Baumfäll-Aktion, pikant

Grundstückbesitzer ließ in Holsterhausen hindert Jahre alte Bäume fällen

Von morgens bis abends waren am 18. August 2022 die Bewohner der Wohnhäusern an der Antoniusstraße, Breslauer Straße und am Krusenpad bis in die kleinsten Winkel der Wohnungen ungeheuerem Lärm ausgesetzt, Erschütterungen und immer wieder lautem Krach von draußen. Im Blick aus dem Fenster, hinweg über nachbarschaftliche Gärten, sah man riesengroße überhaushohe kranartige Sägemaschinen die den ganzen Tag dicke Äste von teilweise über 100 Jahre alten Eichen abschnitten und dann die Stämme stückweise durchsägten und sie dann aus dem Boden rissen, bis der gesamte Baumbestand auf dem bis dahin naturbelassenen 4000 Quadratmeter großen Privat-Grundstück verschwunden war. All das wurde gesehen und gehört von den Fenstern der umliegenden Häuser – und nicht nur von denen in direkter Nachbarschaft. Was war der Anlass zu dieser erstaunlich langen und lauten Baumfäll-Aktion, von der die Stadt offensichtlich nichts wusste – oder doch? Kein Polizeiwagen und kein Wagen des Ordnungsamtes der Stadt ließen sich an diesem Tag sehen, obwohl, wie aus der Nachbarschaft zu hören war, etliche Anwohner sich bei der Stadt telefonisch gemeldet und über den Krach beschwert hatten. Die „Dorstener Zeitung“ berichtete in den darauffolgenden Tagen umfänglich über die Abholz-Aktion, die dadurch verursachten Aufregungen in der Nachbar- und Leserschaft. Und die Lokalzeitung wollte auch Informationen von der Stadt Dorsten bekommen. Die bekam sie: Der Investor hätte nichts Illegales getan. Den Artenschutz hatte er beachtet, die teils über 100 Jahre alten Bäume standen nicht unter Naturschutz. Denn eine Baumschutzsatzung gibt es in Dorsten nicht mehr. Die Lokalpolitik war bislang nicht dazu bereit, eine rechtlich wirksame Baumschutzsatzung wieder zu erlassen, obwohl die Stadtverwaltung und der Bürgermeister nichts unterlassen, um die Bürger aufzufordern, am „Grünen Dorsten“ mitzuwirken.

Baumfällen eine pikante Aktion des Investors

Das Grundstück gehörte früher der Familie des 2012 verstorbenen Dorstener Lokalpolitikers und stellvertretenden Bürgermeister Hans Löns. Seine Witwe veräußerte das Areal an jenen Investor, der dort ein Neubauprojekt mit mehreren Wohneinheiten plant. Die Fäll-Aktion des Dorstener Grundstückbesitzers hat einen äußerst pikanten Aspekt. Der Eigentumswechsel hatte dazu geführt, dass der Umwelt- und Planungsausschuss in seiner Sitzung am 23. August einen Beschluss zu einem geplanten Wohnbau-Projekt einen Bebauungsplan und eine Veränderungssperre für das Areal erlassen wollte. Dem kam der Investor zuvor und schuf mit der Kettensäge fünf Tage zuvor für sich und sein Wohnprojekt  günstige unverrückbare Tatsachen.

„Skandalöses Vorgehen … Profitgier … Ignoranz und Kaltschnäuzigkeit…“

In Leserbriefen und im Gespräch mit den Anliegern wurde die „windige“ Abholzaktion des Investors als „skandalöses Vorgehen“ bezeichnet, als „unfassbar“, als „Nacht- und Nebelaktion“, als „unverschämte Schweinerei“. Dem Investor wurde „Ignoranz“, „Kaltschnäuzigkeit“ und „Profitgier“ vorgeworfen. „Skandalöses Vorgehen“, nannte eine Leserbriefschreiberin der „Dorstener Zeitung“ den Vorgang: „Unfassbar! Da werden über 100 Jahre alte Bäume, Schattenspender und Luftverbesserer in einer Nacht- und Nebelaktion abgeholzt, um ungehindert eine lukrative Wohnbebauung zu realisieren! Wie viel Ignoranz und Kaltschnäuzigkeit muss ein Investor haben, um sich in Kenntnis der klimatischen Entwicklung und des darauf abgestimmten Erhaltungswunsches der Stadt Dorsten darüber hinwegzusetzen? Selbst wenn er juristisch nicht belangt werden kann, stellt sich die Frage, ob sich die Stadt Dorsten so vorführen lassen kann und welche Handlungsräume noch da sind, um dieses skandalöse Vorgehen zu ahnden. Wenn eine Baumsatzung verhindern kann, dass es aus Profitgier wieder zu einem derartigen Kahlschlag kommt, sollte sie unbedingt wieder eingeführt werden! Außerdem sollte man erwarten, dass der Investor den geschädigten Anwohnern und der Dorstener Öffentlichkeit Rede und Antwort steht, anstatt sich wegzuducken.“

Führte der Investor die Stadt am „Nasenring“ vor?

Auch die Stadtverwaltung wurde kritisiert. Ein Anlieger war der Auffassung, die Stadtverwaltung habe sich von dem Investor am „Nasenring“ herumführen lassen. Die Stadt habe von dem Grundstücksankauf gewusst und angesichts von Vorplanungen für den Bereich „sensibilisiert sein müssen“. Der städtische Planungsamtsleiter Marc Lohmann erklärte im Ausschuss, dass die Stadt vor Ort Gespräche mit dem Bau-Investor (gleichzeitig Besitzer des Grundstücks) über dessen Pläne geführt und ihr dringendes Interesse am Erhalt der Bäume deutlich gemacht habe. Darauf hatte sich der Investor nicht einlassen wollen, worauf die Stadt einen Bebauungsplan ins Spiel brachte. „Daraufhin brach der Kontakt einseitig ab“, so CDU-Fraktionschef Bernd Schwane im Rat. Die Politik war über die Investorenpläne von der Verwaltung informiert worden und hatte sie  anschließend zunächst nicht-öffentlich in einer Ratskommission abgelehnt.

Erste Pläne für Neubau-Projekt im Dezember 2023 vorgestellt

Die Politik will das Projekt, die Nachbarn sind dagegen. Jetzt gibt es erste Pläne, wie das umstrittene Neubaugebiet in Dorsten-Holsterhausen aussehen soll.  Auf dem Areal einer früheren Hoffläche will der Grundstückseigentümer 21 Wohnungen in drei Wohngebäuden mit jeweils zwei Geschossen und Satteldächern errichten, inklusive Tiefgarage. „Zu überdimensioniert“, meinen die Anwohner – und fordern, dass sich die Neubebauung an der Antoniusstraße/Krusenpad in Holsterhausen an den einstöckigen Bungalows nördlich des Grundstücks und nicht an den dreigeschossigen Mietshäusern auf der anderen Seite orientieren solle. In der Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses Ende 2023 versuchte die Stadtverwaltung, die Bedenken der Anwohner auszuräumen. Sie präsentierte Computer-Animationen des Konzeptentwurfs vom Architekturbüro Risthaus: Die geplanten Wohnblöcke sind demnach allesamt niedriger als die bestehenden Mehrfamilienhäuser, auch ein größerer Grünanteil sei vorgesehen. Die Initiative hatte in der September-Sitzung 2023 der Stadt einen Fragenkatalog vorgelegt, dessen Antworten die Verwaltung im Dezember der Politik präsentierte. Wortbeiträge seitens der Fraktionen dazu gab es aber keine.

Siehe auch: Bäume und Pflanzen (Artikelübersicht)
Siehe auch: Bäume (Essay)
Siehe auch: Bäume fürs Klima
Siehe auch: Baumkontrolle
Siehe auch: Baumschutzsatzung


Quellen: Gespräche W. Stegemann mit Anwohnern. – Veröffentlichungen in der DZ, vornehmlich von Michael Klein, vom 23, 25., 26., 30. August 2022, 3. September 2022.

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