Fememord Rhade 1996

Rechtsextremistischer Serienmörder Thomas Lemke tötete drei Menschen

Nach seiner Festnahme Mitte 1996 gestand der Neonazi Thomas Lemke (27) aus Gladbeck drei Morde, darunter die kaltblütige und vorsätzliche Erschießung des Martin Kemming (26) am 15. März 1996 im Haus der Eltern seiner Freundin Bianca Köppe in Rhade. Thomas Lemke klingelte kurz vor Mitternacht an der Haustür der Köppes und verlangte seinen angeblichen Freund Martin Kemming wegen eines Schadens an dessen Auto zu sprechen. Als dieser schlaftrunken vor Lemke stand, hatte dieser bereits eine Pump-Gun unter seiner Kleidung hervorgezogen, mit der er Martin Kemming erschoss und anschließend flüchtete. Über die Familie des Täters konnte die Polizei Lemkes Versteck im sauerländischen Altena ausfindig machen und ihn zusammen mit seiner Freundin Bianka Weidemann festnehmen. Bei den Vernehmungen offenbarte sich der Polizei eine abstruse Triebfeder der Morde: Fremdenhass, politische Verblendung, pervertierte Sexualität, Mord- und Rachegelüste.

Frauenleiche mit dem Spaten in einem Erdloch verscharrt

........ Lemke

Der Mörder Thomas Lemke

Bei der Vernehmung gestand Lemke zwei Frauenmorde. In einem Waldstück erschlugen er und seine Freundin Bianka Weidemann ihre zuvor gefesselte gemeinsame Bekannte mit dem Klappspaten und verscharrten die Leiche in einem Erdloch. Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass er seine Freundin zu der Tat zwang, um sie „in der Hand zu haben“, da er öfters ihr gegenüber gewalttätig wurde und befürchtete, sie könnte ihn anzeigen. Am 2. Februar 1996 fuhr er mit seinem Bekannten Marcel Müthing zu einer Frau in Bergisch-Gladbach, die Lemke wegen eines Aufklebers „Nazis raus“ als „Linke“ einordnete. Die arglose Frau öffnete die Türe, wurde gefesselt, entkleidet, von Lemke vergewaltigt, und mit 91 Messerstichen getötet. Thomas Lemke kam früh zu einer verqueren rechtsgerichteten Auffassung über Politik und Volksgemeinschaft, die sich am Dritten Reich orientierte. Er schloss sich der NPD an und trumpfte in der Gladbecker Realschule mit seiner reaktionären Gesinnung auf, so dass der Verfassungsschutz Informationen über ihn einholte, ihn dann aber wieder aus der Beobachtung nahm. Danach verstärkte sich Lemkes nationalsozialistisches Gedankengut. Er wurde Mitglied in der rechten Wiking-Jugend und Freiheitlich-Deutschen Arbeiterpartei (FDA).

Strafrechtliche Verurteilung als „Gesinnungsstrafe“ aufgefasst

Pulli der rechten Szene

Pulli der rechten Szene

Im Haus der Eltern richtete er den Keller mit verrosteten Kriegswaffen und NS-Devotionalien ein, hörte rechte Rock-Musik und beschmierte Häuser von Türken mit Hakenkreuzen. Er wurde verurteilt, warf Feuerwerkskörper in die Wohnung eines Ausländers, wurde erneut verurteilt und musste ins Gefängnis. Er betrachtete die Verurteilung als „Gesinnungsstrafe“ und sich selbst als „Märtyrer“, genoss die Solidarität der rechten Szene, als ihn die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG) zum „Gefangenen des Monats“ erklärte. Den jungen Lemke erfasste unter dem Bergriff Thule und Neu-Thule eine „völkisch-germanische Esoterik“, die Züge eines Glaubens an den germanischen Toten- und Kriegsgott, an Odin und Hitler annahmen. Zudem benutzte er im Sprachgebrauch immer mehr Begriffe aus der NS-Ideologie und des Militärs wie „Systemschergen“, „Negerblut“, „Volksschädlinge“ und „Sonderbehandlung“. Auch leugnete er Auschwitz.

Als „Kameradenverräter“ beschimpft

Martin Kemming, sein Opfer aus Dorsten-Rhade, war wohl einige Male dabei, gehörte zum Kreis der Rechten um Lemke, stieg dann aber aus und belastete Lemke bei der Polizei. Seitdem bedrohte ihn Lemke als „Polizeispitzel“ und „Kameradenverräter“ telefonisch und schriftlich mit dem Tod: „Der Werwolf hält selbst Gericht und entscheidet über Leben und Tod unserer Feinde. […] Verräter verfallen der Feme.“  Am 15. März 1996 machte Lemke seine Drohung war und erschoss Martin Kemming in Rhade.

Lebenslänglich, Sicherungsverwahrung, besondere Schwere der Schuld

Das Schwurgericht beim Landgericht Essen unter Vorsitz von Richter Rudolf Esders verhandelte im März 1997 über die Taten und den 28-jährigen Mörder aus Gladbeck, den das Gericht als „fanatischen und überzeugten Neonazi“ einschätzte. Im Jahr 2018, also 31 Jahre nach dem Prozess, erinnert sich der Vorsitzende Richter Esders in der „Dorstener Zeitung“ an Thomas Lemke:  „Er hat mit Sendungsbewusstsein agiert. Nicht eiskalt, sondern aus der tiefen Überzeugung heraus, dass er mit seinen Taten für eine höhere Sache eintritt.“ Er wurde für drei Morde zu einer nach deutschem Strafrecht wohl denkbar höchsten Strafe verurteilt: Lebenslänglich, Sicherungsverwahrung, Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Unterbringung in der Psychiatrie. Bianka Weidemann wurde wegen Mordes zu sechs und Lemkes Bekannter Marcel Müthing wegen Beihilfe und Vergewaltigung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Reaktionen im Gerichtssaal nach dem Urteilsspruch

Im Zuschauerraum saßen Anhänger des Angeklagten, die aus ganz Deutschland angereist waren. Einer trug schwarze Hosen, braunes Hemd und eine Koppel. Der Richter greift durch, als der Verurteilte schreit: „Somit haben die Juden ihren Willen bekommen.“ Mehrere Zuschauer applaudieren und johlen. Richter Enders fragt Zeugen, wer von denen geklatscht habe und ordnet eine dreitägige Ordnungshaft für drei Männer an. Das hat der Angeklagte dem Richter sehr übel genommen, nicht das Urteil und sein Strafmaß, sondern dass der Richter seine „Kameraden“ so hart rangenommen hatte. Rudolf Esders bekommt seitdem wegen der latenten Gefahr, in der er schwebt, einmal jährlich eine Meldung von der Polizei in Gladbeck, dem Heimatort des Verbrechers, dass der noch nicht auf freiem Fuß ist (nach Claudia Engel in der DZ vom 15. März 2019).

Thomas Lemke wird wohl in der Haft sterben. Knapp über zwei Jahrzehnte sitzt der Gladbecker bereits im Gefängnis. Als „Fememord von Rhade“ ist seine Bluttat vom 15. März 1996 in die Dorstener Verbrechens-Geschichte eingegangen. Sein Opfer, der Rhader Martin Kemming, ist als Opfer rechtsextremer bzw. rassistischer Gewalt von der Bundesregierung bereits anerkannt worden.

Siehe auch: Rechte Gruppierungen
Siehe auch: Melanie Dittmer
Siehe auch: Polizeiaktion „Gegenwind“
Siehe auch: Kriminalität „rechts“
Siehe auch: Rechtsradikalismus (Essay)

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