machte 2024 weiter Schlagzeilen, wie sie sie schon seit Jahren in den Lokalzeitungen macht. – Als „kleines Happy End“ bezeichnet der Verein Wolfsschutz-Deutschland, dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf kurz vor Weihnachten 2023 mit Zwischenverfügungen vorerst verhindert hatte, dass Wölfin Gloria erschossen werden darf. Der Kreis Wesel hatte daraufhin die Beauftragung einer „sachkundigen Person“ gestoppt, die die Entnahme der Wölfin durchführen sollte. Nun wird auf die endgültige Entscheidung des Gerichts gewartet. Der Kreis Wesel hatte in seiner Verfügung geschrieben: „Vorliegend ist kein Rudel betroffen, sondern es existiert in dem … Gebiet nur ein weiterer Wolf.“ Gemeint ist das Gebiet, in dem der Abschuss erlaubt werden soll. Der Kreis habe damit die Existenz eines Rudels geleugnet, so Wolfsschutz-Deutschland. Der Verein hat ein Video veröffentlicht, das aus September 2023 stammen soll und zwei Welpen und einen „Babysitter“ im Wolfsgebiet Schermbeck zeigen soll. „Insgesamt muss von fünf Wölfen ausgegangen werden.“ Für eine gerichtliche Bewertung könnte dies relevant sein, da Muttertiere, von denen Welpen abhängig sind, nicht geschossen werden dürfen. Allerdings fällt sofort in der Aufnahme auf, dass als Datum der 14. Juni 2022 genannt wird, während die Uhrzeit auf 11.35 Uhr steht. „Das Datum in der Kamera stimmt nicht“, so Wolfsschutz-Deutschland. Die Aufnahme soll von einer Wildkamera stammen, die von Ehrenamtlichen betreut wird für das „vereinseigene Monitoring“.

Eine Verifizierung der Bilder und Videos noch nicht vorgenommen

„Normalerweise sind dies Daten, die wir nicht öffentlich machen, in diesem Fall dient die Veröffentlichung aber dem Schutz des Rudels und sie macht auch deutlich, wie wichtig unser vereinseigenes Monitoring ist“, so Wolfsschutz-Deutschland. Birgit Kaiser de Garcia vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW ist auf Nachfrage der „Dorstener Zeitung“ von dieser Vorgehensweise nicht begeistert: „Wenn die Wölfe im September beobachtet wurden, hat man das aber lange liegen lassen.“ Aufnahmen wie Fotos oder Videos, die Wölfe zeigen könnten, sollten immer „direkt ans LANUV geschickt werden“. Dafür gebe es eine Bereitschaft, die rund um die Uhr arbeite. „Die Aufnahmen werden dann bei uns geprüft und beim LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung.“ In der Vergangenheit hätten sich vermeintliche Aufnahmen von Wölfen oft als „wiederkehrende Fotos“ erwiesen.
Kann man aber überhaupt eine Video-Aufnahme, die von einer Nachtsicht-Kamera aufgenommen wurde, auf Echtheit prüfen? „Da sieht man nachts meistens nicht so viel“, räumt Kaiser de Garcia ein, aber die Fachleute würden etwa die Umgebung und Vegetation prüfen. „Die haben ihren Blick, ob so etwas echt ist oder nicht.“ Kaiser de Garcia meinte noch: „Im Internet kursieren noch weitere angebliche Sichtungen von Welpen aus dem Sommer/Herbst 2023. Allen ist gemeinsam, dass die Bilder und Videos dem LANUV auch auf Nachfrage nicht gemeldet wurden. Folglich konnte keine Verifizierung durchgeführt werden. Und damit bleiben es leider nicht mehr als Gerüchte.“ Deshalb könne das LANUV im aktuellen Monitoring-Jahr bislang im Bereich der Förderkulisse Westmünsterland keinen Nachweis einer Reproduktion führen. „Das LANUV arbeitet nach wissenschaftlich begründeten Monitoring Standards. Das verbietet uns, uns an Spekulationen zu beteiligen.“

Zwischen 2020 und 2024 insgesamt neun Welpen von Gloria

Offizieller Stand ist aktuell Anfang des Jahres 2024, dass Gloria neun Welpen hatte: 2020 einen, 2021 vier und auch 2022 vier. Der Welpe aus 2020 wurde 2021 in der niederländisch-belgischen Grenzregion nachgewiesen. Vom 2021er-Wurf wurde ein weiblicher Welpe im Juni 2021 versehentlich von einem Spaziergänger aufgegriffen, weil er sie für eine verletzte Hündin hielt. Die Wölfin wurde gefüttert und geduscht. Erst der Tierarzt identifizierte das Tier als Wölfin, die noch am selben Tag ausgesetzt wurde. „Das Tier ist seitdem verschollen“, so der Kreis Wesel in der Verfügung. Von zwei männlichen Welpen gab es zuletzt im Dezember 2021 und Februar 2022 Nachweise. Ein weiterer männlicher Nachkomme verließ das Rudel Richtung Niedersachsen und sorgte Ende 2022/Anfang 2023 mit zahlreichen Rissen für Aufsehen. Von den vier Welpen aus dem 2022er-Wurf wurde ein Männchen im Dezember 2022 bei einem Verkehrsunfall auf der A31 getötet. Von zwei weiteren Welpen fehlt seit Dezember 2022 beziehungsweise Februar 2023 jeglicher Nachweis. Ein weiblicher Welpe aus dem Wurf konnte zuletzt im August 2023 im Wolfsgebiet nachgewiesen werden. „Es ist davon auszugehen, dass sich aktuell das Individuum GW3044f aus der Reproduktion 2022 im Territorium aufhält“, so der Kreis. Damit liegt die „offizielle“ Zahl der Wölfe in der Region bei drei: Gloria, ihre Tochter sowie der Wolfsrüde GW3616m, der erst seit Juni 2023 im Gebiet nachgewiesen werden konnte. Von Glorias Bruder (GW1587m), mit dem sie die Nachkommen zeugte, fehlt seit Januar 2022 jede Spur.
Mit dem Zurückhalten des Videos von angeblichen Welpen könnten die Mitglieder von Wolfsschutz-Deutschland Gloria also einen Bärendienst erwiesen haben. Birgit Kaiser de Garcia: „Wenn ein Interesse besteht, das Tier zu schützen, sollte man so ein Video bestätigen lassen. Damit sie zeigen, dass sie recht haben.“

Januar 2024: Abschuss unwahrscheinlich: Wesel legte Beschwerde ein

Das Tauziehen um den Abschuss von Wölfin Gloria ging weiter. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte am 17. Januar 2024 entschieden, die Allgemeinverfügung des Kreises Wesel zur Entnahme von NRWs bekanntester und umstrittenster Wölfin GW954f (Gloria) aus dem Schermbecker Rudel weiterhin auszusetzen. Gegen diesen Beschluss hat der Kreis Wesel laut einer Mitteilung nach Abstimmung mit dem Landesumweltministerium am Montag, 22. Januar 2024, beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt. Die detaillierte Beschwerde-Begründung werde „in weiterhin enger Abstimmung mit dem Ministerium ausgearbeitet“, so der Kreis, der über die nächsten Schritte informierte.
Das Verwaltungsgericht hatte drei Eilanträgen von Umweltverbänden stattgegeben und den Abschuss der Wölfin zunächst untersagt. Eine zeitnahe Entnahme der Wölfin wird nun aber mit jedem Tag unwahrscheinlicher, da die Uhr tickt: Die Allgemeinverfügung, mit der Kreis und Umweltministerium kurz vor Weihnachten eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss von Gloria schaffen wollten, war bis zum 15. Februar befristet, da dann die Reproduktionszeit der Wölfe beginnt. Etwas länger hatte sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf Zeit gelassen, um nach dem zeitnahen Aussetzen der Verfügung vor Weihnachten den Abschuss am 17. Januar weiterhin auszusetzen. Bemängelt wurde seitens des Gerichts, dass nicht ausreichend dargelegt sei, dass durch „Gloria“ ein ernstzunehmender landwirtschaftlicher Schaden drohe.

Passus fehlt in der NRW.Wolfsverordnung

Das Gericht habe keine Verhaltensänderung der Wölfin erkennen können, die eine solche Schadensprognose rechtfertigen könnte. Gloria sei nicht spezialisiert auf das Jagen von Weidetieren. Umweltminister Oliver Krischer hatte sich, um die wirtschaftlichen Schäden zu begründen, anschließend im Umweltausschuss auf die NRW-Wolfsverordnung berufen. Die Wölfin habe 2023 in kurzer Zeitfolge mehrere Male bei Rissen den empfohlenen Herdenschutz überwunden. Doch dieser Passus findet sich allerdings nicht direkt in der gültigen Wolfsverordnung NRW, sondern im dort genannten Paragrafen 45 des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Rheinische Landwirtschaftsverband hatte das Fehlen dieser konkreten Regelung in der Wolfsverordnung bereits 2022 kritisiert. „Derzeit überarbeitet die Landesregierung das Wolfsmanagement der Vorgängerregierung, um dieses praxistauglicher und rechtssicherer zu gestalten“, teilte Malte Wetzel aus dem Pressereferat des Umweltministeriums auf Anfrage der „Dorstener Zeitung“ Mitte Januar 2024 mit.

Hauptsacheverfahren folgt

Nach dem Eilverfahren steht auch noch das Hauptsacheverfahren vor Gericht an. Selbst wenn es zu einer deutlichen Beschleunigung der Gerichtsentscheidungen käme, müsste noch die laut Kreis vorbereitete Beauftragung einer sachkundigen Person erfolgen, die die Entnahme durchführen würde. Oder mehrerer. Und dann müsste es auch noch gelingen, die Wölfin schnell vor das Visier eines Gewehres zu bekommen. All das dürfte am Ende bis zum 15. Februar wohl kaum zu realisieren sein.

Abschuss von Gloria: Prüfung beendet – Wolfschützer kritisieren Tempo

Der Abschuss der Wölfin Gloria wurde nach Verbändeanhörung und Prüfung nach der Verbändeanhörung am 20. Dezember 2023 beschlossen. „Es geht um nichts weniger als die beabsichtigte Tötung der einzigen fortpflanzungsfähigen Wolfsfähe im Bereich des Niederrheins und des Münsterlandes. Würde sie vollzogen, hätte das vermutlich zur Folge, dass das einzige rein nordrheinwestfälische Rudel sich auflösen und damit ausgelöscht würde“, kritisierte die AG NABUs in einer Mitteilung der Vorsitzenden der Kreisverbände Borken, Bottrop und Wesel. Sie kritisieren das Tempo: Man wolle „scheinbar die Vakanzen in der Vorweihnachtszeit bei den Naturschutzverbänden nutzen, um unveränderliche Tatsachen zu schaffen.“ Nur eine Woche Frist bei der Anhörung sei für die Naturschutzverbände „unzumutbar kurz und kann durch zusätzliche Urlaubsvakanzen in der Vorweihnachtszeit kaum angemessen bearbeitet werden. Dennoch werden die Naturschutzverbände unter diesen vorsätzlich erschwerten Bedingungen ihr Bestes geben“. Auch seien Gerichte zu dieser Jahreszeit nicht voll besetzt.

Siehe auch: Wölfe / Nachrixchten
Siehe auch: Wolfsland Schermbeck / Kirchhellen
Siehe auch: Wölfin – Dorsten ihr Revier?
Siehe auch: Wolf verunglückt
Siehe auch: Wolf erschossen
Siehe auch: Wolfsverordnung
S
iehe auch: Wolf 1826 erlegt
Siehe auch: Wolfsjagden in Vest (Essay)
Siehe auch: Wolfsberater


Quelle: Entnommen Dorstener Zeitung vom 8. und 24. Jan. 2024

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