Hunekuhl, Paul

Ein Exotisches Leben par excellence: Dorsten, Philippinen und New York

Von Wolf Stegemann – 1888 in Jülich bis 1944 in New York; Kaufmann, Fabrikbesitzer, Seemann, ausgewandert auf die Philippinen und nach New York, US-Staatsbürger seit 1916. – Der Name Hunekuhl ist in Dorsten nicht unbekannt. Von 1955 bis 1989 gab es in der Altstadt eine „Elisabeth-Hunekuhl-Straße“. Elisabeth Hunekuhl war seine Mutter. In Dorsten drückte Sohn Paul auf dem Gymnasium Petrinum die Schulbank, wie seine Brüder Hans (*1891) und Hermann (*1900) auch. Die Familie wohnte an der Gahlener Straße und zog vor oder nach dem Ersten Weltkrieg von Dorsten nach Vreden um. Zum Abitur gelangte Paul Hunekuhl allerdings nicht. Denn sein Vater Bernhard Hunekuhl, ein als herrisch bekannter Mann, nahm ihn vorzeitig und in einer zornigen Aufwallung von der Schule. Der Grund? Zur Stammtischrunde des Vaters gehörte ein Lateinlehrer des Gymnasium Petrinum, den die Schüler Hans und Paul im Unterricht hatten und der ihnen sehr „unangenehm“ war. Er erzählte Pauls Vater, dass sein Sohn Paul – warum und mit welcher Waffe ist nicht bekannt – auf seinem an Wiesen entlang führenden Schulweg eine Kuh erschossen hatte. In der Familie erinnerte man sich daran: „Das führte zu einem Riesen-Aufruhr in der Schule, so dass der Vater seinen Sohn kurzerhand vom Gymnasium nahm und zur Marine steckte. Paul kehrte von Heimweh geplagt bald nach Dorsten, aber nicht auf die Schulbank zurück und begann eine Kaufmannslehre. Der erwähnte Lateinlehrer, obwohl Geistlicher, war allzu prügelfreudig und wurde von Paul und Hans gehasst. Er verstärkte Pauls Skepsis gegenüber der Kirche, deren untadeliges Bild schon in seiner Kindheit durch die unsensiblen Fragen eines bigotten Beichtvaters einen Riss bekommen hatte.“

Paul verbrachte den Ersten Weltkrieg in Manila und New York

Paul Hunekuhl in Jülich

Offensichtlich hatte Paul Hunekuhl das „unruhige Blut“ seines Vaters geerbt. Dieser hatte als Reisender einer Schuhfabrik in Ahaus oft wochenlang Europa und seine Randmeere bereist und kehrte mit Verkaufserfolgen, Aufträgen oder Leder­einkäufen zu seiner vielköpfigen Familie zurück. Es bleibt offen, ob sein Sohn Paul seine Seefahrtzeit bei der Kriegs- oder Handelsmarine verbrachte. Über die anschließende Kaufmannslehre ist auch nichts bekannt; ebenso wenig weiß man etwas über seine Zeit danach. Fest steht aber, dass Paul Hunekuhl sich schon vor dem Ersten Weltkrieg auf den Philippinen aufhielt. 1911 schickte er von dort ein Foto an seine Familie. Er kam aber im gleichen Jahr in seine Heimat zurück. Wann Paul wieder zu den Philippinen abreiste, ist nicht  bekannt. Von Manila sandte er am 15. Februar 1913 ein Photo an seine Mutter in der Gahlener Straße 21/6 in Dorsten/Westfalen Germany. Er schrieb: „Liebe Mutter! Für heute nur ein paar Zeilen als Beruhigung. Mir geht es gut. Vielen Dank für Deinen Weihnachtsbrief…“  Die Familie Hunekuhl ist entweder vor oder nach dem Ersten Weltkrieg von Dorsten nach Vreden verzogen.

In New York heiratete er zweimal und machte sich der Bigamie schuldig

Paul Hunekuhl (l.)  auf den Philippinen

Der Erste Weltkrieg verhinderte Heimatbesuche. Paul Hunekuhl übersiedelte 1916 von den Philippinen nach New York, erhielt die US-Staatsbürgerschaft und nannte sich Paul H. Wilde.  Das H. stand für Huhnekuhl und Wilde war der Mädchenname seiner Mutter. Er heiratete die Amerikanerin Jean.  An seine Familie schickte er Fotos mit der Beschriftung „Your children from the U.S., Jean and me in New York 1916”. Die Ehe dauerte nicht lange. Er ließ sich scheiden und heiratete eine Japanerin, die in der Hunekuhl-Familie den Spitznamen „Geisha“ hatte. Da war er aber noch mit Jean T. Wilde verheiratet  Die Scheidung erfolgte erst nach der Verheiratung mit der Japanerin. Auch diese Ehe hielt nicht lange. Etwa 1936/37 heiratete er Erika Keller aus Bad Wimpfen.

1933 Gründer und Teilhaber einer Papierfabrik in Jülich

Letzter Abschied von seiner Mutter (r.)

In den 1920er- und 1930er-Jahren wohnte Paul Hunekuhl in einem stattlichen Haus in seiner Geburtsstadt Jülich, war wohlhabend, wie seine gesamte Familie und wurde Teilhaber an der im Oktober 1933 gegründeten „Papierfabrik Westmark“ in Jülich. Paul Hunekuhl alias Paul H. Wilde vertrat unter den fünf Teilhabern zugleich seinen Bruder Hans Hunekuhl. Die über Grundstücke, Fabrikgebäude und Einrichtung verfügende Jülicher Kreissparkasse verkaufte die Fabrik an die fünf neuen Eigentümer für 110.000 Goldmark. In den 1960-Jahren wurde die Fabrik abgewickelt. Paul Hunekuhl hatte im weiteren Familienkreis den Spitznamen „Nebelkrähe“. Damit wurde auf seine jeweils etwa halbjährigen Aufenthaltszeiten in Deutschland und den USA Bezug genommen. Im Sommer sei er meist in Deutschland, im Winter in den USA gewesen, um den Nebeln am Niederrhein zu entgehen, wie ein Zugvogel. Als weiteres Beispiel für das „unruhige Blut“ von Paul Hunekuhl steht eine Begebenheit, die sich in den 1930er-Jahren zugetragen hatte: Bei einem Besuch in der Jagdhütte seines Bruders Hans in Senden ist er von der Stille und Naturnähe begeistert gewesen und meinte, dass er es hier lange aushalten könne. Doch schon am dritten Tage reiste er hastig ab.

1944 angeblich in den Armen seiner ersten Frau in New York gestorben

Elisabeth-Hunekuhl-Straße 1955 bis 1989

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war Paul Hunekuhl alias Paul H. Wilde in Deutschland. Als amerikanischer Staatsbürger wurde er nicht interniert, da die USA erst 1941 in den Krieg eintraten. Mit dem letzten in die die USA auslaufenden Passagierdampfer gelang ihm die Ausreise von Hoek van Holland nach New York. In seinen letzten Lebensjahren pendelte er geschäftlich zwischen New York und Rio, was seiner Gesundheit schadete. Er starb am 12. August 1944 in New York an Herzversagen, angeblich in den Armen seiner ersten Frau  Jean T. Wilde. Ob er zu diesem Zeitpunkt immer noch oder wieder mit ihr verheiratet war, ist nicht bekannt. 1960 besuchte sie während eines Europatrips auch Deutschland und die Familie Hunekuhl in Dortmund. Auch wenn die Zeugnisse über das Leben Paul Huhnekuhls, der seine Jugend bis ins Erwachsenenalter in Dorsten verbracht hatte, lückenhaft sind, setzen sich die bekannten  Lebensereignisse zu einem „exotischen Leben“ mit Brüchen und Windungen zusammen, zu dem, was Dorsten betrifft, letztlich irgendwie auch die Geschichte der Umbenennung der Nonnenstiege in „Elisabeth-Hunekuhl-Straße“ im Jahr 1955 und die Rückbenennung 1989 in Nonnenstiege gehört.

Siehe auch: Elisabeth-Hunekuhl-Straße


Anmerkung: Auch in Dorsten-transparent veröffentlicht. – Quelle: Nach Wolfgang L. Rüdiger „Paul Hunekuhl und die Papierfabrik Westmark GmbH in Jülich“, Bottrop-Kirchhellen 2006.

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