Burkini trifft Bikini

Im „Atlantis“-Bad gibt es mit dem Ganzkörper-Badeanzug keine Probleme

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Die Diskussion über das Verbot oder die Zulassung des Ganzkörper-Badeanzugs mancher muslimischen Frauen in offenen oder in Hallenbädern ist kein abstraktes oder fernes Thema. In Frankreich kippte das höchste Verwaltungsgericht das Burkini-Verbot in Cannes. Auch die französischen Städte Leucate, Oye-Plage, Le Toquet-Paris-Plage sowie Sisco auf Korsika untersagten, beim Baden im Meer Ganzkörperbadeanzüge zu tragen In anderen Städten am Kanal – wie an der Cote d’Azur – werden sich ausgesprochene Verbote aufgrund dieses Urteils nicht halten lassen. 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht in Leipzig, dass muslimische Schülerinnen regelmäßig keine Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht verlangen könnten, wenn ihnen die Möglichkeit offenstehe, hierbei einen so genannten Burkini zu tragen. Im bayerischen Neutraubing (Oberpfalz) wurde als erste Gemeinde ein Verbot beschlossen. Im Dorsten nahen westfälischen Lünen ist das Verbot des Burkinis ebenfalls  durchgesetzt worden, wohl, weil sich einige Frauen über den Anblick beschwert hätten, wie die WAZ Oberhausen vermutet. Schilder wurden aufgestellt, die Badegäste auf das Verbot der Ganzkörper-Badeanzüge für muslimische Frauen aufmerksam machten. Doch wurde das Verbot auf anhaltende Kritik der Öffentlichkeit hin wieder zurückgenommen.

Das Dorstener „Atlantis“ erlaubt Burkinis schon immer

Im Dorstener „Atlantis“-Bad gibt es keine Probleme mit dem Burkini. Bereits seit 2013 wurde das Baden im Burkini ausdrücklich weiterhin erlaubt. Der „Atlantis“-Geschäftsführer hält den Burkini als eine hygienische Bekleidung im Gegensatz zu T-Shirts, die nicht erlaubt seien. Dass das Baden im Burkini im „Atlantis“-Bad kein Problem ist, sagen auch die Zahlen. Unter den an Wochenende von rund 1200 Badegästen besuchte „Atlantis“, sind dann schon mal drei Burkini-Trägerinnen darunter. Dennoch forderten vor allem ältere Badegäste die Stadtverwaltung auf, ein Burkini-Verbot zu erlassen. Das wird es allerdings nicht geben. Dazu das städtische Rechtsamt in der DZ vom 17. November 2018:

„Ein Burkini-Verbot widerspricht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Artikel 2 des Grundgesetzes) und der Religionsfreiheit (Artikel 4). Muslimische Schülerinnen sind sowohl vom Bundesverwaltungsgerichtshof als auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dazu verurteilt worden, am gemischten Schwimmunterricht im Rahmen der Schulpflicht teilzunehmen – ausdrücklich mit der Begründung, dass sie dabei einen Burkini tragen könnten.“

So scheint es, dass der öffentliche Disput meist eine „Stellvertreterdebatte“ ist. Die Befürworter des Burkini sehen in ihm ein Symbol der Selbstbestimmung, die Kritiker dagegen ein Symbol des Patriarchats, der Diskriminierung der Frauen oder auch nur eine persönliche Ablehnung von Fremdheit, Fremden und Flüchtlingen. Man ist eben an den körperbetonten Bikini gewohnt. Doch das war nicht immer so, wie ein Blick in die Geschichte dieses Bade-Textils zeigt.

Frauen in zweiteiligen Badeanzug wurden schon mal verhaftet

Als der zweiteilige Badeanzug für Damen, der später den Namen Bikini bekam, um 1900 erstmals kreiert wurde, kamen Damen, die ihn trugen, wegen unzüchtigen Verhaltens schon mal in Haft – in Deutschland wie in den USA, Großbritannien und Australien. Die Franzosen waren nachsichtiger. Nach Sitte und Anstand jener Zeit zeigte der Zweiteiler zu viel nackte Haut. In den 1920er-und 30er-Jahren beschäftigten sich zunehmend die Behörden mit dem Bikini-Vorläufer. Der Preußische Reichskommissar und Innenminister erließ gegen den Zweiteiler, der damals unter dem Namen „Palm-Beach-Combination“ bekannt war, im so genannten „Zwickelerlass“ ein Verbot. Die Nationalsozialisten verschärften es, auch wenn Adolf Hitlers langjährige Geliebte und spätere Ehefrau Eva Braun einen solchen Zweiteiler unbeschadet öffentlich getragen hatte – und sich darin auch fotografieren ließ. 1946 wurde dann der eigentliche Bikini, wie wir ihn heute kennen, von dem Automechaniker und späteren Modeschöpfer Louis Réard patentiert und in den folgenden Jahrzehnten immer stoffärmer bis zu einem „Hauch von Nichts“ getragen. Die Versionen heißen heute Tangas, G-String-Bikinis, Microkinis, Nokinis (ohne Oberteil) oder Trikinis.

Ganzkörper-Badeanzug: Hände, Gesicht und Füße bleiben frei

Augenzwinkernd und im Bewusstsein, dass der Vergleich hinken mag, weil sich die Zeiten und Sichtweisen ändern, kann man heute feststellen, dass der Bikini in seiner Entstehungszeit verboten wurde, weil er zu viel nackte Haut zeigte, und heute der Burkini verboten werden soll, weil er überhaupt keine nackte Haut zeigt. Der Burkini wird von traditionell-religiösen Musliminnen getragen. Der Schnitt des Burkini gleicht dem eines Anzugs mit integrierter Haube, wie sie Eisschnellläufer tragen. Außer Füßen, Händen und dem Gesicht wird der ganze Körper der Trägerin bedeckt. Es gibt inzwischen Varianten dieser Art von Sportbekleidung muslimische Frauen. Für den Burkini verwendete dünne Kunstfasergewebe oder -gewirke nehmen weniger Wasser als Baumwolle auf und trocknen daher rascher. Zweilagige Konstruktionen mit einer faltenwerfenden, flatternden oberen Lage im Bereich des Oberkörpers verbergen oder kaschieren die Konturen des Körpers.

NRWs Schulministerium erlaubt im Schwimmunterricht Burkinis

Um ein geordnetes Schul-Schwimmen in Nordrhein-Westfalen zu gewährleisten, veröffentlichte das NRW-Schulministerium 2016 einen Erlass, der im gemischten Schulschwimm-Unterricht muslimischer Schülerinnen das Tragen eines Burkinis erlaubt. Diese Erlaubnis gibt es zwar schon länger, doch die Praxis sah anders aus, wie der aktuelle Fall einer Sechstklässlerin in Oberhausen zeigt. Mitarbeiter eines öffentlichen Bades verweigerten der Schülerin die Teilnahme am Unterricht. Aus hygienischen Gründen durfte sie mit dem Burkini nicht ins Wasser.


Siehe auch: Fremde Kulturen
Siehe auch:
Atlantis-Erlebnisbad
Siehe auch: Bäder (Essay)
Siehe auch: Freibad in Holsterhausen

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