Müller, Wolfgang

14 Jahre lang Leiter einer erfolgreichen städtischen Kultur

Wolfgang Müller (M.) – Buchvorstellung der FG Dorsten unterm Hakenkreuz 1987

Von Wolf Stegemann

Von 1982 bis 1996 leitete Wolfgang Müller, der vom Bottroper Bauamt ins Dorstener Rathaus kam, das Kulturamt. Die Kulturpolitik war Anfang der 1980er-Jahre ein Stiefkind im Rathaus. Wolfgang Müller brachte durch Planung, Umsicht und neue städtische Kulturangebote, Unterstützung der Kulturvereine und Kulturprojekte Dorstens zaghaftes „Kulturpflänzchen“ in den 1980er-Jahren zur Blüte. Beispielsweise waren die jährlich stattfindenden Altstadtfeste mit einem umfassenden Kulturprogramm begleitet und beschränkte sich nicht nur auf Alkoholkonsum und Fressbuden wie heute. Die 14 Jahre  Wolfgang Müller in der Dorstener städtischen Kultur kann man im vergleichenden Rückblick durchaus als „Ära Müller“ bezeichnen.

Kulturamt sollte schon 1982 der VHS einverleibt werden

Frisch ans Werk

Wolfgang Müller absolvierte die Höhere Handelsschule für den gehobenen nicht technischen Verwaltungsdienst 1974 als Diplom-Volkswirt und studierte anschließend sieben Semester berufsbegleitend an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Dortmund mit dem Abschluss Dipl.-Verwaltungsbeamter. In der Bottroper Stadtverwaltung arbeitete Müller im Amt für Statistik und Wahlen, im Bauaufsichtsamt, Bauverwaltungsamt, in der Stadtplanung und wechselte im August 1982 zum Liegenschaftsamt Dorsten. Da der amtierende Kulturamtsleiter Heyming und dessen Stellvertreter Wilzek sich in andere Städte wegbeworben hatten, wurde Wolfgang Müller im September des gleichen Jahres nach einer heftigen auch in den Medien ausgetragenen Auseinandersetzung zum Kulturamtsleiter bestellt. Dabei ging es weniger um ihn, als um ein neues Konzept. VHS-Leiter Stevens wollte das Kulturamt der Volkshochschule eingliedern, andere wollten es als selbstständig erhalten, wie der SPD-Stadtverbandsvorstand aus grundsätzlichen Erwägungen. Stadtdirektor Dr. Zahn konnte in dieser Art von „Kulturkampf 1982“ in der Politik durchsetzen. Das Kulturamt blieb mit Wolfgang Müller als Chef selbstständig. Er übte das Amt bis 1996 aus, als das Kulturamt der VHS untergeordnet wurde und es seine Selbstständigkeit aufgeben musste, was an der Qualität dann auch zu bemerken war.

Teamarbeit: Vom „Kulturamt“ hin zum „Kulturbüro“

Wolfgang Müller übte die Leitung bis 1996 aus. Zusammen in der Anfangsbesetzung mit Claudia Kokoschka, Detlev Wischerhoff, Susanne Pohl und Marlies Milos war viele Jahre lang ein überaus produktives Kulturarbeits-Team zugange, das vom Ersten Beigeordneten Werner Mörs gefördert wurde. Intern und nach außen hin, so Wolfgang Müller, hat sich dieses Team mehr als „Kulturbüro“ verstanden, weniger als „Kulturamt“ Der Begriff „Kulturbüro“ wurde dann in der zweiten Hälfte der 1990-Jahre auch als offizielle Bezeichnung mit der Zusammenlegung von Volkshochschule und Kulturamt verwendet.

Auseinandersetzung mit dem Personalrat, RN vom 18. August 1982 (Ausriss)

Damals gab es lebendige Diskussionen im Kulturausschuss des Rates

Die „klassischen Theater- und Konzertveranstaltungen“ wurden von Wolfgang Müller und seinem Team mit großer Sorgfalt organisiert. Das Angebot für Kinder war überdurchschnittlich gut: In kaum einer anderen vergleichbaren oder auch größeren Stadt gab es ein so umfassendes Kinder-Kultur-Konzept wie zu Zeiten Müllers in Dorsten. Im Kulturausschuss der Stadt gab es unter den Fraktionen stets ausführliche und lebendige Debatten um Kulturplanungen bis hin zu Diskussionen über den Inhalt von Theaterstücken.  Wer damals beruflich mit dem Kulturamt zu tun hatte, bemerkte, wie von dort aus stets Neues kreiert wurde. Mit dem „Theater im Pott“ (TIP Oberhausen) brachte Wolfgang Müller und sein Kultur-Team Kneipentheater in die Stadt: Ein Schauspieler, ein Scheinwerfer, eine Geschichte! So zum Beispiel die Tigergeschichte von Dario Fo, mit der das Kulturamt im ganzen Stadtgebiet in Kneipen unter dem Motto „Theater um die Ecke“ realisierte. Später mit Kafka und anderen. „Theater in Schulen“ wurde fester Bestandteil des Veranstaltungskanons, dann auch die „Frauenkulturtage“, die erstmalig von Claudia Kokoschka organisiert wurden.  Ab 1987 wurde sogar ein „Jugendring“ eingeführt und auch „Kleinkunst“ aus der Taufe gehoben, anfangs als jährliche „Kleinkunstwoche“. Auch Theaterfahrten ins Musiktheater im Revier (MIR) wurden als Abonnement eingeführt.

Kulturamtsleiter Wolfgang Müller im Gespräch mit der Presse

Ausstellungen und Theater in der Städtischen Galerie am Brunnenplatz

Denn Kooperationen mit anderen Veranstaltern wurde groß geschrieben, auch innerhalb der Stadt: Dorstener Jazzfest mit dem Jazzclub. Aufgetreten waren damals sogar die „Slickaphonics“ aus New York, die es heute noch gibt. Von 1990 bis 1997 unterhielt das Kulturamt am Brunnenplatz eine städtische Galerie, in der Ausstellungen gezeigt und Theater gespielt wurde. Auch unterstützten die städtischen Kulturmacher die Theaterinitiative Dorstener Bürger, das „Sommertheater“ mit Aufführungen klassisch-antiker Autoren im Freilufttheater Maria Lindenhof und in der Städtischen Galerie am Brunnenplatz. Als 1982 die Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ in Dorsten erstmal die nationalsozialistische Jahre erforschte und aufarbeite und darüber sieben Bücher herausbrachte (heute auch online zu lesen www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de), die Arbeit schließlich zur Gründung des Jüdischen Museums Westfalen führte, begleitete Wolfgang Müller die Gruppe und die Herausgabe der Bücher stets unterstützend. 1985 wurde der Deutsch-türkische Freundeskreises in Dorsten gegründet, dessen Vorsitz er sich mit dem türkischen Lehrer Taner Atabek als Nachfolger von Josef Kemper und Kadir Daglar später teilte.

Juristisch schwierige Gründung der Tisa von der Schulenburg-Stiftung

Zuletzt Standesbeamter

Rückblickend betrachtet kam der Arbeit Müllers und seinem Team zugute, dass die jeweiligen Kulturausschüsse die Entwicklungen aufgeschlossen beurteilt hatten. Probierverhalten und „neue Versuchsanordnungen“ des Kultur­amts wurden parteiübergreifend akzeptiert und mitgetragen. Dazu gehört insbesondere der Beitritt zum Kultursekretariat Gütersloh für nichttheatertragende Städte, dem die Politik zuerst zurückhaltend, dann aber zustimmend gegenüberstand. Persönlich größte berufliche Herausforderung in verwaltungsmäßiger Hinsicht war für Wolfgang Müller die Bewältigung des langwierigen, juristisch anspruchsvollen Genehmigungsverfahrens für die juristisch selbstständige „Tisa von der Schulenburg-Stiftung“. Das Verfahren vor Ort, die Abstimmungen mit dem Regierungspräsidenten als Mittelinstanz und mit dem Innenministerium des Landes NW sowie die erste bundesweite Auslobung des Preises war für Wolfgang Müller ein aufreibender Prozess in den Jahren 1994/95.

Kulturamt war auch zuständig für Stadtarchiv und Stadtbibliothek

Die mit viel Arbeit und Engagement verbundene „kleine Dienststelle Kulturamt“ war auch zuständig für die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, das Heimatmuseum, die Tüshaus-Mühle, einige Jahre für das „Altstadtfest“ (u. a. mit Tana Schanzara), für Vereine (Galaabende der Oper und Operette mit dem MGV Hervest-Dorsten 1948) und  federführend für die „Öl-Mühle“ und die „Astrid-Lindgren-Schule als soziokulturelles Zentrum“ – Projekte, die, wie Müller heute augenzwinkernd sagt: „Gott sei Dank im Orkus der Nichtfinanzierbarkeit verschwanden.“ – Als das Kulturamt 1996 mit der Volkshochschule zusammengelegt wurde und seine organisatorische Selbstständigkeit verlor, wurde Wolfgang Müller Verwaltungsleiter von VHS & Kultur. 2008 wurde er Leiter des Standesamts und traute in den Jahren bis 2013 rund 300 Ehepaare und hofft natürlich, dass viele dieser Ehen gehalten haben und halten werden. 2011 wurde er im Rathaus für sein 40-Jähriges ausgezeichnet und trat zwei Jahre später aus dem aktiven Dienst. Im Ruhestand widmet er sich in Bottrop mit Elan seinem Garten, liest viel und nimmt als Patientenbeauftragter des Stationären Hospizes in Bottrop eine ehrenamtliche Aufgabe wahr.

Siehe auch: Dr. Karl-Christian Zahn
Siehe auch:
Johannes Backherms
Siehe auch:
Tisa von der Schulenburg-Stiftung
Siehe auch:
Kulturstadt Dorsten (Meinungen)
Siehe auch: Forschungsgruppe “Dorsten unterm Hakenkreuz”
Siehe auch: Kulturamt – ein Politikum


Foto oben: Wolf Stegemann, Wolfgang Müller, S. Johanna Eichmann (v. l.); Foto: Holger Steffe (RN). –  Quellen: Gespräche mit Wolfgang Müller (2018). – Erinnerungen des Kultur-Journalisten Wolf Stegemann, der die Arbeit des Kulturamts von 1980 bis 1998 journalistisch begleitete (RN bzw. DZ). – WAZ vom 12. Okt. 1982.

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