Messerstecher auf dem Schulhof

Eifersucht: 16-Jährige von jungem Holsterhausener schwer verletzt

Angeklagt vor dem Essener Landgericht wegen Mordversuchs; Foto: Jörn Hartwich (DZ)

„Ich habe sie umgedreht und zugestochen – in die Schulter, in den Bauch und in den Kopf.“ Mit diesem Satz hat ein 20-jähriger Mann aus Holsterhausen im Februar 2018 vor dem Essener Landgericht eine unfassbare Bluttat gestanden. Das angebliche Motiv: Liebe und Eifersucht. Es war ein aufsehenerregender Fall. Eine 16-Jährige hatte sich am 4. September 2017 spätabends mit dem 20-Jährigen aus Holsterhausen, einem ihr bekannten Mann, auf dem Schulhof der Pestalozzi-Schule getroffen. Der Mann zückte ein Messer und stach die junge Frau aus Eifersucht nieder, zerschnitt ihr das Gesicht, die Schultern und brachte ihr im Bauch eine 25 Zentimeter lange Wunde bei. Sie konnte schwer verletzt noch um Hilfe rufen. Das Operationsteam im Recklinghäuser Krankenhaus rettete ihr mit einer Notoperation das Leben. Im Februar 2018 kam es vor dem Landgericht Essen zum Prozess. Die Anklage lautete auf Mordversuch. Darüber hinaus ging es im Prozess auch noch um einen Einbruch und um zwei bewaffnete Raubüberfälle – unter anderem auf einen Imbiss an der Borkener Straße in Holsterhausen. Mit dem 20-Jährigen saß seine 27-jährige damalige Geliebte auf der Anklagebank. Denn diese, so der Angeklagte vor Gericht, soll ihm die Tat befohlen und ihm wörtlich gesagt haben, dass er die 16-Jährige „umbringen“ soll. Und zwar binnen zwei Tagen, sonst würde sie das selbst übernehmen. Daher lautete die Anklage auch auf „gemeinschaftlich begangene Mordversuch“. Die 27-jährige, Mutter einer vierjährigen Tochter, bestritt ihre Beteiligung vehement. Sie habe ihren Partner zwar zum Tatort gefahren und hinterher auch bei der Verbrennung der blutigen Kleidung geholfen. Aber nur, weil sie generell nicht „Nein“ sagen konnte.

Heimliche Dreiecksbeziehung: Liebesschwüre wurden bekannt

Der 20-Jährige war erst ein halbes Jahr vor dem Mordversuch aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Raub- und Diebstahlstaten eine dreijährige Jugendstrafe verbüßt hatte. Die 27-Jährige lernte er in einer Disco kennen. „Ich habe die Frau geliebt“, sagte er im Prozess. Er habe die Tat nur ausgeführt, weil er sie nicht verlieren wollte. Seine Partnerin habe ihm sogar genau gesagt, dass er in den Hals stechen und die Pulsadern durchtrennen solle. Dass er die Tat praktisch sofort ausgeführt hatte, entsetzte die Prozessbeteiligten. Im Prozessverlauf wurde immer deutlicher, dass das Motiv für die Tat wohl in einer heimlichen Dreiecks-Beziehung lag. Auf der einen Seite der Angeklagte, auf der anderen Seite zwei junge Frauen: seine Partnerin und das spätere Opfer. Obwohl der Angeklagte damals schon halb bei seiner nun mitangeklagten Partnerin eingezogen war, hatte er unentwegt Liebesbeteuerungen an die damals 16-Jährige geschickt, die er seiner 27-jährigen Partnerin verschwieg. Die 16-Jährige schickte die Liebesschwüre allerdings an einen Bekannten, der leitete sie an die Partnerin des Angeklagten weiter. Sofort waren die Flirts vorbei. Statt Herzchen tauchten auf dem Handy der 16-Jährigen nun Wutnachrichten auf: „Du hast alles kaputtgemacht, was mir wichtig war“, schrieb der 21-Jährige. Auch dessen mitangeklagte Ex-Partnerin war wütend, als sie von den heimlichen Flirt-Geschichten erfuhr.

Notärztin als Zeugin: „So etwas hatte ich noch nicht gesehen“

„Ich habe über 10.000 Einsätze gefahren“, erklärte die Notärztin als Zeugin, die das Opfer erstversorgt hatte. „Aber so etwas hatte ich noch nicht gesehen.“ Die 16-Jährige hatte schwerste Schnittverletzungen im Gesicht, alles sei voller Blut gewesen. Die Augen seien völlig zugeschwollen gewesen, eine Pupille war größer als die andere. „Ich hatte größte Sorgen, dass sie ein Schädelhirntrauma davongetragen hatte und dass die Lunge getroffen worden ist.“ Das Mädchen war damals sofort in ein künstliches Koma versetzt worden, damit es transportiert werden konnte. Dann ging es mit dem Rettungswagen nach Recklinghausen. Dort wurde sofort operiert. „Der Hubschrauber hätte zu lange gedauert.“ Die Straßen waren von einem vorausfahrenden Wagen geräumt worden, um keine Zeit zu verlieren. Es gab auch Ohrenzeuginnen, die lautes Schreien auf dem abendlichen Schulhof hörten. Doch sie hatten sich dabei nichts gedacht, weil sich auf dem Schulhof oft Jugendliche aufhielten, die lärmten und schrien.

Blutverschmierte Kleidung in der Kiesgrube verbrannt

Nach der Bluttat soll der Täter äußerlich ganz cool gewesen sein. Das geht aus einer früheren Aussage seiner mitangeklagten Ex-Partnerin hervor, die im Gericht vorgelesen wurde. „Er nahm mich in den Arm und sagte: Jetzt wird alles gut.“ Die 27-jährige Mutter einer kleinen Tochter wollte ihren Partner zur Rede gestellt haben, als sie ihn nach der Tat zu einer Kiesgrube fahren sollte. Er hatte damals eine Tüte mit Kleidung dabei gehabt. „Da war was Rotes dran“, sagte sie. Der Täter hat dann seine blutverschmierte Kleidung verbrannt. Dass der 21-jährige Holsterhausener kurz zuvor eine 16-jährige Bekannte auf dem Schulhof der Pestalozzi-Schule fast umgebracht hatte, habe sie nicht gewusst. „Er hat mir gesagt, dass er sie geschlagen und getreten und die Kontrolle verloren hat.“ Und dann soll er noch gesagt haben: „Jetzt redet sie nicht mehr.“ Der 21-Jährige hatte die Tat lange bestritten. Im Untersuchungsgefängnis soll er sich dann aber erstmals einem Mithäftling anvertraut haben, der die Information erst an einen Justizbeamten und dann an eine Gefängnispsychologin weitergegeben hatte. Der Mithäftling war daraufhin aus Sicherheitsgründen sofort von der Abteilung verlegt worden.

Versuchter Mord: Beide Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt

Das Landgericht verurteile den 21-jährigen Holsterhausener zu neun Jahren Jugendhaft. Gegen seine mitangeklagte Ex-Freundin wurden sogar noch vier Monate mehr verhängt. In die Urteile beider Angeklagter ist auch noch ein Raubüberfall auf einen Imbiss an der Borkener Straße eingeflossen. Dass die 27-Jährige härter bestraft wurde, hing mit ihrem Alter zusammen. In ihrem Fall musste zwingend das schärfere Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. Der eigentliche Täter wurde dagegen nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt. Die 27-Jährige hatte bereits nach dem Plädoyer der Staatsanwältin, die in ihrem Fall sogar zwölf Jahre Haft beantragt hatte, bittere Tränen geweint. Sie hatte zu jedem Verhandlungstag Fotos von ihrer vierjährigen Tochter mitgebracht, die sie seit ihrer Inhaftierung Ende des vergangenen Jahres nicht mehr gesehen hatte. Die Richter am Essener Landgericht waren überzeugt, dass sie ihren damaligen Freund angestiftet hatte, die 16-Jährige, die sie als Nebenbuhlerin betrachtet habe, zu töten. „Wenn Du es nicht machst, mach‘ ich es.“ So oder so ähnlich soll sie sich damals ausgedrückt haben. Sie selbst hatte das allerdings bis zuletzt bestritten und auf einen Freispruch gehofft.


Quellen: Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der Berichterstattung von Jörn Hartwich in der DZ vom 26. Febr., 27. Febr., 5. März, 9. März, 18. März, 13. April 2018

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