Jugendamt (Essay)

In Einzelfällen gab es immer wieder berechtigte Kritik – auch Pauschalkritik

Kinder werden zu Akten

W. St. – Das Jugendamt ist ein Teil der Kommunalverwaltung, deren rechtliche Grundlagen im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) festgeschrieben sind. Danach muss jeder örtliche Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe ein Jugendamt errichten. Die Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe werden durch Landesrecht bestimmt. In der Kritik der Medien an der Institution „Jugendamt“ werden insbesondere die oftmals zu knappe Personalausstattung und die Professionalität der Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste in Frage gestellt. Einerseits wird der Anspruch an das Jugendamt herangetragen, dass es Ausfallbürge für Versorgungsdefizite der aktuellen Gesellschaftspolitik sein soll, andererseits wird es aber gerne als Projektionsfläche genau dafür genutzt. Dies wird daran deutlich, dass aus Einzelfällen kontinuierlich eine Pauschalkritik gegen das Jugendamt abgeleitet wird. Aber auch berechtigte Einzelkritikern.

Jugendliche den Familien weggenommen und ins Ausland gebracht

Monitor berichtete über Jugendämter

Im Dorsten Jugendamt gab es 2015 einen medienweit Aufsehen erregenden Skandal um das Kind „Paul“, bei dem sogar die Staatsanwaltschaft ermittelte, das Verfahren allerdings einstellte. Den Jungen hat das Jugendamt in Ungarn bei Pflegeeltern auf einem verwahrlosten Bauernhof untergebracht. Dafür zahlte das Jugendamt monatlich 7000 Euro, von denen aber nur etwa 800 Euro beiden Pflegeeltern in Ungarn ankamen. Der Rest verblieb bei windigen Firmen in Deutschland. „Monitor“: berichtete darüber u. a.: „Paul lebte im Heim, seit er sechs Jahre alt war. Seine depressive Mutter konnte sich wegen ihrer schweren Depressionen nicht mehr um ihn kümmern. Stattdessen wollten Verwandte für das Heimkind sorgen. Regelmäßig trafen sie sich mit Paul. Alles sah gut aus. Paul kam sogar aufs Gymnasium. Aber schon kurz danach nahm ihn das Dorstener Jugendamt von der Schule, schickte ihn nach Ungarn.“ – Dorsten-transparent wird diese Geschichte in Kürze in seiner Gesamtheit darstellen.

Aktenpanne: Zu wenig Personal im Dorstener Jugendamt

In Höfe wurden Kinder gebracht (Ungarn)

Ein ähnlicher Fall ist zeitgleich in Gelsenkirchen bekannt geworden (siehe den Beitrag in diesem Lexikon: Paul – auch eine Art von Missbrauch). Ein Mädchen namens Anita wurde bei Pflegeltern in Polen untergebracht, 5500 Euro bezahlte das Jugendamt jeden Monat für das Mädchen. Nur etwa 600 Euro bekamen die Pflegeeltern in Polen. Der Rest verblieb bei ebenfalls bei windigen Firmen in Deutschland, an denen in diesem Fall Mitarbeiter des Jugendamts beteiligt waren. In Bochum sollen zu diesem Zeitpunkt 21 Kinder bzw. Jugendliche als Erziehungsmaßnahme vom Jugendamt und beteiligten Kinderpsychiatern ins Ausland untergebracht worden sein. Zudem hatte das Jugendamt Dorsten 2012 durch nicht fristgerechte Bearbeitung von Akten der Stadt einen Schaden in Höhe von 345.000 Euro verursacht und begründete dies mit dem Hinweis auf zu wenig Personal. Auch das Jugendamt in Worms geriet im Zusammenhang mit den „Wormser Missbrauchsprozessen“ in die bundesweite Kritik, weil es trotz Freispruchs aller Angeklagten vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs „wegen erwiesener Unschuld“ 1997 die sofortige Rückkehr der in Kinderheimen untergebrachten betroffenen Kinder zu ihren Eltern untersagte und im Falle der sechs Kinder jeglichen Kontakt zu den als unschuldig sich herausgestellten Eltern dennoch unterband.  Der Petitionsausschuss des Europaparlaments hat zahlreiche Petitionen gegen die Institution „Jugendamt“ aus dem Jahre 2006, 2007 und 2008 für zulässig erklärt und behandelt das Thema anhand beispielhafter Fälle mit Anhörungen.

Geschichte des Jugendamts in Deutschland beginnt erst um das Jahr 1900

In der Obhut des Jugendamts

Ein Blick in die Geschichte der staatlichen bzw. städtischen Jugendhilfe zeigt, dass sie erst um die Wende des 20. Jahrhunderts im preußischen Kaiserreich einsetzte. In dieser Zeit wurden in der Fachöffentlichkeit die Vereinheitlichung der organisatorisch zersplitterten Jugendhilfe sowie die Übernahme staatlicher Verantwortung für die Erziehung der Jugend gefordert. Zur Erreichung dieser Ziele schien das selbstständige Jugendamt die geeignete Organisationsform zu sein. Eine Reihe von Städten begann deshalb bereits zwischen 1900 und 1910, die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt in einer kommunalen Behörde zusammenzuführen, so z. B. Hamburg, Dresden, Düsseldorf und Mainz. Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz griff diese Entwicklungen auf. Es wurde am 14. Juni 1922 verabschiedet. Zum 1. April 1924 sollte es in Kraft treten. Es verpflichtete die Landkreise und kreisfreien Städte zur Errichtung von Jugendämtern. Das Gesetz bestimmte damit neben den Aufgabenbereichen der öffentlichen Jugendhilfe (Fürsorgeerziehung, Armen- und Pflegekinderwesen und Kinder- und Jugendpflege) auch deren Organisationsstruktur. Es legte auch das Prinzip der kollegialen Behörde fest, das die Einbeziehung freier Träger und in der Jugendhilfe erfahrener Personen als stimmberechtigte Mitglieder im Jugendamt vorsah.

Wirtschaftliche Notlage des Reiches verhinderte die Umsetzung

Das Gesetz wurde allerdings nicht wie vorgesehen umgesetzt, insbesondere was die darin enthaltenen Leistungsansprüche betraf. Im Februar 1924 wurde wegen der inflationsbedingten Krise der öffentlichen Kassen mit der Änderung des Einführungsgesetzes zum RJWG ein Teil der Regelungen schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes außer Kraft gesetzt. Dies galt auch für die Pflicht zur Errichtung von Jugendämtern. Zu den wesentlichen Leistungen des Gesetzes gehörte weiterhin die Festschreibung eines Anspruchs auf Erziehung für „jedes deutsche Kind“ (§1 RJWG), die Zusammenführung von Aufgaben der Jugendwohlfahrt sowie die Regelung des Verhältnisses von öffentlicher und freier Jugendhilfe im Sinne der Subsidiarität.

Rassehygienisches Ausleseverfahren im Nationalsozialismus

Jugendfürsorge: die Hölle

Während der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 wurden den Jugendämtern wesentliche Aufgaben entzogen und der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ oder der Hitlerjugend zugewiesen. Erbbiologische und rassehygienische Ausleseverfahren bestimmten die Arbeit dieser Organisationen. Das eigenständige Erziehungsrecht des Kindes galt nicht länger, es wurde durch die „Erziehung zur deutschen Volksgemeinschaft“ ersetzt. Heranwachsende Jungen und Mädchen wurden in der Hitlerjugend bzw. im Bund Deutscher Mädel zwangsorganisiert und damit unter die Kontrolle des Staates gestellt. Ab 1939 wurde die Geschäftsführung der Jugendämter, die nur noch als Rumpfämter existierten, den Bürgermeistern und Landräten übertragen. Nach 1945 setzten die westlichen Alliierten das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, wie es vor 1933 bestanden hatte, in wesentlichen Teilen wieder in Kraft. Von 1947 bis 1953 waren die Jugendämter in den Städten dem Innenministerium zugeordnet. Danach wurden wesentliche Bestandteile des 1922 verabschiedeten Gesetzes wieder aufgegriffen und die öffentliche Jugendhilfe wieder in die Selbstverwaltung der Kommunen überführt. Die Einrichtung von Jugendämtern, die seither aus der Jugendamtsverwaltung und dem Jugendhilfeausschuss bestehen, wurde wieder vorgeschrieben. Im Jahr 1961 kam es zu einer weiteren Novellierung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetztes, das nun Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) genannt wurde. Die Gesetzesnovelle führte erstmals individuelle Rechtsansprüche auf Leistungen der Jugendhilfe ein und stärkte die Position der freien Träger. Mit dem Inkrafttreten des „Kinder- und Jugendhilfegesetztes“ (KJHG) 1991 wurde die politische und fachliche Kritik an der Kontroll- und Eingriffsorientierung des Jugendwohlfahrtsgesetztes aufgenommen und ein Leistungsgesetz für Kinder, Jugendliche und ihre Familien geschaffen, das auf Unterstützung und Hilfsangebote setzt. Mit diesem Paradigmenwechsel durch das KJHG hat sich die Rolle des Jugendamtes deutlich gewandelt. Die Leistungsverpflichtung liegt heute überwiegend bei den Kommunen; die Angebote sollen im Wesentlichen von den freien Trägern erbracht werden. Das Jugendamt bleibt in seiner Doppelstruktur – bestehend aus Verwaltung und Jugendhilfeausschuss – erhalten.

Organisation des Jugendamtes in der Bundesrepublik

Literatur über Jugendämter

Nicht jedes Jugendamt trägt auch diesen Namen. Viele Kommunalverwaltungen haben ihren Jugendämtern Namen wie „Fachbereich Jugend“ oder „Amt für Kinder, Jugend und Familie“ gegeben oder auch durch Zusammenlegung ein „Amt für Jugend und Soziales“ gegründet. Organisationsstruktur und Aufgaben des Jugendamtes aber bleiben immer gleich, weil sie in einem Bundesgesetz verankert sind. Das Jugendamt setzt sich, anders als andere kommunale Behörden, aus zwei Teilen zusammen: aus der Verwaltung des Jugendamtes und aus dem Jugendhilfeausschuss. Diese besondere Konstruktion firmiert unter dem Begriff Zweigliedrigkeit und ist Folge der seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts vertretenen Auffassung, dass ein Amt für Kinder und Jugendliche einer Mitwirkung von außen bedarf. So wird sichergestellt, dass nichtstaatliche Organisationen und die Fachpolitik in allen Jugendhilfefragen direkte Beteiligungs- und Mitgestaltungsrechte haben. Der Jugendhilfeausschuss hat die Aufgabe, auf die Probleme von jungen Menschen und Familien zu reagieren, Anregungen und Vorschläge zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe aufzunehmen sowie die örtlichen Jugendhilfeangebote zu fördern und zu planen. Die Verwaltung des Jugendamtes führt die Geschäfte der „laufenden Verwaltung“. Sie setzt die Beschlüsse des Stadtrates sowie des Jugendhilfeausschusses um und nimmt die unten beschriebenen Aufgaben wahr. Die Dienst- und Fachaufsicht über die Jugendämter liegt, wie bei anderen kommunalen Behörden auch, beim Chef der Verwaltung. In den Städten ist das der Bürgermeister.

Aufgaben des Jugendamtes

Als öffentlicher Jugendhilfeträger ist das Jugendamt für die Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben der Jugendhilfe zuständig. Diese umfassen „Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien“. Das Jugendamt hat die Gesamtverantwortung für die Planung, die Steuerung und die Finanzierung der Aufgaben sowie für deren Umsetzung und ist gegenüber den Leistungsberechtigten verantwortlich für die Erfüllung der gesetzlich geregelten Aufgaben. Das Jugendamt kann die Leistungen in eigener Verantwortung umsetzen, es kann sie aber auch auf freie Träger delegieren. Das Jugendamt soll Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen.

Leistungen des Jugendamtes

Leistungen der Jugendhilfe sind soziale Dienstleistungen, die von den Leistungsberechtigten in Anspruch genommen werden können. Sie umfassen allgemeine Förderangebote für junge Menschen und Familien ebenso wie individuelle Leistungen für Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und ihre Eltern. Zu dem Leistungsangebot, für das die Jugendämter verantwortlich sind, gehören u. a. Förderung von Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, der erzieherische Kinder- und Jugendschutz, die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Mütter und Väter in besonderen Lebenssituationen, die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege. Hilfen zur Erziehung wie Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe, Vollzeitpflege, Heimerziehung u. a. Mit diesen Angeboten unterstützt das Jugendamt Eltern und Erziehungsberechtigte bei der Erziehung, Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen. Konkret bedeutet dies, dass Jugendämter z. B. dafür sorgen, dass vor Ort ausreichend Jugendeinrichtungen und Jugendfreizeit zur Verfügung stehen und die Das Jugendamt selbst muss mit entsprechendem Fachpersonal ausreichend  ausgestattet sein.

Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen bei dringender Gefahr

Wegnahme eines Kindes durch die Behörde

Jugendämter dürfen und müssen unter bestimmten Voraussetzungen eine Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durchführen. Dies ist dann der Fall, wenn das Kind oder der bzw. die Jugendliche darum bitten, in Obhut genommen zu werden oder eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des bzw. der Jugendlichen dies erfordert. Findet eine Inobhutnahme gegen den Willen der Sorgeberechtigten statt, muss das Jugendamt eine Entscheidung des Familiengerichts einholen. Die Zahl der jährlichen Inobhutnahmen lag 2005 bei rund 25.664 und stieg bis zum Jahr 2014 kontinuierlich, auf 48.059 an. Die Kosten verdoppelten sich in dieser Zeit auf inzwischen neun Milliarden Euro pro Jahr. Weitere Aufgabengebiete der Jugendämter sind u. a.: Mitwirkung von Amts wegen an gerichtlichen Verfahren bei Kindeswohlgefährdung (seit dem 1. Januar 2013), eigenes Beschwerderecht uni beratende Beteiligung bei Jugendstrafverfahren durch die Jugendgerichtshilfe. Das Jugendamt kann auch zum  Vormunds oder Pfleger eines Minderjährigen bestellt werden (Amtsvormundschaft, Amtspflegschaft), und ist dann gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen. Zur Unterstützung bei der Vaterschaftsfeststellung und der Unterhaltsverpflichtung wird das Jugendamt auf Antrag des sorgeberechtigten Elternteils als Beistand tätig.

Jugendämter holten so viele Kinder aus Familien wie seit Jahren nicht

Die Jugendämter im Kreis Recklinghausen haben 2017 über 200 Kinder aus ihren Familien geholt. Das ist der höchste Wert seit Jahren, melden die Landesstatistiker. Fast 1.200 Mal haben die Ämter Hinweise bekommen, das Kinder Zuhause geschlagen oder misshandelt werden. 207 Mal hat sich der Verdacht auf so genannte „akute Kindeswohlgefährdung“ bestätigt. Fast jeder dritte Hinweis kam von Richtern, Staatsanwälten oder Polizisten. Die meisten Kinder, die aus den Familien geholt wurden, waren zwischen 10 und 17 Jahre alt;  jedes vierte Kind war noch jünger als drei Jahre.

2019: Über 500 Kinder in Dorsten sind seelisch krank – Tendenz steigend

Immer mehr Kinder benötigen kostenintensive Hilfeleistungen bei seelischen Erkrankungen. Landesweit gibt es seit 2011 einen kontinuierlichen Anstieg. Dies bewirkte einen bisherigen Anstieg der aufzubringenden Kosten durch die Städte von 6 auf 13 Prozent. In Dorsten waren am Jahresende 2019 rund 500 Kinder seelisch erkrankt und benötigten Hilfe. Die Stadt zahlte 11,4 Millionen Euro für Hilfen zur Erziehung. Im Jahr 2017 waren es noch 386 Hilfen zur Erziehung gewesen. Dies entspricht zunächst dem landesweiten Trend. Besonders stark ist die Zunahme von Hilfen nach §35a SGB VIII im Rahmen der Eingliederungshilfe. Dies sind Schulbegleitungen, Therapiemaßnahmen und hoch spezialisierte Hilfen für Kinder, die von einer seelischen Behinderung bedroht oder betroffen sind. Diese Hilfen sind besonders kostenintensiv. Die ebenfalls kostenintensiven stationären Unterbringungen bewegen sich zwischen 100 und 120 Fällen. Hier gibt es keine signifikante Steigerung.

Jugendamt hat bis Mitte 2021 schon 31 Kinder in Obhut nehmen müssen

Ein Drittel der gemeldeten Kindeswohlgefährdungen mündete in einer Inobhutnahme. Im Jahr 2020 waren es 32. Für die ersten fünf Monate dieses Jahres 2021 meldet das Dorstener Jugendamt bereits 31 Fälle von Kindern und Jugendlichen, die kurz- oder mittelfristig der Obhut ihrer Eltern entzogen und außerhalb der Familie untergebracht wurden – fast exakt genauso viele wie im ganzen Jahr 2020. Die 31 Inobhutnahmen machen rund ein Drittel aller Kindeswohlgefährdungen aus, die seit Januar beim Jugendamt eingegangen sind. 92 Verdachtsfälle wurden gemeldet.

Erhalt der Familien ist das oberste Ziel

Nicht immer ist das oberste Ziel des Kinder- und Jugendschutzes der Erhalt der Familien. Manchmal ist allerdings nur ein kurzer Aufenthalt außerhalb der Familie erforderlich, manchmal braucht eine Familie aber auch eine längere Zeit, um aus der Schieflage herauszukommen. Stets versucht das Jugendamt gemeinsam mit Eltern und Kindern zu einer Lösung zu kommen, bei der die Familie am Ende zusammenbleibe könne. Wie lange Kinder in fremder Obhut bleiben müssen, ist unterschiedlich. Es kommt zum Beispiel vor, dass Jugendliche selbst zum Jugendamt kommen und dort erklären, keinen Schritt mehr nach Hause tun zu wollen. Dann werden die Jugendlichen erstmal für eine Nacht untergebracht und am nächsten Tag gemeinsam mit den Eltern eine Lösung gesucht. Plätze für Kinder und Jugendliche in Dorsten zu finden, ist nicht problematisch. In der Regel sollen Kinder und Jugendliche ihr gewohntes Umfeld aus Schule und Vereinen behalten, manchmal sei aber auch eine größere räumliche Distanz zur Familie notwendig, dann sucht das Jugendamt einen Obhutsplatz außerhalb. Im Gegenzug nehme Dorsten natürlich auch „Fälle“ aus anderen Städten auf. Zum Beispiel schicken andere Städte Mütter und Babys ins Dorstener Mutter-Kind-Heim. Wenn dann doch mal eine überforderte junge Mutter ihr Baby dort zurücklässt, veranlasst das hiesige Jugendamt die Inobhutnahme des Kindes, auch wenn die Mutter aus einer anderen Stadt kommt. Die Corona-Pandemie 2020/21 ist eine belastende Zeit für alle. Kurzarbeit, Job-Verlust, Homeschooling, Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren – die Liste der belastenden Faktoren ist lang. Die Kinderschutzfachkräfte des Jugendamtes und anderer Träger werden damit noch lange zu tun haben.

2022 entstand ein Millionen-Defizit im Haushalt des Jugendamts Dorsten

Das Dorstener Jugendamt wies im Budget für 2022 ein Millionen-Defizit auf. Über die Gründe berichtete die „Dorstener Zeitung“. Im Januar 2023 befasste sich der Haupt- und Finanzausschuss mit den überplanmäßigen Auswendungen und Auszahlungen des Jugendamts in voraussichtlicher Höhe von 2,935 Millionen Euro und mit Vorschlägen für den Ausgleich. Rund die Hälfte der Summe, 1,512 Millionen Euro, konnte durch Mehrerträge im Budget des Jugendamts gedeckt werden. Die fehlenden 1,423 Millionen Euro sollten den Mehrerträgen bei der Gewerbesteuer entnommen werden. Das Minus entstand durch Mehraufwendungen bei der Tagesbetreuung für Kinder (1,935 Mio. Euro) sowie bei Hilfen für junge Menschen und ihre Familien (1 Mio. Euro). Bei den Kindertagesstätten sorgten die Erhöhung der Gesamtplatzzahl, die Umstrukturierung von Gruppen sowie eine Steigerung der Anzahl behinderter Kinder für zusätzliche Kosten. Zum Teil mussten auch Landesmittel zurückgezahlt werden – etwa beim Programm „Alltagshelfende“. Das war eigentlich im ersten Halbjahr 2021 vorgesehen, doch der Bewilligungsbescheid wurde erst am 25. Februar ausgestellt. Für Januar und Februar konnte deshalb noch kein Personal eingesetzt werden. Dadurch konnten auch nicht alle für 2021 beantragten Mittel genutzt werden – 240.000 Euro wurden zurückgezahlt. Auch für Kita-Plätze, die von Dorstener Kindern in anderen Kommunen belegt wurden, musste ein Ausgleich gezahlt werden: 120.000 Euro. Bei der Tagespflege ergaben sich unter anderem durch mehr betreute Kinder sowie die Erhöhung der Stundensätze Mehraufwendungen in Höhe von 118.000 Euro.
Bei den Hilfen für junge Menschen und ihren Familien waren rund 220.000 Euro weniger als erwartet für teilstationäre und stationäre Hilfen zu zahlen. Die Kosten stiegen hingegen bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen um 782.000 Euro im Vergleich zum Haushaltsplan. Mehr als geplant mussten 437.000 Euro anderen Jugendämtern erstattet werden.

2022: Mehr Kinder gefährdet – NRW-Jugendämter mussten eingreifen

Nie zuvor waren die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen so oft wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdungen auf den Plan gerufen worden wie 2022. Fast 57.000 Mal mussten die Jugendschützer entsprechende Fälle prüfen. Damit sei die Zahl der Gefährdungseinschätzungen mehr als doppelt so hoch gewesen (plus 102,7 Prozent) als zu Beginn dieser Aufzeichnungen im Jahr 2012, teilte das Statistische Landesamt im Juli 2023 in Düsseldorf mit. In fast 14.500 Fällen sei entweder eine latente oder sogar eine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt worden. Dabei seien Mädchen (7265 Verfahren) und Jungen (7146 Verfahren) annähernd gleich häufig betroffen gewesen. Vernachlässigungen waren demnach mit einem Anteil von rund 42 Prozent oder 7646 Verfahren das häufigste Anzeichen von Kindesgefährdungen (dpa).

Siehe auch: Jugendamt – Inobhutnahme (allgemeine Information)
Siehe auch:
Jugendamt/Aktenpanne 2012
Siehe auch: Kinder- und Jugendhilfe
Siehe auch: Landes- und Erziehungsheim Kreskenhof


Quellen: Nach Wikipedia (Aufruf 2017; Jugendamt). – WDR-Sendung MONITOR vom 30. April 2015. – Die Story vom Febr. und Mai 2015. – Dr. Volker Steude in „Aktuelles“ 20. Nov. 2015. – Claudia Engel in DZ vom 6. JUli 2020. – Petra Berkenbusch in DZ vom 3. Juni 2021. – ber in DZ vom 18. Jan.2023.


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