Stärkungspakt-Gesetz NRW

350 Millionen Euro für überschuldete Gemeinden in Nordrhein-Westfalen

Sitzung Stärkungspaket im Dorstener Ratssaal; Foto entnommen Website Stadt Dorsten

Sitzung Stärkungspakt im Dorstener Ratssaal im Januar 2015; Foto: Website Stadt Dorsten

Die damalige rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen hatte ein weiteres zentrales Gesetz durchbringen können. Mit den Stimmen der FDP beschloss der NRW-Landtag Anfang Dezember 2011 den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“, der bis zum Jahre 2020 ein Gesamtvolumen von 5,8 Milliarden Euro hat. Mit der Summe sollen Not leidende Kommunen in Nordrhein-Westfalen unterstützt werden. In einer ersten Stufe wurden noch 2011 zunächst 34 stark überschuldete Kommunen, darunter Dorsten, mit insgesamt 350 Millionen Euro unterstützt. Das Kassenloch dieser 34 Städte zusammen betrug aber nicht 610 Millionen, wie das Land annahm, sondern 1,4 Milliarden, hatten Kämmerer betroffener Städte ausgerechnet. An dieser Summe ist die Dorstener Stadtkasse mit gut zwei Prozent beteiligt, aus den Beihilfen erhielt sie deshalb nur 0,9 Prozent.

Widerstand gegen den Pakt von der SPD der Emscher-Lippe-Region

Gegen den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ und der damit verbundenen harten Konsolidierungsmaßnahmen der NRW-Landesregierung formierte sich im Februar 2012 Widerstand in der der SPD der Emscher-Lippe-Region, der von der SPD-Fraktion im Marler Stadtrat angeführt wurde. Wegen der „haushälterischer Hoffnungslosigkeit“ und der heftigen Einschnitte bei den kulturellen und sozialen Leistungen und weitere Belastungen der Bürger müsse das Stärkungspakt-Gesetz nachgebessert werden. Eine Konferenz der Pleitestädte 2011 in Dorsten hatte deutlich gemacht, dass sich die Gemeinden nicht aus eigener Kraft aus der Schuldenfalle befreien können. Dorsten besitzt kein nennenswertes Vermögen mehr, allenfalls eine Beteiligung von 41 Prozent an der Dorstener Wohnungsgesellschaft (DWG) mit rund 800 Wohnungen. Viele dieser Wohnungen unterliegen der Mietpreisbindung.

Zehn Städte im Kreis mit Fehlberechnungen

Eine Neuberechnung der Landesbeihilfe im Stärkungspakt Stadtfinanzen brachte Dorsten Anfang Dezember 2012 eine Mehrzuweisung in Höhe von 4,1 Millionen Euro. Somit beteiligt sich das Land an der Schließung der Haushaltslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben (im Schnitt 22 Millionen Euro) in den Jahren 2013 bis 2016 nun mit jeweils 7,2 statt bisher nur 3,1 Millionen Euro. Grund für die Mehrzuweisung waren offensichtliche Falschberechnungen auf Grundlage fehlerhafter Statistiken. Auffällig ist, dass alle zehn Städte im Kreis deutlich mehr Beihilfe bekommen. Relativer Spitzenreiter ist Oer-Erkenschwick mit einem Plus von 370 Prozent.

Land legt 7,2 Millionen Euro für Dorsten „auf Eis“

Im Juli 2014 wurden die Stärkungspakt-Zuwendungen des Landes vorerst gestoppt, weil die Stadt Dorsten es versäumt hat (und mit Stand August 2014) immer noch versäumt, die jährlichen Rechnungsabschlüsse der Jahre 2009 bis 2012 endlich aufzustellen, die dem Land bis jeweils Oktober des darauffolgenden Jahres vorgelegt werden müssen. Der Kämmerer führt das Fehlen nötiger Fachkräfte in der Kämmerei an, die sich mit dem vor Jahren umgestellten Buchungssystems auskennen würden. Nach etlichen Mahnungen legte das Land 7,2 Millionen Euro vorerst auf Eis. Sollte im Sommer die Jahresabschlüsse fertig gestellt sein, wie der Kämmerei dies versprach, dann kann die Stadt über die bereits eingeplanten Landes-Millionen auch verfügen. Diese Nachlässigkeit der Stadt wird ihr rund 50.000 Euro an Zinsaufwand kosten. Denn die eingeplanten und jetzt fehlenden Landsmittel müssen nun durch Kredite beschafft werden.

Stärkungspakt-Kommunen trafen sich im Dorstener Rathaus

Ende Januar 2015 trafen sich 30 Vertreter aus 28. Stärkungspakt-Kommunen in Dorsten. Schwerpunktthemen waren diesmal die Einplanung der Eingliederungshilfe nach dem geplanten Bundesteilhabegesetz in die Haushaltssanierungspläne und die Kosten der Asylbewerber. Bürgermeister Tobias Stockhoff leitete das Gremium, bei dem sich alle Anwesenden einig waren, dass die geplante Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe für Behinderte noch vor 2018 bei den Kommunen ankommen muss und die Kommunen sowohl von der Anzahl der zugewiesenen Asylbewerber als auch von den dadurch verursachten Kosten erdrückt werden. Gleichwohl gelte es, die Asylbewerber zu integrieren und eine angemessene Willkommenskultur zu implementieren (Website Stadt Dorsten).

„Gemeinsam gegen Armut“: Sicherung der sozialen Infrastruktur

Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt die Stadt im Jahr 2023 mit zusätzlichen finanziellen Mitteln in Höhe von fast 448 000 Euro zur Sicherung der sozialen Infrastruktur. Die krisenbedingt steigenden Ausgaben und die gleichzeitig verstärkte Inanspruchnahme stellen auch die Einrichtungen der kommunalen sozialen Infrastruktur vor besondere Herausforderungen. Über den Stärkungspakt „NRW – gemeinsam gegen Armut“ hat das Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales den Städten und Kreisen Geld zur Verfügung gestellt, um Härten aufzufangen und die soziale Infrastruktur zu stabilisieren, damit Menschen in Notlagen durch soziale Angebote oder Einzelfallhilfen weiter zuverlässig geholfen werden kann. Soziale Einrichtungen und Angebote sind insbesondere in Krisenzeiten wichtige Anlaufstellen für Menschen, die auf Unterstützung und Beratung angewiesen sind, weil sie von Armut oder sozialer Ausgrenzung besonders betroffen sind. Ein Indiz für existentielle Problemlagen und besonders belastende Lebenssituationen ist der Bezug von Mindestsicherungsleistungen. Wie viel Geld eine Kommune erhält, berechnet sich darum nach der Zahl der Leistungsempfänger/innen. Je betroffener Person erhalten die Städte 63 Euro. 2023 stehen der Stadt Dorsten laut Bescheid des Ministeriums damit 447.993 Euro zur Verfügung.
Dorstens Sozialdezernentin Nina Laubenthal möchte diese Gelder bedarfsgerecht und zielgenau an betroffene soziale Einrichtungen weiterleiten. Vor dem Hintergrund krisenbedingt gestiegener Energiekosten und der aktuell hohen Inflation sollen diese Mittel unter anderem dazu beitragen, dass Beratungsstellen und Einrichtungen der sozialen Infrastruktur ihre Arbeit aufrechterhalten, Angebote fortführen oder sogar ausweiten können. In Einzelfällen könnten Gelder zur Unterstützung bei besonderer finanzieller Härte eingesetzt werden.
„Mit vielen Institutionen und Einrichtungen haben wir bereits Kontakt aufgenommen“, so die Sozialdezernentin, „Wir werden gemeinsam planen, wo finanzielle Mittel aus dem Stärkungspakt NRW benötigt werden und vor allem dafür Sorge tragen, dass soziale Angebote nicht eingeschränkt oder geschlossen werden müssen. Im Vergleich zu der Abwicklung von sonstigen Fördermitteln räumt uns das Ministerium mehr Flexibilität ein und hat angekündigt, mit einem vereinfachten Abrechnungs- und Nachweisverfahren den bürokratischen Aufwand zu verringern. Dies gibt uns die Möglichkeit, die Mittel in 2023 kurzfristig für die wertvolle Arbeit der Institutionen und Träger sowie für Maßnahmen zum sozialen Ausgleich einzusetzen.“

Altschuldenlösung in NRW: Ein „vergiftetes Geschenk“ an die Kommunen

Die Zinsen steigen, die Städte im Vest geraten zunehmend unter Druck. Jetzt sollen sie ihre Entschuldung auch noch selbst bezahlen. Jahrelang haben die Städte im Kreis Recklinghausen darauf gewartet, dass sich Bund und Land des Problems der kommunalen Überschuldung annehmen. Nun hat das Land einen „Einstieg“ in die Entschuldung der Städte angekündigt. Doch die Begeisterung hält sich NRW-weit in Grenzen. Auch Bodo Klimpel (CDU), Landrat des Kreises Recklinghausen, spricht von einem „vergifteten Geschenk“. Nach den im Juni 2023 von der Landesregierung im Juni 2023 vorgestellt haben Plänen, soll ab Mitte 2024 die Hälfte der kommunalen Altschulden von fast 20 Milliarden Euro in Landesschulden „überführt“ werden. Die zehn Städte des Kreises Recklinghausen wären auf diese Weise 666 Millionen Euro an Verbindlichkeiten los. Dabei handelt es sich ausschließlich um sogenannte Kassenkredite, die vergleichbar sind mit einem Dispo-Kredit für Privathaushalte, und nicht um Darlehen, mit denen bleibende Werte geschaffen werden. Auf anhaltende Kritik stößt, dass das Land die übernommenen Schulden nicht mit eigenem Geld aus dem Landeshaushalt abzahlt, sondern es dem Kommunalanteil an der Grunderwerbssteuer entnimmt. Von der Initiative könnten am Ende 199 der 429 Kommunen in NRW profitieren. Doch für welche Städte im Vest sich das tatsächlich rechnet, war noch gar nicht abzusehen, so Bodo Klimpel, Landrat und Kommunalfinanzexperte. 1,331 Milliarden Euro betrug die Schuldenlast der zehn Städte im Kreis Recklinghausen allein bei den Kassenkrediten /Stand: Juli 2023). Seit rund 20 Jahren sehen die Kommunen sich gezwungen, zunehmend Kassenkredite aufzunehmen, um vor allem die Sozialausgaben zu finanzieren.
Der NRW-Stärkungspakt Stadtfinanzen hat zwar vorübergehend Entlastung gebracht, aber die Folgen der Sparzwänge lassen sich heute unter anderem an maroden Straßen, Brücken und Schulen ablesen. Zudem werden Bürger und Unternehmen im Vest mit überdurchschnittlich hohen Grund- und Gewerbesteuern belastet. Bund und Land hätten den richtigen Zeitpunkt zur Entschuldung verpasst, sagt Bodo Klimpel und verweist auf die Jahre, als die Zinsen bei Null lagen. „Alle haben damals vor der Gefahr eines Zinsanstiegs gewarnt“, so der Landrat. Jetzt sei dieser Fall eingetreten und ein Ende nicht abzusehen. Die Folgen zeichnen sich bereits ab: Die ersten Städte im Vest – Herten, Gladbeck und auch Dorsten – haben die Grundsteuern erhöht.


Quellen: Pressestelle Stadt Dorsten,Febr. 2023. – DZ vom 6. Juli 2023.

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