Stadtbibliothek II

Kein „Schweinkram“ in Dorstener Bücherregalen wie 1983 in Burgdorf

Im Jahr1983 schwappte in Teilen Deutschlands eine Welle der Suche nach pikantem Lesestoff durch Stadt- und Gemeindebibliotheken. Durchsucht wurden die Regale nach erotischer Literatur, jugendgefährdenden Schriften, Gewalt darstellende Krimis oder auch nur billigen Schmöker. Die Säuberungswelle erreichte auch die Dorstener Stadtbibliothek, deren damaliger Leiter, Herbert Stöckle, der Presse gegenüber versicherte, dass es keinen „Giftschrank“ mit erotischer Literatur gebe und ansonsten 1983 lediglich zehn Taschenbuch-Krimis entfernt wurden, indiziert von der Bundesprüfstelle, darunter die Titel „Verschwörung auf Korfu“, „Die Eiszeitfalle“, Zwischenfall in Beirut“, und „Al Wheeler und die Nackte“.

Peinliche Aussortierung in der Stadtbücherei Burgdorf schreckte auf

Herbert Stoeckle 1983

Aufgeschreckt wurden die öffentlichen Bibliothekare durch den als „Burgdorf-Story“ in die Bibliothekengeschichte eingegangener und eigentlich recht lächerliche Vorfall, wenn er nicht politischen und auch juristischen Wirbel verursacht hätte, woraus dann ein handfester Skandal wurde, obwohl die Hintergründe politisch-privat waren. Kurz gefasst: Der Stadtdirektor im niedersächsischen Burgdorf veranlasste mit Billigung aller dortigen Ratsparteien, dass über den Kopf des Büchereileiters hinweg „pikanter Lesestoff“ aus der Bücherei entfernt wurde, der dann die Gerichte befasste. Es ging in Burgdorf nicht nur darum, dass die Bücher, die der Verwaltungschef für „Schweinkram“ hielt, aus der Bibliothek verschwinden sollten. Darüber hinaus wurden die Namen der Entleiher „erotisch“ anmutender Literatur registriert. Peinlich für den Stadtdirektor und die Lokalpolitiker stellte sich dann auch heraus, dass sich darunter auch naturkundliche Bücher wie „Das Bikini-Atoll“ befanden.

Stadtdirektor Zahn: „Ein Burgdorf wird es bei uns nicht geben“

Nach der Dorstener Gemeindeordnung hätten der Stadtdirektor (heute Bürgermeister) sowie der zuständige Dezernent das Recht, dem Bibliotheksleiter Vorschriften zu machen. Noch früher gab es in Dorsten sogar einen Büchereiausschuss, der über die Anschaffung von Büchern befand. Amtsleiter wie der Büchereichef, sind weisungsgebunden. Dorsten früherer Stadtdirektor Dr. Karl-Christian Zahn war bekannt dafür, dass er häufig Titelvorschläge dem Bibliotheksleiter einreichte, die dieser dann bestellte. Über das dienstliche Verhältnis zwischen Stadtdirektor und Büchereileiter Stöckle meinte der Stadtdirektor damals auf Anfrage: „Wir befruchten uns gegenseitig“. Und beide meinten gegenüber den Ruhr-Nachrichten wie aus einem Munde: „Ein Burgdorf wird es bei uns nicht geben.“ – Das hat es dann auch nicht.

Siehe auch: Stadtbibliothek I
Siehe auch: Bücherschrank


Quelle: Wolf Stegemann „Kein Platz für harten Sex in Bücherregalen“ in RN vom 12. Mai 1984

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