Sozialdemokrat, Bundestagsabgeordneter, Landesminister, Top-Manager
Geboren 1943 in Berlin; Wirtschaftswissenschaftler, Hochschullehrer, Manager, Bundespolitiker und Landesminister in Hessen. – Für Dr. Ulrich Steger war seine Wulfener Zeit, die er von 1972 bis 1984 als SPD-Bundestagsabgeordneter in Barkenberg verbrachte, Sprungbrett für eine „Bilderbuch-Karriere“ in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Von 1968 bis 1971 war er Vorsitzender der Jungsozialisten und von 1975 bis 1984 stellvertretender Vorsitzender des Unterbezirks Recklinghausen, wurde 1976 mit den Arbeitsschwerpunkten Energie- und Technologie, Industrie- und Außenwirtschaftspolitik in den Bundestag gewählt. Er war Sprecher verschiedener Ausschüsse. Im Parlament vertrat er die Wahlkreise Recklinghausen-Land (1976–1980) und Recklinghausen II (1980–1984). Somit auch die Bürger der Stadt Dorsten. – Nach dem Abitur im Jahr 1964 absolvierte Steger zunächst eine Ausbildung zum Steuergehilfen und war anschließend als Zeitoffizier bei der Bundeswehr. Er studierte danach Wirtschaftswissenschaften in Münster und Bochum und beendete sein Studium 1972 als Diplom-Ökonom. Im Anschluss arbeitete er als Assistent am Seminar für Theoretische Wirtschaftslehre, ehe er 1975 an der Ruhr-Universität Bochum mit der Arbeit „Investitionshypothesen in makroökonomischen Modellen ungleichgewichtigen und zyklischen Wachstums“ promovierte (habilitiert 1991). – Das Foto zeigt das Ehepaar Dagmar und Ulrich Steger mit den beiden 1972 adoptierten vietnamesischen Kindern Chien und Thang, die dann in Andreas und Matthias umbenannt wurden. Später kam noch ein dritter Sohn hinzu.
Hessischer Staatsminister für Wirtschaft und Technik
Im Juli 1984 wurde er als hessischer Staatsminister für Wirtschaft und Technik in die von Ministerpräsident Holger Börner geführte Landesregierung berufen. Daher legte Steger Tage später sein Bundestagsmandat nieder und verlegte seinen Wohnsitz von Dorsten-Wulfen nach Wiesbaden. Der „Spiegel“ schrieb am 16. Juli 1984:
„Ulrich Steger, 40, neuer Wirtschaftsminister in Hessen, hat nach zweiwöchigem Wohnen auf Rädern in Wiesbaden zumindest vorläufig eine feste Bleibe gefunden. So lange hauste der Sozialdemokrat aus Dorsten samt Ehefrau und drei Kindern im eigenen Wohnwagen auf einem Campingplatz in der Maaraue, einem idyllisch gelegenen Fleck am Rhein bei Mainz-Kastel. Nachdem die Idylle in den Hitzetagen zur Sauna geworden war, zog die Familie am letzten Mittwoch in eine Wohnung um.“
Drei Jahre später wurde er in den hessischen Landtag gewählt, verzichtete aber auf sein Mandat. Während seiner Amtszeit als Landesminister galt er als Verfechter der Kernenergie. So unterstützte er u. a. den Bau der geplanten Produktionserweiterungen der Nuklearfirmen ALKEM und NUKEM in Hanau und geriet damit 1986 in Konfrontationskurs zu den Grünen, die seit 1985 in Hessen an einer rot-grünen Regierungskoalition beteiligt waren. 1986 verkündete er die Einsetzung einer internationalen Kommission zur Sicherheitsprüfung des Kernkraftwerks Biblis, unterstützte aber nicht den von den Grünen geforderten Atomausstieg und war somit maßgeblich am Scheitern der Koalition beteiligt. Nach der Wahlniederlage der SPD bei den Landtagswahlen 1987 und der Bildung einer Koalition aus CDU und FDP schied er am 23. April 1987 aus dem Amt des Wirtschaftsministers.
Lehrstuhl in Lausanne und Berlin, Mitglied in Aufsichträten der Wirtschaft
1987 übernahm Steger den neu eingerichteten Lehrstuhl für Ökologie und Unternehmensführung an der European Business School (bis 1994). Unter Beibehaltung des Lehrstuhls wurde er erster Umweltvorstand bei der Volkswagen AG (bis 1993), hatte mehrere Gastprofessuren, war u. a. Aufsichtsratsvorsitzender der Mitteldeutschen Kali AG. 1995 gab er seinen Lehrstuhl auf und wechselte an das renommierte Institute for International Management Development (IMD) in Lausanne, wo er den Lehrstuhl für Umwelt- und internationales Management übernahm. Prof. Steger bereicherte das MLB-Programm mit seiner großen Erfahrung in den Bereichen Politik und Regierung, Wissenschaft und Wirtschaft. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind in 17 Sprachen übersetzt worden. Während seiner Amtszeit an der Bucerius Law School nahm Professor Steger maßgeblich Einfluss auf die Entwicklung der Studieninhalte. Die Einführung Interdisziplinärer, umfassender Übungen zum Ende der Studieneinheiten und ein Schwerpunkt auf die Entwicklung von Leadership- und Managementfertigkeiten sind nur zwei Beispiele für die unmittelbare Wirkung, die Professor Steger auf das MLB-Programm ausübte. 71-jährig schied Steger Mitte 2015 aus seinem Amt als Vizedekan des Bucerius Master of Law and Business (MLB)-Programms aus.
Neben Christie-Krimis mochte er auch einen guten Rheingauer
Im Jahre 2000 ehrte ihn die TU Berlin mit einer Honorarprofessur. Von 2000 bis 2002 leitete er die Forschungsgruppe „Nachhaltige Energie Innovation“ der Europäischen Akademie. Ulrich Steger studierte in Münster und Bochum Wirtschaftswissenschaften, promovierte 1975 in Bochum der Ruhr-Universität Bochum mit der Arbeit „Investitionshypothesen in makroökonomischen Modellen ungleichgewichtigen und zyklischen Wachstums“.
Ulrich Steger ist seit 1964 verheiratet und hat drei Adoptivkinder. In seiner Freizeit liest er gern Kriminalromane und bevorzugt dabei die von Agatha Christie. Aktuell forscht Ulrich Steger als Weinkoordinator innerhalb des Conviviums permanent nach interessanten Tropfen, die in Flaschen gefüllt werden. Er treibt maßgeblich so bemerkenswerte Projekte wie den Rheingauer Slow Wine-Führer und den Roten Riesling voran. Apropos forschen und vorantreiben: Beides beherrscht Steger, wie er auch in er Politik und Wirtschaft gezeigt hat, aus dem Effeff. Steger entdeckte die Vielfalt des Weins und fand – zum Glück für das Convivium – ein neues Betätigungsfeld. Das hat er sich, darin nach wie vor professioneller Forscher, direkt in Buchform erschlossen – als Autor wohlgemerkt. 2016 wurde er 1. Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Historischen Weinbaus im Rheingau e.V.
Ulrich Stegers Werk und seine Bedeutung
Für Ulrich Steger bewegte sich die moderne Sozialdemokratie auf unsicherem Grund. Liberalisierter Welthandel, veränderliche Gesellschaftsverhältnisse und wirtschaftlicher Strukturwandel stellten die traditionellen Bezugspunkte und Werte sozialdemokratischer Politik in Frage. Er empfahl deshalb, eine gleichermaßen pragmatische wie anpassungsfähige Wirtschaftspolitik zu entwerfen. Pragmatische und anpassungsfähige Wirtschaftspolitik darf sich aber nicht in vielen Einzelmaßnahmen erschöpfen. Sie muss vielmehr von einer offenen, dennoch umfassenden, allgemein geteilten und schlüssigen Zielvorstellung getragen werden.
Stegers Welt waren die Zahlen. Zwischen Kosten und Erlösen, Investitionen und Abschreibungen fühlte sich der Mann wohl, der über Wachstumsmodelle promovierte. Entscheidend geprägt wurde Ulrich Stegers Verhältnis zur Umwelt während seiner Zeit in Dorsten bzw. im Ruhrgebiet, „als die Fichten nicht mehr weiter wuchsen“, weil Schwefel- und Rußschwaden die Luft verpesteten. Nachdem Steger aus Dorsten weggezogen war, reklamierte er für sich, damals „als einer der ersten in der SPD“ die Rauchgasentschwefelung der Kraftwerke gefordert zu haben – nicht nur wegen der Fichten. Die Arbeitslosigkeit nahm damals bedrohliche Formen an. Wie könnten, fragte sich Steger, neue Firmen angesiedelt werden, wenn die vorhandenen das zulässige Maß an Luftverschmutzung bereits ereichen oder überschreiten? Für einen vom Segen des Wirtschaftswachstums überzeugten Ökonomen lag die Lösung nahe: Die Kraftwerke, Hauptverschmutzer, müssten sauberer werden. Dann könnten sich neue Firmen ansiedeln, die zwar neuen Dreck aus den Schornsteinen pusten; insgesamt aber wäre die Luft nicht stärker verschmutzt als zuvor. Und es gäbe zusätzliche Arbeitsplätze in der Region.
- Veröffentlichungen (Auswahl): „Umweltmanagement: Erfahrungen und Instrumente einer umweltorientierten Unternehmensstrategie“, 1988. – „Handbuch des Umweltmanagements“, 1992. – „Erdgas ante portas”, 1992. – Meinolf Dierkes, Lutz von Rosenstiel, Ulrich Steger (Hrsg.): „Unternehmenskultur in Theorie und Praxis: Konzepte aus Ökonomie, Psychologie und Ethnologie“, Campus, Frankfurt am Main/New York 1993. – „Globalisierung gestalten“, 1999. – „Die Globalisierung ist tot – es lebe die Globalisierun, Szenarien für Markt, Politik und Gesellschaft“, 1999. – „Lokal oder Global? – Strategien und Konzepte der Internationalen Unternehmenskommunikation“, 2001. – „Inside the mind of the Stakeholder”, 2006. – „Managing Complexity in Global Organizations”, 2007. – „Die Avantgarde der deutschen Winzer” (Mitherausgeber), 2013. – Manche der Bücher sind in 17 Sprachen erschienen!
Quellen, Text 2014 und Ergänzungen 2021: Gespräch W. Stegemann mit Dr. Steger 2014. – „Historischer Weinbau Rheingau e. V.” (Aufruf 2021. – Spiegel Juli 1984 und 20/1992. – Wikipedia (Aufruf 2021). – Lexikon Hessische Biografie (Aufruf 2021).