Schulenburg-Archiv, privat

Umfangreiche private Sr. Paula-Sammlung des Journalisten Wolf Stegemann

Familie von der Schulenburg mit Tisa als Kleinkind (Mitte)

Von Andrea Schüller

1982 übereignete Elisabeth Gräfin von der Schulenburg, die als Sr. Paula von 1950 bis zu ihrem Tod 2001 im Dorstener Ursulinenkloster lebte, ihre noch vorhandenen und teils privaten Dokumente aus ihrer bewegenden Zeit vor ihrem Klostereintritt dem Dorstener Journalisten Wolf Stegemann zum verbleibenden Eigentum zur journalistischen Nutzung und Aufbewahrung. Den weitaus größten Teil des Archivs stellen die Medien-Dokumente ab 1961 dar. Zu dieser Zeit begann ihr öffentliches Wirken als Künstlerin im Kloster. Weiter enthält dieses Archiv auch Urkunden, Einladungen, Briefe, handschriftlich zu Papier gebrachte Gedanken der Künstlerin über „Gott und die Welt“, Fotos, TV-Filme und Rezensionen. Da Wolf Stegemann die Künstlerin und Nonne ab 1980 über zwanzig Jahre lang journalistisch begleitete, konnte er das Archiv mit Dokumenten, Briefen, Fotos und Büchern aus den nachfolgenden Jahren (bis 2001) erweitern. Beispielsweise mit einem Buch aus dem Jahre 1897, das Stegemann bei einer Auktion für annähernd 300 DM erworben hatte, in dem das „Geschlecht von der Schulenburg“ auf über 800 Seiten dargestellt ist. Bereichert wurde Stegemanns Schulenburg-Archiv durch Schenkungen und Ankäufe.
2021 übergab Stegemann sein Schulenburg-Archiv an den Vorsitzenden der Stiftung abc-Gesellschaft. Franz-Josef Kuhn. Tisa von der Schulenburg gehörte bis zu ihrem Tod dem Kuratorium der “abc-Stiftung fü das Lesen- und Schreibenlernen in der Dritten Welt” an. Franz-Josef Kuhn übergab die Sammlung vereinbahrungsgemäß an die Tisa von der Schulenburg-Stiftung weiter, die bereits das Tisa-Archiv in Hervest eröffnet hatte.

Etliche Exponate aus Sr. Paulas Vergangenheit sind dazugekommen

Eine frühere Schülerin von Sr. Paula übergab ihm 2016 handschriftliche Dokumente aus dem Jahr 1979. In einem Brief an ihre ehemalige Schülerin schrieb Sr. Paula ihre Gedanken über Mütter, die sich zwischen Karriere oder Kindern und Familie entscheiden müssen. 2009 bekam Stegemann Sr. Paulas alten Malkasten mit Ölfarben aus dem Besitz von Tisa von der Schulenburg aus ihrer englischen Zeit Mitte der 1930er Jahre (Bild oben) Die Farbtuben sind natürlich ausgequetscht und eingetrocknet. 2009 kamen Holzbildhauerwerkzeuge ebenfalls aus den englischen 30er-Jahren dazu. Darunter ein Bildhauerhammer aus dem ursprünglichen Besitz von Henry Moore, welcher ihn in der englischen Zeit Tisa von der Schulenburg schenkte (Bild oben). Zuletzt war der Besitzer Antonio Filippin, dem Sr. Paula sie geschenkt hatte. Auch schenkte sie ihm ihr erstes BIldhauerwerkzeug (Bild oben). Als er 1996 auf die Seychellen auswanderte, hatte er die Gegenstände mitgenommen. Wolf Stegemann besuchte ihn 1999 und Filippin übergab ihm dann diese Gegenstände von Sr. Paula mit der Begründung: „Wenn ich hier mal sterbe, weiß doch keiner, was das alles ist und wirft es weg!“ Dazu gehören auch die plakativ gezeichneten jährlichen Geburtstagsgrüße von Sr. Paula an Filippin und später wurde einer Seychellenbesucherin eine Mappe für Stegemann mitgegeben, in der sich Originalzeichnungen von Antonio Filippin befanden, nach denen er eine lebensgroße Holzstatue angefertigt hatte, die awitdem in Schloss Lembeck zu sehen ist. Sr. Paula und Antonio Filippin, der sich als Schüler Sr. Paulas bezeichnete, waren jahrelang in Sachen Kunst miteinander befreundet.

Bestand formal erfasst – an inhaltlicher Darstellung wird gearbeitet

Der Bestand des Archivs umfasst u. a. beispielsweise fast 1000 Zeitungsartikel, 417 Fotos, dazu Familienfotos und über 70 Negative von Fotos von Tisa mit Eltern und Brüdern sowie Fotos der Familie Schulenburg. Außerdem Filmrollen und Tonbandaufzeichnungen, die noch ausgewertet werden müssen, sowie etwa 100 handschriftliche Schreiben und Aufsätze zu verschiedenen Themen, darunter ein Schreiben an W. Stegemann. In diesem erläutert Sr. Paula, warum sie 1938 nicht mehr nach England zurückgegangen war. Die bisherige und vom Kloster mitgetragene Version, die Briten hätten ihr nach der Teilnahme am Staatsbegräbnis ihres Vaters 1938 die Wiedereinreise verweigert, ist eine Legende. Vielmehr ist sie nicht mehr zu ihrem jüdischen Mann nach England zurückgekehrt, weil sie ihren Jugendfreund von Barner wiedergetroffen und sich in ihn verliebt hatte. Ihn wollte sie heiraten. Deswegen sei sie nicht mehr nach England zurückgekehrt und habe sich per Unterschrift (in der NS-Zeit bei Juden üblich) als geschieden erklärt. In dem Brief wünscht sie, dass der Adressat dies in diesem Sinne aber erst in einem Nachruf berichtigt. Dabei die Kopie einer neunseitigen Schilderung über ihre Ehe und Scheidung von Fritz Hess und die anschließende Ehe mit von Barner und eine Aufzeichnung über ihre Gedanken über Wohlstand, Zerstörung und Kirche, ebenfalls als Kopie. Archiviert sind auch Konvolute mit über 100 Zeitungs- und Zeitschriftenberichten über Ausstellungen der 1960er-Jahre bis heute, mit rund 50 Zeitungs- und Zeitschriftenberichten über die Künstlerin sowie mit rund 200 Zeitungsberichten in der Regionalpresse Dorsten über S. Paula (die meisten von W. Stegemann in den Ruhr- Nachrichten). Auf dem Bild links übergibt Wolf Stegemann am 90. Geburtstag von Sr. Paula ein von ihm herausgegebenes Büchlein mit dem Titel „Tisa – Fotos aus neun Jahrzehnten“.

Sr. Paulas Führerschein (1929) und drei Reisepässe (1925, 1939, 1968)

Unter den persönlichen Dokumenten Sr. Paulas befinden sich u. a. das Familienbuch, ausgestellt in Berlin-Dahlem am 31. Oktober 1928 anlässlich der Hochzeit mit Siegfried Hess. Zudem ihren Reisepass Nr. 49, ausgestellt in Grevesmühle am 3. Februar 1925 mit dem Sichtvermerk „Seite 31: Oktober 1928 mit dem Kaufmann Siegfried Hess verheiratet“. Reisesichtvermerke informieren, dass Elisabeth Gräfin von der Schulenburg u. a. in die Schweiz, nach Italien, Belgien und Frankreich reiste. Ein weiterer Reisepass Nr. 1454, ausgestellt von der Deutschen Botschaft in London am 27. April 1939 hat den Sichtvermerk: Namensänderung durch Heirat am 13. Sept. 1939 in „von Barner, geborene Gräfin Elisabeth von der Schulenburg“ mit Wohnort in Klein-Trebbow. Ein dritter Reisepass wurde am 17. Oktober 1968 in Dorsten ausgestellt mit der Eintragung ihres Künstlernamens „Tisa“ und versehen mit Reisestempeln aus London und dem Libanon. Ihr Führerschein mit Lichtbild wurde am 1. August 1928 ausgestellt. Dann gibt es viele Bücher und Broschüren von und über die Künstlerin Sr. Paula. Die älteste Broschüre in der Sammlung dokumentiert die Eröffnung der Dorstener Kreissparkasse am Markt mit Übergabe des von Sr. Paula gestalteten Brunnens an die Öffentlichkeit am 5. Dezember 1961. Dieser Brunnen, der die Geschichte vornehmlich der Altstadt aufzeigt, wurde von der Stadt mittlerweile entfernt. Dass er 2020 vom Marktplatz entfernt wurde und die Einzelteile eventuell zum geplanten Archiv der Schulenburg-Stiftung auf das Zechengelände in Hervest-Dorsten verbracht werden, zeige, so Stegemann, dass von der einstigen gegenseitigen Verbundenheit der Stadtspitze mit Sr. Paula von denen, die heute im Rathaus das Sagen haben, nicht mehr oder wenig verstanden wird.

Handschriftliche Werksverzeichnisse Bretagne, Dänemark, England u. a.

Sr. Paula gab sich große Mühe, in Werksverzeichnissen ihre Zeichnungen und Bildhauerarbeiten (auf 40 Seiten) meist handschriftlich zu dokumentieren. Dazu zählen: Scherenschnitte 1916-1926, Berlin 1925-33, 1939-45 (keine Ausstellungen), England 1934-39 mit Tätigkeitsverzeichnis, wo Elisabeth Gräfin von der Schulenburg in dieser Zeit gearbeitet hat und folgende Werke entstanden sind: Bretagne 1935, Dänemark 1936, Durham/England 1936-38, Rauhes Haus 1947 usw. Ein eigenes Archiv in diesem privaten Tisa von der Schulenburg-Archiv bilden die mit Sr. Paula zusammenhängenden Dokumente über ihren 1944 hingerichteten „Lieblingsbruder“ Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg (Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944). Dazu gehören Bücher und Schriften, handschriftliche Erinnerungen Sr. Paulas sowie ihres Bruders und Schriftverkehr mit Historikern aus Deutschland, der DDR, den USA und Israel.

Erste Seite des Redemanuskripts anlässlich ihrer Ernennung zur Ehrenbürgerin; Archiv Sregemann

Siehe auch: Tisa von der Schulenburg – Leben & Werk (Übersicht)
Siehe auch: Paula-Brunnen
Siehe auch: Schulenburg-Stiftung
Siehe auch: Schulenburg. Fritz-Dielof Graf von der
Siehe auch: Elisabeth Gräfin von der Schulenburg
Siehe auch:
Tisa von der Schulenburg
Siehe auch: Sr. Paulas Einstein-Köpfe
Siehe auch: Sr. Paula
Siehe auch: Wolf Stegemann

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