Wilhelmschule Holsterhausen

Streit um Besetzung der Schulleiterstelle 1950 – öffentliche Demütigung

W. St.  – Im Jahr 1950 gab es in der Holsterhausener evangelischen Martin-Luther-Gemeinde eine Auseinandersetzung zwischen dem Sprecher der evangelischen Elternvertretung auf der einen und Pfarrer Krüsmann auf der anderen Seite. Es ging um die Besetzung der seit 1945 unbesetzten Schulleiterstelle an der evangelischen Wilhelmschule in Holsterhausen. Das Presbyterium und der Pfarrer einigten sich übereinstimmend auf den Lehrer Arthur Paul und schlugen ihn am 13. Januar 1950 dem Regierungspräsidenten Münster mit der Einschränkung vor, dass, sollte er für diese Stelle nicht in Frage kommen, beispielsweise aufgrund seiner Berufsausbildung oder eventuellen NS-Vergangenheit, dann würde das Presbyterium seine Zustimmung der zweiten Wahl geben, dem Lehrer Gerhard Hans. Beide Lehrer waren evangelisch. In der Schulausschusssitzung des Amtes Hervest-Dorsten vom 4. Januar 1951 ging es hoch her, als es um die Besetzung dieser Schulleiterstelle der evangelischen Wilhelmschule ging. Diese 1912 erbaute Volksschule hat eine lange evangelische Tradition. Von 1913 bis 1923 befand sich in ihr der Betsaal der evangelischen Kirchengemeinde Holsterhausen, bevor es die Martin-Luther-Kirche gab. Nach der Schulreform wurde sie eine Gemeinschaftshauptschule.

Pfarrer Krüsmann wollte eigenmächtig einen Presbyter-Beschluss ändern

Pfarrer Ernst Krüsmann

Der Dirigent des evangelischen Kirchenchors Werner Schaub, Kaufmann und wohnhaft an der Kronprinzenstraße (heute Breslauer Straße), nahm als Vertreter der evangelischen Elternschaft offiziell an der Schulausschusssitzung teil, da er den Auftrag hatte, dort den Antrag des Presbyteriums und des Pfarrers Ernst Krüsmann vorzutragen, den Lehrer Arthur Paul zum Schulleiter zu ernennen. Doch am Vormittag dieses Tages hatte Pfarrer Krüsmann Werner Schaub angesprochen und ihm mitgeteilt, dass das Presbyterium seinen Beschluss geändert habe und Werner Schaub nunmehr den Lehrer Arthur Paul fallen lasse, und Werner Schaub den Lehrer Gerhard Hans zum Schulleiter vorschlagen müsse. Lehrer Gerhard Hans wohnte in der Pliesterbecker Straße 1 und war übrigens Presbyter der Kirchengemeinde Holsterhausen. Werner Schaub traf dieser Gesinnungswandel überraschend. Daher vergewisserte er sich bei den Presbytern. Diese waren ebenfalls baff erstaunt, denn Pfarrer Krüsmann hatte sie von seinem Gesinnungswandel weder informiert noch ihr Einverständnis eingeholt, wie er gegenüber Schaub angegeben hatte. Dieser schrieb über seine Rückfrage beim Presbyterium: „Dabei stellte sich heraus, dass dieses nicht den Tatsachen entsprach.“ Er meinte damit die Aussage des Pastors, dass das Presbyterium seinen Beschluss von Arthur Paul zu Gerhard Hans geändert habe. Werner Schaub am 8. Januar 1951 weiter: „Damit war eindeutig für mich klar, dass der zunächst gefasste Beschluss des Presbyteriums weiterhin für mich gültig und (in der Schulausschusssitzung) zu vertreten sei.“
Als offizieller Sprecher der evangelischen Elternschaft und des Presbyteriums der Martin-Luther-Gemeinde vertrat er diesen Standpunkt dann auch in der Schulausschusssitzung und nicht die alleinige Meinung des Pfarrers. Er brachte das Anliegen des Presbyteriums vor und etliche Politiker hatten ihre Zustimmung für Lehrer Arthur Paul signalisiert. Doch dann meldete sich das Mitglied des Schulausschusses Wilhelm Mohnhoff (1926-2015, Holsterhausen, dann Wulfen) zu Wort, welcher der katholischen Zentrumspartei angehörte. Er teilte seinen Schulausschuss-Kollegen mit, dass „er beauftragt sei, im Namen des Pastors Krüsmann zu erklären, dass das Presbyterium Herrn Hans als Rektor wünsche, die Elternschaft geschlossen hinter ihm stehe und nur ,eine kleine Interessengruppe’ versuche, Herrn Hans zu bekämpfen“.

Der Chordirigent warf dem Pfarrer „hinterhältiges Verhalten“ vor

Dieser inhaltlich heftige und für Werner Schaub kränkende Auftritt war ein Affront des Pastors gegen seinen Chordirigenten und Sprecher der evangelischen Elternschaft. Denn damit wurde Werner Schaub im Namen des Pfarrers Krüsmann der Lüge und Intrige bezichtigt, wo er doch lediglich die Beschlusslage des Presbyteriums vertrat. Schaub zeigte sein Unverständnis. Dass der evangelische Pastor Ernst Krüsmann ausgerechnet einen Vertreter der damals überwiegend katholischen Zentrumspartei auswählte, um ihn öffentlich  bloßzustellen. Dazu Werner Schaub wörtlich: „Mit dieser Erklärung aus dem Munde eines Vertreters einer Partei, die unserer evangelischen Sache wenig freundlich gegenübersteht und dessen sich der Vorsitzende des Presbyteriums unserer Gemeinde bedient und mich damit vor den gesamten Sitzungsteilnehmern in eine außerordentlich beschämende Lage brachte, ist mir klar geworden, dass nunmehr eine Zusammenarbeit zwischen dem Pfarrer und mir nicht mehr möglich sei.“
In seinem an die Mitglieder des Kirchenchors gerichtetes Rücktrittsschreiben als Dirigent begründet Werner Schaub seine Kränkung: „Ich bitte dabei zu bedenken, dass durch diese hinterhältige Handlungsweise nicht nur meine Stellung als Vertreter der evangelischen Elternschaft, sondern auch das Ansehen der gesamten evangelischen Gemeinde von Pastor Krüsmann untergraben worden ist.“

Schreiben von Werner Schaub vom…. (Ausriss)

Gegenseitiger Vorwurf, gegen das 8. Gebot verstoßen zu haben!

Mit dem Tag des Schreibens trat Werner Schaub am 8. Januar 1951 von seinem Posten als Chordirigent zurück. Ebenfalls zurückgetreten waren die Presbyter August Steinmeier und Kirchmeister Rudolf Schaub. Am gleichen Tag informierte Werner Schaub das Presbyterium von seinem Rücktritt. Dem Presbyterium gehörten an: Vorsitzender Pastor Krüsmann und die Herren Heinrich Krah, August Steinmeier, Wilhelm Rehmann, der betroffene Lehrer Gerhard Hans sowie Kirchmeister Rudolf Schaub, wohnhaft in der Pliesterbecker Straße 131. Am 15. Januar 1951 tagte das Gremium und stellte lakonisch fest: „1. Sachlich unwahr; 2. Verstoß gegen das 8. Gebot.“ Mit dem 8. Gebot wurde Werner Schaub der Lüge bezichtigt, nicht der Pfarrer. Bei der nächsten Presbyterwahl 1954 ließen sich die übrigen Presbyter nicht mehr aufstellen. Da Pfarrer Ernst Krüsmann bereits 1953 Holsterhausen verließ, wurde der mit dem 8. Gebot gescholtene Werner Schaub 1954 zum Presbyter gewählt. Übrigens wurden weder Arthur Paul noch Gerhard Hans Schulleiter der evangelischen Wilhelmschule. Arthur Paul blieb Lehrer an der Martin-Luther-Schule und Lehrer Gerhard Hans Leiter der Pestalozzischule von 1952-1975. Schulleiter der Wilhelmschule wurde Wilhelm Maenicke.

Zur Sache: Presbyterium

Das Presbyterium ist die Kirchengemeindeleitung, ein Gremium, das die Geschäfte der Kirchengemeinde führt. Die Bezeichnungen sind in den Landeskirchen unterschiedlich wie u. a. Kirchenvorstand, Ältestenkreis, Gemeindevorstand. In der Landeskirche von Westfalen werden die Kirchengemeinden von einem „Presbyterium“ geleitet. Ihm gehören die von den Gemeindemitgliedern gewählten Presbyterinnen und Presbyter (griechisch: Älteste) und die Pfarrer bzw. Pfarrerinnen an. Die Presbyter müssen mindestens 18 Jahre alt sein, wählen dürfen konfirmierte Gemeindemitglieder ab 16 Jahren. Die Wahlen zum Presbyterium finden alle vier Jahre statt, zuletzt am 14. Februar 2016. Das Presbyterium ist verantwortlich für die Verkündigung des Wortes Gottes und den gesamten Dienst der Gemeinde. Es wählt die Pfarrerinnen und Pfarrer, verwaltet die Kirchengemeinde und entscheidet bei der Aufstellung des Haushaltes auch über die Verwendung der Kirchensteuern. Die Größe eines Presbyteriums richtet sich nach der Zahl der Gemeindemitglieder, wenn größere Gemeinden in Bezirke gegliedert sind, hat man oft Bezirkspresbyterien eingerichtet. Die Männer und Frauen im Presbyterium haben sich in aller Regel auf bestimmte Aufgabengebiete spezialisiert, z. B. Kindergarten, Jugendarbeit, Bauangelegenheiten oder Friedhofsfragen. Verantwortet aber wurde gemeinsam.

1948 Presbyterium von vier auf sechs Mitglieder erhöht

Im Juni 1946 verschickte die Evangelische Kirche in Westfalen an die Kreissynoden der Provinz und an alle Presbyterien der westfälischen Kirchengemeinde der „Entwurf einer Ordnung zur Wahl der Presbyter“ zugeschickt. Die alte Ordnung des kirchlichen Wahlrechtes hatte sich als ungeeignet erwiesen. Daher sollte das neue kirchliche Wahlrecht von Bekenntnis her abgefasst werden. So ist es auch geschehen. In der darauffolgenden Presbyterwahl vom 11. April 1948 mussten die zur Wahl aufgelisteten Presbyter noch das 24. Lebensjahr vollendet haben. In der Martin-Luther-Gemeinde Dorsten-Holsterhausen wurden die Wahlvorschläge von der Vorsitzenden der Frauenhilfe, Löschner, aufgestellt, die dann auch die schriftliche Einwilligung der sich zur Wahl stellenden Gemeindeglieder einholte. Das waren Heinrich Krah, Amtssekretär i. R. (Baldurstraße), Fritz Drews, Schlosser (Karlstraße), Rudolf Schaub, Bau-Ingenieur (Piesterbecker Straße), Heinrich Möller, Steiger i. R. (Hauptstraße), Wilhelm Rehmann, Bergmann (Hagenbecker Straße), Ehefrau Widder und Fritz Stasch, Landwirt (Rhade). Gewählt wurden schließlich Heinrich Krah, Rudolf Schaub, Heinrich Möller, August Steinmeier, Wilhelm Rehmann und Fritz Stasch. Pfarrer und Vorsitzender war Pfarrer Richard Schmidt. Aufgrund des starken Anwachsens der evangelischen Gemeinde in Holsterhausen wurde im Januar 1948 die Zahl der Presbyter von vier auf sechs erhöht, was bei der anstehenden Wahl zu berücksichtigen war.

Siehe auch: Gottlosenschule
Siehe auch: Evangelische Gemeinden (Essay)
Siehe auch: Ernst Krüsmann
Siehe auch: Martin-Luther-Kirche


Quellen: Briefwechsel Werner Schaub von 1950/51. – Online-Enzyklopädie Wikipedia (Thema Presbyterium, Aufruf 2018). – Telef. Auskunft Christel Briefs 2018 (ehem. Schülerin Wilhelmschule) und Pfarrer Matthias Overath. 

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