Firmungsreise 1706

27 Dorstener Kindern als angehende Geistliche die Tonsur geschnitten

Firmungsreise, Darstellung von Pietro Antonio Novelli

Firmungsreise, Darstellung von Pietro Antonio Novelli (1568 bis 1625)

Um Frühjahr 1706 unternahm der Kölner Weihbischof Johannes Wernerus von Veyder eine Reise durch das Vest Recklinghausen, um bischöfliche Amtshandlungen, Firmungen und Visitationen vorzunehmen. Er war wegen der langen politischen Abwesenheit des Kölner Fürstbischofs Joseph Clemens  Coadministrator des Erzstifts Köln in geistlichen Dingen. Auf der Reise begleitete ihn Johann Heinrich Schneidewind, secretarius et ss. Ordinationum Notarius Apolostolicum. Im Großen und Ganzen verliefen solche bischöflichen Amtsreisen nicht anders als heute. Was der damaligen Firmungsreise aber eine besondere Bedeutung gab, ist die Aufzeichnung aller Namen der Schüler (Scholaren), die bei diesem Bischofsbesuch noch als Jungen in den geistlichen Stand aufgenommen und zu den niederen Weihen zugelassen wurden. Als äußeres Zeichen wurde den Kindern und Jugendlichen an Ort und Stelle eine Tonsur ins Haupthaar geschnitten.

Bischof vom Klerus und von „vielem Volk“ am Stadttor empfangen

Bischof auf Firmungsreise

Bischof auf Firmungsreise, Radierung 1679

Nachdem der Bischof Osterfeld, Bottrop, Recklinghausen, Ahsen, Mahlenburg, Datteln, Waltrop, Horneburg, Castrop, Marl, Polsum, Herten, Westerholt, Gladbeck und Buer visitiert und dort gefirmt hatte, die Scholaren die Tonsur geschnitten bekamen, begab sich der Bischof am 12. Mai 1706 gegen fünf Uhr nach Dorsten, wo er vom Klerus, dem Magistrat, den Franziskanerpatres „und vielem Volk vor dem Stadttore empfangen“ und dann zur St. Agathakirche geleitet wurde. Nach den üblichen Feierlichkeiten firmte der Weihbischof an diesem Tag etwa 300 Kinder. – Anderntags, dem Christi-Himmelfahrtstag, erhielten die Kinder, deren Eltern es wollten, dass ihre Kinder mit mehr oder weniger Zwang dem geistlichen Stand angehören sollten, in der Agathakirche die Tonsur geschnitten: Es waren Adolph Rieve, Arnold Josef Schluiter, Christoph Scholven, Bernard Reckmann, Hermann Mey, Jos. Pet. Rappart, Bernard Ludwig von Fuirden, Jodokus Pet. Edmund von Siegen, Johann Hermann de Weldige-Cremer, Franz-Otto de Weldige-Cremer, Johann Georg de Weldige-Cremer, Johann Hermann Mey, Hermann Böner, Johann Heinrich Sasse, Johann Hermann Bernard Schluiter, Johann Bernard Reckmann, Johann Goswin Rieve, Johann Josef Maaß, Johann Vinzenz Wißing, Johann Franz Terwoesten, Johann Anton Leuchterman, Jodokus Franz Maaß, Pet. Christian Arnold von Siegen, Peter Heinrich Wißing, Peter Heinrich Wißing und Peter Heinrich Seyler. Im Anschluss daran wurden in der Dorstener Agathakirche aus den Kirchspielen Dorsten und Kirchhellen etwa 1.000 und im Kloster der Ursulinen drei Schwestern und weitere 20 Personen, die noch hinzugekommen waren, vom Weihbischof gefirmt.

Zur Sache:
Firmung: Die Bedeutung der Firmung besteht nach der römisch-katholischen Kirche vor allem in zwei Aspekten: engere Verbindung mit der Kirche und Stärkung (lat. firmus ‚stark‘) durch die Kraft des Heiligen Geistes; außerdem wird durch die Firmung die Taufe vollendet in der Hinsicht, dass der Gefirmte nun uneingeschränkt der Kirche angehört und „Vollbürger im Reiche Christi“ ist.
Tonsur: Die Tonsur (lat. tonsura „Scheren“, von tondere „scheren“) ist die vollständige oder teilweise Entfernung des Kopfhaares aus religiösen Gründen bzw. die daraus entstandene Frisur. Sie ist in verschiedenen Religionen wie Christentum, Buddhismus und Hinduismus bekannt. Auch in der altägyptischen Religion gab es Priester mit Tonsur. Bei katholischen Klerikern war es üblich, eine größere oder kleinere Fläche der Kopfhaut so zu rasieren, dass ein Haarkranz übrig blieb. Eine mögliche religiöse Erklärung geht in Richtung einer symbolischen Öffnung des Schädels (Trepanation). Dadurch könnten z. B. eingedrungene Dämonen besser entweichen oder positive Geistwesen von den betroffenen Personen besser Besitz ergreifen. Erst 1973 wurde im Bereich der katholischen Kirche die Tonsur von Papst Paul VI. abgeschafft. Jedoch gibt es die symbolische Tonsur noch beim Eintritt in einige Priesterseminare, wobei nach der Einkleidung dem neuen Seminaristen eine Strähne des Haupthaares abgeschnitten wird.


Quelle:
Wikipedia, Online-Enzyklopädie. – Reise-Protokoll 1706, Archiv Köln.

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