Moises, Familie

2013 Gedenktafel am früheren Wohnhaus in Wulfen angebracht

Gedenktafel am Haus Moises in Wulfen (2014); Foto: Christian Gruber

Gedenktafel am Haus Moises in Wulfen (2013); Foto: Christian Gruber

Fünfundsiebzig Jahre nach der so genannten Reichpogrom-Nacht 1938, in der in Wulfen auch die jüdische Familie Moises drangsaliert worden war, erinnerte am 11. November 2013 der Heimatverein Wulfen an dieses Geschehen, indem er am früheren Wohnhaus der Familie Moises an der Hervester Straße eine Informationstafel anbrachte. Hauseigentümerin ist heute die Sparkasse Vest, die das Erinnerungsprojekt unterstützte.

Abraham Moises (auch Moses), Metzger und Tagelöhner, kam mit einem Geleitbrief des Fürsten Salm-Salm im Jahre 1800 von Borken/Anholt nach Wulfen. Er hatte vier Kinder. Der älteste Sohn, Moises Moises, war Metzger und hatte drei Kinder, darunter Meier Moises (geb. 1862), der die Generationslinie in Wulfen fortsetzte. Er heiratete Johanna Jacob. Sie starb 1945 in Palästina, er starb 1937 in Wulfen. Bis 1930 wohnten die Moises in der Matthäusgasse 2 (heutige Nummerierung), dann errichtete die Familie 1930 für 60.000 Mark das zweigeschossige Haus an der Hervester Straße, wo die Gedenktafel angebracht wurde. Das Ehepaar hatte sieben Kinder: Susanne, Adolf, Hermann, Josef, Henriette, Adele und Paula. Susanne, Adolf und Hermann starben im Kindesalter, Paula und Adele wurden im KZ ermordet, Josef und Henriette wanderten 1933 bzw. 1938 nach Palästina aus. Joseph Moises war verheiratet mit Senta Wieler. Sie hatten eine Tochter Miriam, die 1944 in Palästina geboren wurde.

1938 wurde Josef Moises zur Ausreise nach Palästina gezwungen

Zurück nach Wulfen des Jahres 1938. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen, jüdische Geschäfte wurden zerstört, jüdische Bürger erschlagen und Tausende in die Gefängnisse und Konzentrationslager gebracht. Josef Moises kam ins Dorstener Gefängnis, wo er unterschreiben musste, dass er Deutschland verlässt. Das tat er dann auch. Seine Schwester Adele wurde in dieser Nacht von Wulfener und Borkener SA-Männern durch Wulfen gepeitscht, ein Wulfener Junge warf Steine auf sie, bekam von seinem Vater hinterher Ohrfeigen. Bei einem Gebüsch in Deuten rissen SA-Männer Adele Moises, verheiratete Wieder, die Kleider vom Leib, so dass sie nackt auf den Bahngleisen nach Hervest zu flüchten versuchte, um bei der Polizei Schutz zu suchen. Sie und ihr Mann wohnten danach in Recklinghausen, wurden von dort nach Riga deportiert und ermordet (siehe Zeugenschilderung „Im Herzen die Heimat bewahrt“ in www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de.). Wohnhaus und andere Grundstücke wurden „arisiert“. 1979 besuchte Joseph Moises seine Heimat, um das Grab seines Vaters aufzusuchen. In der Gaststätte Humbert saßen alte Bekannte von früher. Er hörte, wie sie ihn abwiesen mit den Worten, was denn der Jude hier wieder will. Obwohl er die Peitschenschläge sicher nicht vergessen hat, die er und seine Frau erhalten haben, als sie bei der Abreise nach Palästina zum Wulfener Bahnhof liefen, verlor er kein Wort der Anklage. Er sagte nur: „Es war eine verrückte Zeit!“

Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus in Wulfen

Zurück zur Gegenwart des Jahres 2013. Beim Anbringen der Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus der Familie Moises sagte Bürgermeister Lambert Lütkenhorst über die Täter, dass es „ganz normale Bürger von nebenan“ gewesen seien, welche die todbringende NS-Ideologie des Rassenwahns verinnerlicht hatten und ohne erkennbar schlechtes Gewissen diskriminierten und mordeten. Für heute bedeute dies, so der Appell des Bürgermeisters, die Augen offen halten für Tendenzen des Rassismus und „Nein“ sagen zu Menschenverachtung und Fremdenfeindlichkeit.

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