Skulpturenmuseum Glaskasten Marl

Blick in die Nachbarstadt: Ausstellungsprojekt nimmt Abschied vom Bergbau

Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl; Fotos (3): Kampshoff

Von Mai bis September 2018 widmet sich das das Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl dem Abschied vom Bergbau. 17 der 20 als Ruhr-Kunst-Museen zusammengeschlossenen Häuser bestreiten das größte städteübergreifende Ausstellungsprojekt, das es bislang in Deutschland gab. Jedes Haus gibt sich dabei seinen eigenen Schwerpunkt. In Marl geht es mit experimentellen Arbeiten unter dem Arbeitstitel „Kampf um die Kohle“ mit Skulpturen, Video und Klangkunst unter die Erde. Ein zentrales Kunstwerk der Ausstellung wird sich mit dem Ereignis beschäftigten, das als „The Battle of Orgreave“ in die Bergbaugeschichte Großbritanniens einging. 1984 ging die britische Polizei gewaltsam gegen streikende Bergleute vor. 2001 ließ der Künstler Jeremy Deller’s die als bürgerkriegsähnlich beschriebene Stimmung in einem Video nachspielen. Zum Ende des Bergbaus kommt das Video im Museum zur Aufführung. Außerdem gibt es eine Arbeit von Janet Bix über eine Ingenieurin, die in der Arktis Kohle abbaut und eine Klanginstallation von Denise Ritter mit Geräuschen von unter Tage, die auf der Bottroper Zeche Prosper Haniel entstanden ist. Geplant sind Begleitveranstaltungen – unter anderem Fahrradtouren auf den Spuren der Kohle und ein Presslufthammer-Konzert. In den 1950er bis 1970er Jahren, als die Wirtschaft im Ruhrgebiet florierte und die Bevölkerungszahl stetig wuchs, entstanden Tausende von Gebäuden, die bis heute das Bild der Region prägen. Neben zahlreichen Werken namhafter Architekten wurden auch viele unbekannte Schätze geschaffen – Verwaltungsgebäude, Museen, Schulen, Kirchen, aber auch Wohnhäuser sowie viele städtebauliche Ensembles –, an denen sich der Wohlstand und die Experimentierfreude dieser Zeit ablesen lassen. Mittlerweile hat nicht nur die industrielle und demografische Entwicklung den Zenit überschritten, sondern oft auch der bauliche Bestand. Viele Gebäude sind sanierungsbedürftig, entsprechen nicht mehr den Anforderungen an Energieeffizienz und Barrierefreiheit. Häufig drohen der Abriss oder die massive Überformung.

Eine Idee hatte Erfolg – auch Kunst im öffentlichen Raum

Kuballs „Les Fleurs du Mal (Blumen für Marl)“

Lange vor Gründung des Museums hat sich die Stadt Marl in ihrer Sammeltätigkeit auf die Skulptur – insbesondere die zeitgenössische – konzentriert. Der Grundstein für das Skulpturenmuseum Glaskasten wurde beim Bau der Marler Paracelsus-Klinik in den 1950er-Jahren gelegt – genauer: bei einem Kunst-am-Bau-Wettbewerb, aus dem Karl Hartung als Sieger hervorging. Die Stadt kam auf den Geschmack und schaffte in der Folgezeit erfolgreich erstrangige Werke für den öffentlichen Raum an, ähnlich wie es auch in den 1980er-Jahren der Dorstener Kunstverein mit der Sammlung Glasmalerei Anfangserfolge hatte, dann aber, als die Exponate der Stadt übergeben wurde, nichts mehr daraus wurde – lediglich Wandschmuck in Büros und Amtsräumen (siehe: Glasmalerei). 1970 und 1972 fanden Skulpturenmuseum Glaskasten zwei bundesweit beachtete Ausstellungen unter dem Titel „Stadt und Skulptur“ statt, die Marl nach einem kuratorischen Plan zum Kunstort weiterentwickelten. Früher noch als die große Skulpturenschau in Münster wurde das demokratische Projekt der Kunst im öffentlichen Raum in voller Breite umgesetzt – mitsamt kontroverser Diskussionen: So entbrannte 1979 ein heftiger Streit um eine Skulptur von Richard Serra. Heute noch ist eine andere Skulptur von ihm Teil des Stadtzentrums. Zum offiziellen Museumsgelände zählen weiterhin die Paracelsus-Klinik und der ehemalige Friedhof an der Sickingmühler Straße. Zu sehen sind an den genannten Orten dieses Freilichtmuseums rund 100 Großskulpturen, etwa die umgedrehte Eisenbahn „La Tortuga“ von Wolf Vostell, die „Naturmaschine“ von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff oder „Das ruhende Blatt“ von Hans Arp.

Sammlung der Klassischen Moderne und zeitgenössischen Kunst

Einblicke

1982 eröffnete im 50er-Jahre-Rathausbau der Architekten van den Broek und Bakema der »Glaskasten«, das Gravitätszentrum des Parcours mit seinen Skulpturen der Klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst. Werke von Rudolf Belling, Alberto Giacometti und Henri Laurens sind hier permanent zu sehen. Außerdem bewahrt die Sammlung Lichtkunstarbeiten, darunter eine Farbraumkabine von James Turrell, sowie Klangkunstinstallationen. Mit dem seit 1984 vergebenen Marler Video-Kunst-Preis – 2002 ergänzt durch den Deutschen Klangkunstpreis – wurde die Medienkunst zum zweiten Standbein des Museums. Das Programm des Museums ist davon geprägt, aber natürlich finden regelmäßig auch thematische Wechselausstellungen zur Skulptur und Einzelausstellungen wichtiger Bildhauer statt. Wie die Architektur und der Städtebau der so genannten Ruhrmoderne zukünftig weiterentwickelt werden können und welche Potenziale das oft ungeliebte Erbe bietet, darüber diskutierten Fachleute im Rahmen eines von dem Architekten Theo Deutinger initiierten und von StadtBauKultur NRW unterstützten Workshops vom 14. bis 16. Januar 2016 in Marl. Die Veranstaltung war der Auftakt zu einer geplanten Initiative, in der sich junge und innovative Architekten, Künstler und Wissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen mit Vertretern der Regional- und Landschaftsverbände sowie der Kommunen im Ruhrgebiet zusammenschließen wollen. Langfristiges Ziel sind eine Inventarisierung und Bewertung der umfassenden baulichen Bestände sowie die Entwicklung von Ideen für Erhalt, Umbau und Neunutzung. Dabei soll es vor allem auch darum gehen, ein breites Bewusstsein für die herausragenden architektonischen und städtebaulichen Qualitäten der Ruhrmoderne zu schaffen.

Das Ende der Ausstellungen im Glaskasten

Zum letzten Mal wurde im November 2021 im Marler Glaskasten eine Ausstellung eröffnet. Das renommierte Museum für Skulptur, Klang- und Videokunst weicht für die kommenden zwei Jahre in ein kleineres Quartier aus. 2024 wird das über die Grenzen Marls angesehene Haus neu eröffnet, etwa 500 Meter entfernt vom bisherigen Standort.

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