McNichol, Kerstin

Dorstenerin schreibt in Cambridge Bücher – auch über ihr eigenes Schicksal

Geboren 1969 in Dorsten als Kerstin Kistowski, heute wohnhaft in Cambridge (GB), dort beruflich tätig bei Coca Cola und vor allem in Deutschland in Literatur- und Verlagskreisen als Autorin bekannt. In ihren Büchern schrieb sie über Probleme, welche Sehnsüchte, Liebe, Partnerschaften, Ehen, Familien, Lügen und Gewalt mit sich bringen können. Selbstkritisch lässt die Autorin ihre eigene tragische Beziehungsgeschichte einfließen. – Kerstin Kistowski ist bei ihren Großeltern in Hervest aufgewachsen. Sie besuchte die Barkenbergschule, dann die Augustaschule, von 1980 bis 1985 die Josefschule, dann die Georg-Kerschensteiner-Schule in Gelsenkirchen und absolvierte 1993 das staatliche Niederrhein-Weiterbildungskolleg in Oberhausen.
Während ihrer Schulzeit, als sie sie gerade 12 Jahre alt war und die Josefschule in Hervest besuchte, begegnete sie einem jungen Malaysier namens Wong, der 12 Jahre älter war als sie. Eine Freundschaft begann, die das Mädchen allerdings in ihrer kindlichen Naivität anders wahrnahm als er. Als sie 16 Jahre alt war, verschwand der Freund abrupt aus ihrem Leben, nachdem  sie seinen Antrag einer Scheinehe abgelehnt hatte. Er wollte die Scheinehe für eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung in Dorsten. Überraschend trat Wong acht Jahre später, 1993, wieder in das Leben von Kerstin und umwarb sie. Da war sie 24 Jahre alt und hatte den dreijährigen Besuch das Niederrhein-Kolleg in Oberhausen abgeschlossen. Kerstin Kistowski wies den sie umwerbenden Mann zunächst ab, doch erlag sie seinem Charme. Sie glaubte an die große Liebe, während er mit Täuschung und Lügen seine eigenen Ziele verfolgte. Sie zog zu ihm, der angeblich mit seiner Schwägerin und deren Kindern in Wohngemeinschaft lebte. Doch es waren seine Frau und seine Kinder, was er Kerstin verheimlichte. Sie geriet immer tiefer in sein Gespinst aus Lügen und Täuschung, bis sie letztendlich nicht mehr wusste, was sie tun sollte. Ihr kam es vor, als ob sie in einem Harem lebte. Er schlug und bedrohte sie. „Wenn Du mich verlässt, bringe ich Dich um!“ Sie nahm das in ihrer Verliebtheit erst einmal hin, doch dann bekam sie Angst und verließ ihn, zog wieder zu ihrer Großmutter in die Wohnung an der Vennstraße in Hervest. Doch dann kam der Tag, an dem sie beinahe getötet wurde. Offensichtlich wollte er seine Drohung, sie umzubringen, wahrmachen.

Kerstin entkam nur knapp dem Tod, mit dem er sie bedroht hatte

Am 9. August 1994 stand er vor ihrem Haus. Als sie die Tür öffnete, schubste er sie in die Wohnung und legte ihr von hinten einen Spanngurt um den Hals und zog ihn zu. Der Bewusstlosigkeit nahe, wurde Kerstin durch ihre Großmutter gerettet, die mit ihrer Krücke auf den Malaysier einschlug, der dann wieder verschwand. Kerstin erstattete Anzeige. Doch die Polizei sah keinen Grund, die Anzeige weiterzuverfolgen, obwohl ein Arzt die Würgemale attestierte und alle Anzeichen für eine gefährliche Körperverletzung gegeben waren. Kerstin: „Die Polizei hat mich 1994 nicht ernst genommen.“ 1996 lernte Kerstin Kistowski, inzwischen 27 Jahre alt, den britischen Militärangehörigen Dave McNichol kennen, der in der Muna in Wulfen stationiert war. Ihn heiratete sie ein Jahr später. Erinnert wurde Kerstin an die vergangene Zeit mit dem brutalen Ex-Liebhaber, als sie als Zeugin vor Gericht aussagen musste. Der Malaysier hatte seine Frau getötet und eine langjährige Freiheitsstrafe erhalten.

Sie fand in ihrer Ehe die Ruhe, über ihre Leben zu schreiben

In der Ehe mit McNichol war Kerstin sehr glücklich. Die Familie verzog 2006 mit ihren zwei Kindern von Dorsten nach Cambridge in Großbritannien. Dort fand Kerstin McNichol die Ruhe und innere Bereitschaft, ihr Leben zu überdenken und darüber zu schreiben. Ihre erlebten Probleme verarbeitete sie in Geschichten und Romanen, Thriller und Krimis. Sie schrieb sich alles von der Seele und veröffentlichte es in Bücher und Hörbüchern: „Die Ewigkeit dauert ein Jahr“ (2013), neu erschienen 2020, „Geist-Sprung“ (2016), „Von Angst beherrscht“ (2018), „Ruled by Fair“ (engl., 2019), „Allegras Fluch“ (2020). Dieses Buch war der Siegertitel beim Gänsehaut-Wettbewerb 2020.

„Ich versuche Einblick in die empfundene Scham des Opfers zu geben“

Besonders nahegehend ist ihr 2022 erschienenes Buch „Die Ewigkeit dauert ein Jahr. Lügenherz vergeht –  Angst besteht“. Selbstkritisch erzählt die Autorin ihre eigene Beziehungsgeschichte und hinterfragt, wann sie hätte merken müssen, dass nicht nur alles Lüge war, sondern es auch noch tödlich enden würde. Die Anzeichen dafür waren früh genug da. Die Autorin: „Leider sind traumatische Beziehungsgeschichten keine Seltenheit, daher hoffe ich, mit meinem Beitrag sowohl Betroffene als auch deren Familie und Freunde helfen zu können. Viele fühlen sich hilflos, weil Sie nicht wissen, wie Sie nachfragen sollen. Ich versuche einen Einblick in die empfundene Scham des Opfers zu geben. Die Menschen, die das Buch gelesen haben, „haben mir gesagt, dass ihnen das Buch Mut gemacht hat“. – Doch die Angst vor dem ehemaligen Freund und Lebenspartner ist immer noch nicht vergangen. Zu Claudia Engel von der „Dorstener Zeitung“ sagte die 53-Jährige: „Er ist nach Verbüßung seiner Haftstrafe nach Malaysia aus Deutschland ausgewiesen worden und ich hoffe, er bleibt auch da … Ich weiß, wozu er fähig ist.“

Siehe auch: Amal


Quellen: Claudia Engel „Dorstenerin machte traumatische Erfahrung: Ihr Freund wollte sie töten“ in DZ vom 8. März 2022. – Website von Kerstin McNichol (Aufruf 2022). – verschiedene Veröffentlichungen von Verlagen (Aufruf 2022). – Foto: DZ

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