Freibad in Holsterhausen

Insolvenz des Betreibers – Bürgerverein scheitert an leerem Stadtsäckel

1961 errichtete die Stadt an der Bismarckstraße ein Freibad. Mit Tagespreisen von einer Mark verzeichneten die Betreiber stets gute Besucherzahlen. Es besaß drei Schwimmbecken: Links vom Eingangsbereich das runde Babybecken, ein Nichtschwimmerbecken mit Rutsche sowie ein Sportbecken mit Sprungturm. Die rund 18.000 Quadratmeter große Liegewiese lud unter anderem auch Nichtschwimmer zum Faulenzen ein. Schulen, Gruppen und Freunde trafen sich dort. Es fanden Schwimmwettbewerbe statt und die Kreissparkasse veranstaltete über Jahre hinweg eine so genannte „Beach Party“.

Freibad Holsterhausen in den 80er-Jahren

Freibad Holsterhausen in den 1980er-Jahren

Mit steten Reparaturen den Betrieb aufrecht gehalten

Mitte der 1990er-Jahre machte das Freibad Schlagzeilen. Die Bausubstanz der Becken war durch Altersverschleiß stark beeinträchtigt, stetige Reparaturen wurden nötig, um das Bad einigermaßen sicher über die Sommermonate hinweg offen zu halten. Hinzu kamen technische Störungen aus defekten Pumpen und Heizungen. Der Sanierungsbedarf wurde 1998 auf neun Millionen DM berechnet. Zur selben Zeit war auch das Hallenbad am Adenauerplatz sanierungsbedürftig. Alleine das Freibad erhielt in 1998 rund 400.000 DM Zuschuss zu den Betriebskosten, das Hallenbad 800.000 DM. Weder das eine, noch das andere Bad waren ansatzweise wirtschaftlich zu führen.

Stadt zahlte Zuschüsse zu den Betriebskosten

Freibäder werden in sonnigen Jahren mehr, in trüben Sommern weniger genutzt, die Betriebskosten bleiben jedoch gleich. Eine kleine Statistik zeigt auf, wie hoch der jeweilige Zuschuss der Stadt pro Badegast für jeweils einen Besuch war:

1995: 70.000 Besucher, 5,71 DM pro Pers./ pro Freibadbesuch
1996: 26.000 Besucher, 13,38 DM pro Pers./ pro Freibadbesuch
1997: 37.000 Besucher, 10,81 DM pro Pers./ pro Freibadbesuch
1998: 22.000 Besucher, 18,81 DM pro Pers/ pro Freibadbesuch
1999: 32.000 Besucher, 12,50 DM pro Pers./ pro Freibadbesuch
2000: 23.000 Besucher, 17,39 DM pro Pers./ pro Freibadbesuch

Selbst im Supersommer 1995 mit 70.000 Gästen war der Betrieb des Freibades nicht kostendeckend. Aus landesweiten Untersuchungen über Freibäder geht hervor, dass auch alle anderen Freibäder in unserem Land nicht kostendeckend bewirtschaftet werden können. Damit besteht für private Betreiber kein Anreiz, solch ein Bad zu übernehmen. Vor dem Hintergrund der Unterdeckung der Bäder und der Haushaltlage, die eine Investition in den freiwilligen Bäderbereich ausschloss, wurde eine Komplettlösung für alle Bäder in Dorsten gesucht – eingeschlossen des Bades in Wulfen.

Der neue Atlantis-Betreiber sollte das Freibad sanieren: missglückt

Das Freibad wurde trotz Versprechen der Poilitik nicht mehr renoviert; Foto: marl aktuell

Noch nicht renoviert; Foto: marl aktuell

2001 besuchte der letzte Schwimmer das Bad. Im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung fand die Stadt einen Investor, der gleichzeitig als Betreiber auftrat und das Angebot machte, aus den Gewinnen des neu zu errichtenden Erlebnisbades die Freibadsanierung (neue Becken, Gebäude und Anlage) zu finanzieren und bei der Bewirtschaftung auf örtliche Vereine und Initiativen zu bauen. Das Angebot der Firma Atlantis war unter drei Bewerbern das wirtschaftlich günstigste und im Übrigen das einzige Angebot, das den Neubau des Freibades beinhaltete. In einem Vertrag verpflichtete sich der Betreiber von Atlantis, das alte Freibad abzureißen und gemäß einer abgestimmten Planung ein neues Freibad zu errichten. Nach Aussagen von Bürgermeister Lambert Lütkenhorst sollte das Freibad schon 2002 wieder eröffnet werden. Der damals noch private Betreiber des „Atlantis“-Bads sollte das Freibad sanieren. Dazu ist es niemals gekommen. Die rund 800.000 Euro, die an der endgültigen Fertigstellung fehlen, konnten nicht investiert werden, weil der Betreiber und Investor des Gesamtkomplexes mit dem Atlantis Bad in finanzielle Schwierigkeiten geriet und letztlich im Sommer 2004 Insolvenz anmelden musste.

„Atlantis“-Investoren blieben Renovierung schuldig

Da das für das Freibad von der Stadt bereitgelegte Geld für die Betriebskosten des zeitgleich neu errichteten „Atlantis“-Bad genutzt wurde, wurde die Planung für ein neues Freibad endgültig eingestellt. Mit der Insolvenz des Betreibers verfiel das Gelände endgültig, auf dem zeitweise geplant war, eine private Schule zu errichten. Investoren, die sowohl das Freibad zu Ende bauen und es dann noch privat und ohne öffentliche Zuschüsse gewinnbringend betreiben, sind bislang nicht gefunden worden.

Facebook-Gruppe wollte sich für das Freibad einsetzen: gescheitert

Nachdem etliche Dorstener in der Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Dorsten …“ Fotos und Erinnerungen gepostet hatten, ergriff Thomas Sobala die Gelegenheit und rief zur Gründung einer weiteren Gruppe im Netzwerk auf, die sich darum kümmern sollte, das  mittlerweile baulich ausgeplünderte Freibad wieder zu reaktivieren und dafür Sponsoren zu finden. Sobala fand über Facebook sofort Tausende von „Freunden“, die durch Anklicken „gefällt mir“ ihr Interesse signalisierten. Innerhalb weniger Tagen waren dies über 5.000. Das mag ihn beflügelt haben. Bei einem Treffen von Interessenten wurde dann im „Forsthaus Freudenberg“ die Absicht vorgetragen, mit der „Agenda Freibad Dorsten-Holsterhausen“ einen echten Verein gründen zu wollen. In dem mitzuarbeiten, meldete sich auch gleich eine Handvoll Dorstenerinnen und Dorstener, die sich selbst zu einer Art Schattenvorstand machten. Dem folgten allerdings keine weiteren Schritte zur Vereinsgründung. Denn einerseits gab es bereits den „Förderverein Pro Freizeitbad“ mit gleichem Ziel, das Freibad zu reaktivieren. Beide Organisationen wollten oder konnten nicht zusammenarbeiten. Persönliche Ressentiments standen dem im Wege. Zum anderen war die Handvoll „Vorstandmitglieder“ der Facebook-Gruppe damit beschäftigt, sich gegenseitig aus dem eigentlich noch gar nicht existierenden Vereinsvorstand rauszuwerfen, sich Inkompetenz vorzuwerfen und mit Anwälten zu drohen, wobei Thomas Soballa als gefühlter „Chef vom Ganzen“ eine besonders aktive Rolle spielte. Dies alles geschah nicht hinter verschlossenen Türen, sondern in der medialen Öffentlichkeit. Beide Dorstener Printmedien und das Online-Magazin „Dorsten-transparent“ wurden stets aktuell von den Beteiligten über Meinungsverschiedenheiten, Streitereien, persönliche Verunglimpfungen und Rauswürfe informiert. Dies schlug sich in etlichen Artikeln nieder. So titelte die WAZ am 7. September 2013: „Starke Strömungen in der Freibad-Diskussion.“

Freibad durch Streit von der Agenda gefegt

Inzwischen dürfte dieser Streit das Thema „Freibad“ in Dorsten vorerst von der Agenda gefegt und die Beteiligten erfahren haben, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem anonymen Anklicken des erhobenen Daumens in Facebook und der Kommunikation mit „echten Menschen“, die mehr erfordert, als „gefällt mir“ anzuklicken. Im März 2015 kündigte die Stadt den Abriss der Freibad-Ruinen an und beendete sie im Dezember. Das Abbruchmaterial sollte für den Unterbau von Wegen verwendet werden. Allerdings machte das abgebrochene alte Schwimmbecken dieser Planung einen Strich durch die Rechnung. Denn das Bassin war mit PCB-haltiger Farbe angestrichen. Ein Gutachter wurde eingeschaltet. Sollte das Gutachten die Kontaminierung bestätigen, müsste der Boden ausgetauscht werden, was die kalkulierten Kosten von 70.000 Euro erheblich erhöhen würde. Die Stadt hat auch bislang keinen Plan, wie sie die Fläche nutzen könnte; vermutlich als Grünfläche (Stand Ende 2015).

Forderungen, ein neues Freibad zu errichten, war 2020 Wahlkampfthema

Für die breite Öffentlichkeit war die Wiedererrichtung eines Freibads in Dorsten in den letzten Jahren so gut wie kein Thema mehr. Denn die Stadt hatte genug Finanzierungs- und Verwaltungsprobleme mit dem städtischen „Atlantis-Erlebnisbad“. Hinter den Rathaus-Kulissen wurde über das Thema von der Verwaltung und der Lokalpolitik allerdings schon gesprochen. So im April 2018 im „Workshop 2030“ mit dem Verwaltungsrat Bäder. Doch der Gedanke wurde dann wegen anderer Projekte von der Verwaltung wieder fallen gelassen. Erst als der AfD-Bürgermeisterkandidat Marco Bühne im August 2020 die Errichtung eines Freibads forderte und dies die „Dorstener Zeitung“ in einem Interview einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte, meldete sich weinige Tage später der SPD-Spitzenkandidat Friedhelm Fragemann in der Lokalzeitung zu Wort und machte den Vorschlag, das Freibad auf der Freifläche gegenüber der Rückseite des „Atlantis-Erlebnisbads“ zu errichten. Danach meldete sich auch der amtierende Bürgermeister und nominierter Kandidat der CDU zu Wort und ließ über die DZ verbreiten, dass eine solche Idee bereits in der Verwaltung vor zwei Jahren besprochen wurde, das Thema dann aber zurückgestellt wurde (Stand: September 2020).

SPD-Ratsfraktion regt Bürgerwerkstatt für das Freibadgelände an

Die SPD-Ratsfraktion legte im Januar 2022 mit einem Antrag zur Nutzung des Freibadgeländes vor, das seit 20 Jahren brachliegt. Die Fläche, so steht es im Antrag, sei wegen des nicht verfestigten Bodenaushubs aus der Atlantis-Baustelle belastet und zudem handele es sich um einen Außenbereich, der seinerzeit als Kompensationsfläche für die fehlenden Ökopunkte des Atlantis-Freizeitbades gedient hat. Wegen der erkannten erheblichen Belastung des Bodens fordert die SPD von der Verwaltung, „eine aktuelle Kostenermittlung für die Beseitigung des Bodenaushubs vorzulegen sowie die planungsrechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten darzulegen“. Der Fachausschuss möge deshalb einen Grundsatzbeschluss fassen bzw. eine perspektivische Grobplanung anregen, damit das städtebaulich attraktive Freibadgelände endlich wieder von den Bürgern genutzt werden kann. Bevor aber überhaupt Ideen entwickelt werden können, muss zunächst die Entsorgung des Bodenaushubs von der Atlantis-Baustelle sichergestellt sein. Die Beseitigung dürfte kostspielig werden. Weil der Untergrund Hohlräume hat, ist die Fläche weiträumig abgesperrt. Die Natur hat die Oberhand auf dem Gelände gewonnen. Bei einer Überplanung müsse deshalb auch der Naturschutz berücksichtigt werden, sagt die SPD.

Altes Freibad Dorsten: „Kein Thema in den nächsten zwei Jahren“

Ein Konzept für das alte Freibadgelände und dazu alle bereits geplanten Bau-Projekte schnell umzusetzen ist wegen Personalmangels von der Stadt 2022 kaum zu erwarten. Denn die Stadt führt viele andere Bau-Projekte durch und hat dadurch die Grenzen der Machbarkeit für die nächsten Jahre erreicht. Dies erklärte Bürgermeister Tobias Stockhoff in der Umwelt- und Planungsausschuss-Sitzung Ende Februar 2022. Dagmar Stobbe vom technischen Dezernat wies auf die finanziellen und rechtlichen Belange hin. Wegen der landschaftspflegerischen Begleitplanung (sog. „Ökopunkte“), die dem Freibad-Gelände im Zuge des Bebauungsplans für den Atlantis-Bad-Neubau auferlegt worden waren, sei ein „planerischer Rattenschwanz“ zu befürchten. „Aus Sicht der Verwaltung wird das Freibadgelände kein Thema in den nächsten zwei Jahren“, so Bürgermeister Tobias Stockhoff. „Es sei denn, die Politik sagt uns, was wir dafür liegen lassen sollen.“ Auf Anregung der Grünen will die Verwaltung noch vor den Sommerferien darlegen, wie personalintensiv mögliche Freibad-Planungen sind. Dann soll die Politik entscheiden, welche Priorität das Projekt bekommt, ob dafür womöglich ein anderes nach hinten verschoben wird.

Auch das noch:
Tatort Freibad: 2018 mehr als 1000 Delikte in Nordrhein-Westfalen

In Dorsten entfällt der Tatort Freibad, denn den hat die Stadtverwaltung 2001 geschlossen, weil die Stadt die hohen Schulden des Atlantis und das Bad selbst übernehmen musste, weil der Betreiber Bankrott hinlegte. Öffentliche Versprechungen des damaligen Bürgermeisters Lütkenhorst, das Freibad für die Dorstener wieder zu eröffnen, wurden nicht eingehalten. Doch davon unabhängig dürfte auch in Dorsten interessant sein, was die Polizeistatistik 2018 zum Tatort Freibad aussagt, die von der AfD im Landtag angefordert wurde. In 1070 Fällen hat die Polizei in NRW Delikte in Freibädern registriert. Ein Jahr zuvor waren nur 141 erfasste Fälle. Mit 788 Fällen stellten 2018 Diebstahlsdelikte den Löwenanteil dar, gefolgt von 161 Körperverletzungen; 41 Mal wurden Sexualdelikte bekannt. Etwa jeder dritte ermittelte Tatverdächtige hatte nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Das NRW-Innenministerium scheute keine Mühen und präsentierte auch eine bunt gemischte Liste mit Vornamen-Kombinationen aus aller Herren Länder. Die mehr als 200 Vornamen Tatverdächtiger reichen von Abdul Hamit bis zu Xavier Aaron und Yusa. Dazwischen erstreckt sich eine breite Palette, die von urdeutschen Vornamen-Ketten wie Stefan, Karl, Horst, Rudi und Lieselotte, Ingrid, über moderne Vornamen wie Chantalle oder Sky bis hin zu einem bunten Kulturmix reicht, der sich in Namen wie Edidiong Patrick oder Ömür-Justin niederschlägt (nach dpa).

Siehe auch: Bäder (Essay)
Siehe auch: Atlantis-Erlebnisbad
Siehe auch: Burkini trifft Bikini


Quellen: Gespräch Thomas Soballa mit Dr. Frenzel und Wolf Stegemann (Dorsten-transparent) am 15. August und diverse Telefongespräche. – Christoph Winkel „Starke Strömungen in der Freibad-Diskussion“ in der WAZ vom 7. September 2013. –  Nach „Chronologie des Freibads“ in DZ vom 1. August 2013. – Chronik der Stadt Dorsten zum Freibad 2005. – DZ vom 28. Aug. 2020. – Michael Klein in DZ vom 28. Febr. 2022.

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