Baukhage – Maler und Modell I

Gerd Baukhages Frühwerk „Marktplatz 1890“ hängt im Alten Rathaus

Im so genannten Kunstbesitz der Stadt Dorsten befinden sich unter vielen anderen zwei Gemälde, die im übertragenden Sinne besonders mit Lokalkolorit versehen sind. Gerd Baukhages „Marktplatz 1890“ und Elias Büskens Porträt des Bürgermeister Alexander Wilhelm Napoleon de Weldige-Cremer. – Der 1911 in Herne geborene Künstler Gerd Baukhage malte das Bild in den 1940er-Jahren. Das genaue Jahr ist unleserlich. Er zeichnete das Bild mit einem B. Es stellt den Dorstener Marktplatz an einem Markttag des Jahres 1890 dar. Als „Modell“ diente ihm ein Foto aus diesem Jahr, das er mit Pinsel und Palette in Farbe umwandelte. Damit ist ihm eine gute künstlerische Umsetzung sowohl stilistische wie auch von der Wirkung des Motivs auf den Betrachter gelungen. In diesem Stil malte Baukhage noch in den ersten Jahren nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft. Doch schon bald wechselte er zur modernen Kunst, Pop-Art und Informel. Wer diese Arbeiten kennt und dann vor seinem Bild vom Dostener Marktplatz steht, der fragt sich, ob das signierte B tatsächlich für Baukhage steht. Doch es steht. Das 100 x 94 cm große Bild kam Ende der 1960er-Jahre in den Besitz der Stadt, hing jahrelang im Heimatmuseum im Alten Rathaus, praktisch am Ort des Bildgeschehens, bis sich in den 1980er-Jahren Stadtdirektor Dr. Karl-Christian Zahn das Bild in sein Amtszimmer holte. Heute ist es wieder im Alten Rathaus zu sehen.

Das Leben und künstlerische Wirken Gerd Baukhages

Das Modell – Foto von 1890

Gerd Baukhage wurde 1911 als viertes von fünf Kindern des Architekten Hugo Baukhage und seiner Frau Magdalene Leonore (geb. Sprenger) geboren. Als Architekturstudent besuchte er die Technische Hochschule München bis 1932 und anschließend die Kunstakademie Düsseldorf. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 ging Baukhage in die Schweiz. 1939 kehrte er aus Rücksicht auf seine Familie nach Deutschland zurück, wurde zum Militärdienst eingezogen und geriet 1945 in sowjetische Gefangenschaft. Erst 1949 konnte er zurückkehren. Nach dem Krieg zog Baukhage nach Köln und unternahm verschiedene Reisen im Mittelmeerraum. 1968 heiratete er die Ärztin Maria Theresia Solbach. 30 Jahre später malte er sein „Letztes Bild“, denn Baukhage erblindete, Er starb 1998 in Köln. Im Jahr 2006 wurde in Köln-Lövenich eine Straße nach ihm benannt, der „Gerd-Baukhage-Bogen“.

Vom Genre der Landschaftsmalerei hin zur Stilsprache der Anklage

Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft nach Köln beschrieb Baukhage zunächst mit Pinsel und Farben die Kölner Trümmerlandschaft in der Art der Landschaftsmalerei seiner frühen Jahre. Daneben entwickelte Baukhage seinen eigenständigen Weg hin zur modernen Kunst. Zeugnis für abstrakte Anklänge ist z. B. ein 1959 entstandenes „Stillleben“. Die frühen Schrift- und Zeichensprachenbilder Baukhages (z. B. „Schriftbild“ von 1965) sind durch die Begegnung mit den archaischen Kulturen und Siedlungsformen in Italien während seiner Reisen entstanden. Seit den 1960er Jahren setzte sich Baukhage dank des aufblühenden Kunst- und Galerielebens in Köln auch mit den aus Amerika kommenden zeitgenössischen Kunstströmungen wie der Pop-Art, der Art Brur und dem Informel auseinander, die seine künstlerische Gestaltungsweise jedoch kaum tangieren konnten. Baukhages Motivwelt besteht aus von Mensch und Natur geformten Gegenständen, die er stark vergrößert komponierte. Farbe trug er nicht nur glatt mit dem Pinsel auf, sondern spritzte sie auch mit einem kleinen Zerstäuber auf. So entstand z. B. 1968 „Violetter Knopf auf Ziegel“, wo sich sein Gespür für die zurückhaltende Schönheit geformten und von ihm stilllebenhaft komponierten Materials manifestierte. 1968 richtete die Kreissparkasse Dorsten in der Kassenhalle eine große Baukhage-Ausstellung aus.

Ausstellungen auch in Berlin, Aachen, Karlsruhe und Seoul

Mit den furchtbarsten Ergebnissen menschlicher Versperrungen, mit Gewalt, Folter, Hinrichtung und Massenmord beschäftigt er sich 1972 in der Serie mit „Hinrichtungsmaschinen“, darunter ein „Verbrennungsofen KZ Nordhausen“ (1971) im Besitz des Kölnischen Stadtmuseums. Diese Bilder klagen durch ihre erstaunlich unprovokante Art in fast dokumentarischer Stilsprache an und sprechen damit auch vom gesellschaftspolitischen Engagement des Künstlers. Aus Leid und diesen menschlichen Versperrungen entstanden in den 1970er-Jahren die „Versperrungen“ als Stillleben und Trompe-l’œil. Eine Ausstellung mit diesem Titel in der Neuen Galerie – Sammlung Ludwig in Aachen 1974 verschaffte ihm den endgültigen künstlerischen Durchbruch. Die „Versperrungen“ sind Ölgemälde, in denen er das Erscheinungsbild von Schwemmgut, abgenutzten Holzbohlen und Nägeln, die er auch auf seinen Spaziergängen am Rhein in Köln aufsammelte, zu großformatigen Stillleben verarbeitete. Er sieht in der „Versperrung“ die Situation des Menschen, die er öffnen möchte. Die Stadt Herten widmete ihm und drei weiteren Künstlern 1950 eine Ausstellung unter dem Titel „Vier Malerpersönlichkeiten“. In Recklinghausen waren seine Bilder 1958 und 1990 in der Städtischen Kunsthalle zu sehen. Dazwischen lagen annähernd 30 meist Einzel-Ausstellungen in Köln, Frankfurt. Bonn, Kassel, Nürnberg, Berlin, Aachen, Karlsruhe – und im südkoreanischen Seoul.

Siehe auch: Büsken – Maler und Modell II – Elias Büsken/Alexander de Weldige um 1850

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