Metastadt

Nur ein Stahlträger blieb vom hochgelobten Montagebausystem übrig

Richtfest mit NRW-Innenminister Weyer 1974

Metastadt-Richtfest mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Weyer (Mitte) 1974

Bundesweites Interesse erregte die Metastadt Wulfen in den 1970er-Jahren bei der Planung und beim Bau, weil das Projekt ein architektonisches und wohnsoziales Novum darstellte. Entsprechend groß war dann auch das Schlagzeilen machende Aufsehen und die herauszuhörende Häme vielerorts, als das mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Wohnprojekt wegen Unbewohnbarkeit 1987 wieder abgerissen werden musste. Wo einst junge Familien mit Cafés, Einkaufsläden und Kindergarten in grünem Umfeld mit Blick auf den See in eine gute Zukunft hineinwohnen sollten, steht an deren Stelle nun – symbolträchtig genug – das Awo-Altenheim. Nur noch ein als Denkmal oder Mahnung stehen gelassener Stahlträger erinnert an den einstigen teuren Flop. Die Metastadt war der 1974 in der Neuen Stadt Wulfen am Napoleonsweg errichtete Prototyp eines industriell gefertigten Montagebausystems für Wohnungen. Eine Stahlkonstruktion bildete das Tragwerk, in das die Ausbausysteme eingefügt wurden. Das für variable Nutzung konzipierte Hochhaus enthielt etwa 102 Wohnungen, Geschäfte, Büros und einen Kindergarten. Das Gebäude funktionierte allerdings nicht, es war unbewohnbar.

Vom Ministerium geförderte und ursprünglich noch monströsere Planung

Metastadt-Abriss

Abriss 1987, Foto: Karlheinz Strötzel (Wulfen-Wiki)

Entwickelt hat das Projekt in den 1960er-Jahren der Architekt Richard J. Dietrich. Außer einem kleinen Prototyp in München wurde es erstmals 1973 für die Verwaltung der Fertighaus-Firma Okal realisiert, die es auf den Markt bringen wollte. Die erste und einzige Realisierung auf fremde Rechnung erfolgte in Wulfen, gefördert vom Bundesbauministerium. Das Richtfest war im April 1974. Die ursprünglichen Entwürfe waren noch monströser und sahen sogar eine Überbauung des Napoleonwegs und ein Bauen in den See hinein vor. Realisiert wurden 102 Wohnungen für rund 400 Bewohner und Ladenlokale: Aldi, Eiscafé und Friseursalon. Die außergewöhnliche Konstruktion aus Stahlelementen lieferte die zu Thyssen gehörende Blohm & Voss-Werft in Hamburg. Vor Ort wurden diese zu „Tischen“ zusammengefügt und dann montiert.

Nachfrage nach Wohnungen nahm ab, daher keine Renovierung

In den siebziger Jahren hat die THS-Wohnen dort eine Pilgerstätte für Interessierte eingerichtet – um für das Projekt zu werben und die Wohnungen zu vermieten, ohne aber das futuristische Projekt „Metastadt“ mit flexiblen Wandkonstruktionen in der „Neuen Stadt Wulfen“ vor Ort zu zeigen. „Die richtige Idee zur falschen Zeit am falschen Ort“, weiß heute der damalige THS-Wohnen-Geschäftsführer Cox. Denn die technischen Probleme des flexiblen Bauens waren noch nicht beherrschbar. Das Gebäude konnte nicht abgedichtet werden. Als Anfang der 1980er-Jahre die Konjunktur lahmte, nahm auch die Nachfrage nach Wohnraum allgemein ab. Mit der Eröffnung der Ladenpassage 1982 zogen einige Geschäfte und kurz danach Aldi als gewerblicher Hauptmieter aus. Seit Anfang 1986 stand das Bauwerk leer. Die „Metastadt“ wurde schließlich wieder „zurückgebaut“, sprich abgerissen. Ein Gutachten ergab, das der Sanierungsaufwand rund 10 Millionen DM kosten würde. Das lohnte sich nicht. Der Abriss erfolgte April 1987.


Quellen:
Wulfen-Wiki Christan Gruber. – „Baumeister des Reviers” in „Welt am Sonntag“ vom  3. Oktober 2004.

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