In ihrer Prosa und Lyrik öffnet sie dem Leser den Blick auf vielfältiges Leben
Geboren 1930 in Gelsenkirchen; gelernte Krankenpflegerin, Diplom-Kosmetikerin, studierte Sozialpädagogin, Kunstgewerbegeschäftsinhaberin, bildende Künstlerin und Literatin. – Sie lebt seit 1980 in Dorsten, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seit 1993 ist Brigitte Wiers Mitglied des Literarischen Arbeitskreises Dorsten (LAD) und hat mehrere Prosa- und Lyrikbände veröffentlicht, zuletzt 2018 „Mutter, was ist Krieg“, eine Sammlung von Episoden der Kriegsjahre aus ihrem 2007 erschienenen Roman „Wer wohnt schon in der Ziethenstraße?“, der die Situation in Gelsenkirchen schildert. 2016 erschien der vielbeachtete Erzählband „Nachtgesänge“, eine Sammlung ernster, lyrischer und heiterer Erzählungen über verschiedene Bereiche des Lebens. Die Erzählungen und „Gedankensplitter“ in diesem Band spiegeln die vielfältigen Facetten des Lebens wider – ernste und heitere, tragische und skurrile. Sie erlauben einen Blick in fremde Welten, über Grenzen hinweg, in verschiedene Zeiträume und auf die bunten Seiten des Lebens. Dazu Brigitte Wiers: „Seit ich angefangen habe zu schreiben, bin ich auch gestalterisch tätig gewesen. Gerade bei Collagen mit Fundstücken faszinieren mich die Magie und die Sinnlichkeit der Materialien, die völlig neue Formen und Aussagen annehmen können. Für mich gehen Kunst und Literatur oft eine neue Symbiose ein. Daher habe ich den vier Bereichen, in die meine Erzählungen und Gedankensplitter eingeteilt sind, die Abbildung einer Collage von mir vorangestellt. Das Titelbild zu dem Buch „Nachtgesänge“ zeigt in Form einer Collage Fotos von mir in verschiedenen Alterstufen. Der handgeschriebene Text darauf heißt: Was war, was ist, was wurde, was wird wann sein, wo wird ich dann sein.“
Als junges Mädchen Krieg und Bombennächte in Gelsenkirchen erlebt
Brigitte Wiers kam 1930 in Gelsenkirchen als jüngstes von sechs Kindern zur Welt. Ihr Vater, ein Hobbymaler, öffnete ihr die Augen für Formen und Farben, ihre Mutter führte sie in die Welt der Bücher ein. Die Gedichte ihres Großonkels Christoph Wieprecht, eines Arbeiterdichters, lernte sie im Deutschunterricht auswendig. Sie hat in den schwierigen Jahren des Nationalsozialismus und des Kriegs ihre Kindheit und Jugend erlebt. In ihren Erinnerungen haben sich die Bombennächte im Ruhrgebiet mit ihren Schrecken eingegraben. Auch die Einberufung der Brüder und ihrer Freunde an die Front erlebte sie als einen Albtraum mit. Doch das Leben ging weiter mit all seinen Wünschen, Träumen und Hoffnungen, aber auch mit Entbehrungen und Ängsten, mit Trauer, Verzweiflung und Wut. Und dann die Nachkriegszeit: Vieles war zerstört, vieles musste neu aufgebaut werden. Nur langsam kehrten die ehemaligen Soldaten aus der Gefangenschaft zurück, so manche aber sollten nie wiederkehren. Mit Begeisterung las Brigitte Wiers als junges Mädchen die Dramen und Lustspiele von Goethe, Schiller, Lessing, Shakespeare und anderen Klassikern, die sie in der Bücherkiste ihrer ältesten Schwester fand, einer angehenden Schauspielerin. Ihre ersten Gedichte schrieb Brigitte Wiers in England, wo sie sich kurz nach dem Krieg zur Krankenpflegerin ausbilden ließ.
Sie förderte in den 1980er-Jahren die deutsch-türkischen Kontakte in Marl
Anfang der 1980er-Jahre kursierten in den Städten des Kreises Recklinghausen und somit auch in Dorsten öffentlich antitürkische Ressentiment. Diese richteten sich an den Status der Gastarbeiter, ihrer Familienzusammenführung, ihrem fremdländischen und fremdreligiösen Gebaren. In der Hervester Zechensiedlung wurden beispielsweise Wohnhäuser bemalt, in denen Türken wohnten. In Marl war es auch so. Dort wurde 1982 eine Initiative zu diesem Thema gestartet, die von der Wulfenerin Brigitte Wiers ausging. Die damals 54-jährige pädagogische Fachberaterin für Kindergärten im Marler Jugendamtbegnügte sich nicht mit regelmäßigen Kontakten zu türkischen Mitbürgern, deren Kinder sie seit 1977 mit Kindergartenplätzen versorgte. Brigitte Wiers reiste mehrmals in das Heimatland ihrer Schützlinge und nahm jeweils mehrere Sozialwissenschaftler, Sozialpädagogen, Lehrer und Erzieher 1982, 1983 und 1985 in Türkei mit. Dabei wurden bereits geknüpfte Kontakte vertieft, neue Menschen und die Kultur des europäisch-asiatischen Landes kennengelernt.
Die Wulfenerin Brigitte Wiers bereitete jedes Mal ein großes und originelles Programm vor. Sie schrieb die Bürgermeister der Städte an, die besucht werden sollten und versuchte über Regierung und Freunde auch Sonderwünsche durchzusetzen. Dass sogar Unmögliches möglich wurde, erlebte sie bei ihrer ersten Reise durch die Mitteltürkei. Der geplante Abstecher in die einzige Steinkohlebergbaustadt am Schwarzen Meer, Zonguldak, in der damals über 50 Prozent der Marler Türken zu Hause waren, wurde ohne Begründung von der türkischen Militärregierung gestrichen (das Foto zeigt einen Bergarbeiter in Zonguldak). Auch die Intervention des deutschen Botschafters konnte nichts ausrichten. Während eines Empfangs in Istanbul machte sie einen neuen Versuch. Der zunächst unnahbare türkische General, der sich vor den deutschen Gästen hinter seinem großen Schreibtische verschanzt hatte, ließ sich schließlich erweiche. „Wir haben uns einfach um seinen Schreibtisch postiert, von unserer Arbeit mit seinen Landsleuten in Marl erzählt und dann unsere Bitte vorgetragen.“ Dann griff der General zum Telefon und danach durfte Brigitte Wiers und ihre Begleiter die Stadt Zonguldak betreten. Dort unangemeldet angekommen, wurden die Deutschen begeistert empfangen, wurden in die Familien in den Bergarbeiterhäuser eingeladen und nahmen am Schulunterricht teil.
Eine türkische Studentengruppe, die in Zonguldak Germanistik büffelte stattete später den neuen deutschen Freunden in Marl bereits einen Besuch ab. Überraschenderweise mussten die Deutschen feststellen, dass die jungen Türken, die aus höheren Schichten stammten als ihre in Deutschland arbeitenden Landsleute, zunächst nicht viel Verständnis für die Probleme der Gastarbeiter aufbrachten. Brigitte Wiers ließ danach den Türkischen Studenten regelmäßig die in Marl hergestellte „Deutsch-Türkische Zeitung“ zukommen.
Die Dorstenerin eröffnete im Februar 2021 das Impfzentrum im Kreis
Beim Start des Impfzentrums in Recklinghausen am 8. Februar war Brigitte Wiers aus Wulfen die Erste, die geimpft wurde, denn sie war auch die erste, die sich Wochen vorher dafür angemeldet hatte. Landrat Bodo Klimpel persönlich empfing Brigitte Wiers am Impfzentrum. Nach ihr wurden an diesem winterlichen Tag noch 399 andere Senioren geimpft.
Veröffentlicht in etlichen Anthologien
Ihren beruflichen Fortgang fand sie später als Diplomkosmetikerin, leitete ein eigenes Kunstgewerbegeschäft und studierte, als ihre Kinder größer waren, Sozialpädagogik. Danach arbeitete sie 15 Jahre beim Jugendamt der Stadt Marl als pädagogische Fachberaterin. In der gesellschaftspolitischen Aufbruchsstimmung der 1970er-Jahre, als man noch glaubte, durch Literatur die Welt verändern zu können, fand Brigitte Wiers zum Schreiben. Sie wurde Mitglied der Literarischen Werkstatt Gelsenkirchen sowie im Literarischen Arbeitskreis Dorsten und verfasste zeitkritische Reportagen und Gedichte, die in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden.
Werke: „Schrei wenn du kannst (Lyrik, 2001). – „Wer wohnt schon in der Ziethenstraße? Eine Kindheit im Revier“ (Roman, 2007). – „Flexi –Vom kleinen Vampir zum Kuscheltier“ (Erzählung, 2016). – „In der Garderobe des Lebens (Lyrik, 2016). – „Nachtagesänge“ (Erzählungen, 2016). –„Mutter, was ist Krieg?“ (Episoden, 2018). – Kein Anspruch auf Vollständigkeit
Siehe auch: LAD
Quellen: Homepage Brigitte Wiers (Aufruf 2019). – B. Fehmer in „Münsterland Zeitung“ vom 9. Nov. 2009. – Wulfen-Wiki. – Lebenslauf in Antologie– „Wort für Wort“, HW-Vewrlag 2003. – Maja Lendzian in RN vom 31. Dez. 1985.