Jiddisches Liederfestival

Diese erste Veranstaltung in Westfalen von 1985 war ein voller Erfolg

Im März 1985 fand in Dorsten zur „Woche der Brüderlichkeit“ das erste „Jiddische Liederfestival“ in Westfalen statt, das der damalige Leiter der Volkshochschule, Franz-Josef Stevens, organisierte. Die Aula des Gymnasium Petrinum war brechend voll und strafte damals alle die Lügen, die behaupteten, Dorstens Kulturveranstaltungen seien allzu provinziell. Die „Ruhr Nachrichten“ schrieben dazu: „Leider war  Anwesenheit maßgeblicher Kulturpolitiker der Stadt bei der höchst bemerkenswerten Veranstaltung trotz intensiver Ausschau nicht auszumachen.“

Gefördert vom Kultusministerium Nordrhein-Westfalens

Lin Jaldati

Lin Jaldati, die “Grand Dame” des jidd. Lieds

Mitfinanziert wurde das Liederfestival vom Kultusministerium NRW. Fünf Gruppen und Sänger mit großen Namen der jiddischen Sangeskunst des Ostjudentums traten auf. Durch das Programm führte der Wuppertaler Manfred Lemm, der mit dem Balalaika-Ensemble „Druschba“ das Festival mit Liedern des Krakauer Arbeitersozialisten, Volkssängers und Arbeiterdichters Mordechai Gebirtig (1877-1942) eröffnete. Gebirtigs Lieder waren mit ihren zündenden Texten Hymnen des jüdischen Widerstands in den Ghettos des Ostens. Aus München kam die israelische Sängerin Nizza Thobi (heute verheiratete Thobi-Stegemann). Auch ihre temperamentvoll vorgetragenen Lieder erinnerten an den Widerstand jüdischer Partisanen in den Ghettos von Wilna und Warschau. Das Duo Hai & Topsy Frankl trug chassidische Lieder mit meist hochpolitischen Inhalten vor, ganz gleich, ob sie von Liebe und Verheiratung, Widerstand und Emanzipation, Vernichtung und Hoffnung („Mir lejbn eibik“) berichteten. Die Dortmunder Gruppe „Kinderlech“ erfrischte durch eine teilweise sanfte Verjazzung traditioneller Lieder des Antifaschismus. Zum Schluss trat die Wittener Tanzgruppe Ma’agal auf, die etwas steril die Zuschauer am Schluss der Veranstaltung zum Mittanzen aufforderte. Diesem ersten Jiddischen Liederfestival folgten einige weitere, darunter ein exzellenter Höhepunkt mit der Ostberliner Jüdin Lin Jaldati und Familien-Ensemble. Weitere jiddische bzw. jüdische Liederabende in Dorsten übernahm in der Folge das Jüdische Museum Westfalen.

Jiddische Sprache, Musik und Literatur

Das Jiddische ist die Volkssprache des nicht assimilierten aschkenasischen Judentums, früher auch als „Jüdisch“ oder „Hebräisch-Deutsch“ und im Jüdischen selbst als „Mame-Loschn“ (Muttersprache) bezeichnet. Trotz der Vernichtung eines großen Teils (etwa 5 Millionen) der jiddischen Sprachgemeinschaft im Holocaust, blieb Jiddisch die bis heute am weitesten verbreitete jüdische Sprache mit schätzungsweise 5-6 Millionen Sprechern (u. a. in Nord-Amerika und Israel, Ost- und Westeuropa), denen Jiddisch zumindest als Zweitsprache geläufig ist. Entstanden ist die jiddische Sprache im 10. Jahrhundert mit der Einwanderung von Juden aus Gebieten mit romanischer Sprache in rheinische und donauländische Regionen. Im Jiddischen haben sich auch eine eigenständige Literatur, Musik und der jiddische Film und das Theater entwickelt.


Quellen:
Wolf Stegemann in RN vom 18. März 1985. – Ders. Gespräch mit Nizza Thobi-Stegemann in München, Februar 2013.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone