Volksschulen um 1900 (V)

Die heiligsten Güter mit einem Damm gegen gottlose Umstürzler schützen

Die Volksschule im Kaiserreich lehrte auch den Militarismus

Volksschulen waren ein Bollwerk für Religion, Sittlichkeit und Zucht. In mehreren regionalen Lehrer-Konferenzen der Volksschulen, die in Dorsten um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts stattfanden, behandelten die Lehrer Themen wie Prügelstrafe und ihre Anwendung, oder Schulzucht und Sittlichkeit, die Trunksucht in den arbeitenden Klassen sowie das Glück der maßvollen Zurückhaltung. Es wurde aber auch der Kampf aufgenommen gegen die gottlosen Umstürzler und vaterlandslosen Gesellen, denen die Volksschule eine Barriere bilden müsse. Lehrer aus Dorsten nahmen an diesen Konferenzen teil. Die Chronik der Antoniusschule in Holsterhausen liefert Bericht über das, was damals beschlossen wurde und das bei der Lektüre heute sicherlich Stirnrunzeln und Kopfschütteln verursacht. Wir haben den Teil der Chronik hier in den Artikeln Volksschulen I bis VII wiedergegeben und die damalige Schreibweise beibehalten.

„Religion und Vaterlandsliebe nicht nur im Munde führen“

Am 15. Juni 1898 fand in Dorsten im Saal des katholischen Gesellenhauses [Kolpinghaus am heutigen Südwall] die so genannte Kreiskonferenz der Lehrer statt. Hier wurde es politisch. Denn Lehrer Engberting sprach über „Die Macht der Schule gegen den Umsturz“. Daraus entwickelte die Kreislehrer-Konferenz ihre Leitsätze für Schule und Unterricht:
1) Ein guter Christ und wahrer Patriot wird mit banger Sorge um die Zukunft erfüllt, wenn er von den Bestrebungen der Umsturzpartei hört und sich vergegenwärtigt, welch heißer Kampf entbrannt ist gegen Familie, Staat und Kirche, und er wird bekennen müssen, dass Hülfe noth thut, um die heiligsten Güter zu schützen.
2) Die Lehren der Umsturzparteien offenbaren sich hauptsächlich als Lehren der Gottlosigkeit (Atheismus) und der Vaterlandslosigkeit (Anarchismus).
3) Wenn es wahr ist, dass in der Jugend die Zukunft liegt, dann folgt daraus für die Volksschule die Pflicht, durch die Erziehung und den Unterricht der Jugend den sozialistischen Anschauungen und Bestrebungen einen mächtigen Damm entgegen zu setzen, gemäß den Worten unseres allergnädigsten Kaisers: „Genau die Volksschule ist es, welche am meisten dazu berufen ist, den Bestrebungen der Umsturzparteien entgegenzuwirken.“
4) Unser allergnädigster Kaiser gibt uns auch den Weg an, den wir Lehrer zur Bekämpfung des Sozialismus einzuschlagen haben, indem er sagt: „Die Schule hat nicht den Hauptnachdruck auf die Aneignung des Lernstoffes, sondern auf die Bildung des Charakters und die Bedürfnisse des praktischen Lebens zu legen.“
5) Unter allen Unterrichtsfächern ist besonders der Religionsunterricht geeignet, die Herzen der heranwachsenden Jugend den Irrlehren der vaterlands- und gottlosen Umstürzler nachhaltig zu verschließen.
6) Nach dem Religionsunterrichte ist vor allem ein gutes Lesebuch […] Grundlage und Ausgangspunkt […] des deutschen Unterrichts, das den Umsturzideen mit bestem Erfolge entgegen zu arbeiten vermag. Gemäß Kellners Worte: „Das Lesebuch soll durch die Kraft seines Inhalts auf das Gemüt des Kindes einwirken und deshalb religiöses Gefühl, Liebe zum Vaterlande, Liebe für alles Gute, Schöne und Edle erwecken.“
7) Auch die übrigen Fächer, namentlich der geschichtl., geographische und nicht in letzter Linie der naturkundl. Unterricht, sind geeignet, die Kinder zu stählen gegen die schädl. Bestrebungen des Umsturzes.
8) Alle Arbeit in der Schule ist vergeblich, wenn der Lehrer nicht selbst der Mann ist, der Religion und Vaterlandsliebe nicht bloß im Munde führt, sondern auch fühlt und übt, denn es ist die Wahrheit, wie Kellner sagt, „dass der Lehrer mehr durch seine Persönlichkeit, durch das Gewicht und die Würde seiner ganzen Erscheinung erzieht und lehrt, als durch sein Wort“. Und: „Nichts erzieht besser als das Beispiel eines sträflichen Lehrers, sein stilles Beispiel ist eine Sonne, welche erwärmt und leuchtet.“

Dazugehördende Texte:
Volksschulen um 1900 (I) – Regionalkonferenz
Volksschulen (II) – Körperliche Züchtigung
Volksschulen (III) – Zucht und Ordnung
Volksschulen (IV) – Vor dem Unterrichte Herz und Blick zu Gott erheben
Volksschulen (VI) – Das Materielle dient der Berufsfreudigkeit des Lehrers
Volksschulen (VII) – Bollwerk gegen Trunksucht
Volksschulen (VIII) – Resümee der Konferenzen

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone

Dieser Beitrag wurde am veröffentlicht.
Abgelegt unter: , Schulwesen