Gerson, Christian

Jüdischer Konvertit aus Recklinghausen wurde evangelischer Theologe

Von Wolf Stegemann – 1567 in Recklinghausen bis 1622 in Bernburg; Jude, evangelischer Theologe und polemischer Autor. – In der Bibliothek des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten gibt es das Buch  „Der Juden Talmud fürnembster Inhalt und Widerlegung“, dessen Autor der aus Recklinghausen stammende jüdische Konvertit Gerson ben Meir Biberach ist. Die Erstveröffentlichung erschien 1607 Erfurt, die Ausgabe im Jüdischen Museum stammt aus dem Jahr 1659. Der Autor wechselte im Jahr 1600 vom jüdischen zum evangelischen Glauben.

Titelseite (Schrift im Jüd. Museum Westfalen)

Titelseite des Christian Gerson-Buches im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten

Mit antijüdischer Literatur Eintritt ins Christentum verschafft

Wie bei vielen jüdischen Konvertiten bemerkbar, so auch bei Gerson, hatte er, nachdem er zum Christentum übergetreten war, sehr polemisch gegen das Judentum geschrieben. Ein solcher Antijudaismus der jüdischen Konvertiten wurde oft von den christlichen Paten erwartet. Somit weist auch Gersons Geschichte das gleiche Grund­muster vieler Konvertiten auf: Übertritt zum Christentum, vehemente Abkehr vom Judentum, öffentliche Diffamierung des Väterglaubens sowie Herausgabe antijüdi­scher Schriften. Die Polemik gegen seine Abstammung kann deshalb durchaus als eine Art Eintrittkarte in das Christentum verstanden werden. Die erwähnte Schrift Gersons ist eines der wichtigsten Dokumente der westfäli­schen antijüdischen Literatur.

Sohn eines jüdischen Schächters in Recklinghausen

Gerson ben Meir Biberach wurde 1569 in Recklinghausen als Sohn des jüdischen Schächters Meir Biberach und dessen Frau Freude Zorat geboren. Er bekam eine sorgfältig traditionelle Ausbildung. Zwölf Jahre lang studierte er an verschiedenen jüdischen höheren Schulen und erwarb sich so profunde Talmud-Kenntnisse. Nach Abschluss des Studiums wirkte er vier Jahre lang als Talmudlehrer in mehreren Orten, darunter Frankfurt am Main, Jülich, Trier und Essen. Aus der 1595 geschlossenen Ehe gingen zwei Söhne hervor von denen der zweite schon bald starb.

Angaben über sein frühes Leben in Recklinghausen und als Talmud-Lehrer sowie die Schilderung seiner Bekehrung hat er in dem oben bereits erwähnten Buch „Der Juden Talmud fürnembster Inhalt und Widerlegung“ veröffentlicht. Nach diesen Angaben, erhielt er von einer christlichen Nachbarin für eine Leihgabe eine Bibel als Pfand. Er habe zusammen mit seinen Verwandten darin geblättert und sich über den Inhalt lustig gemacht. Später habe er die Bibel im Geheimen erneut durchgelesen und hätte sich vom Wahrheitsgehalt des Neuen Testaments überzeugen lassen. Nach anfänglichem Skrupel habe er Recklinghausen und sein Elternhaus verlassen und sei nach Halberstadt gezogen, wo er sich am 19. Oktober 1600 öffentlich taufen ließ und den Namen „Christian(us) Gerson“ annahm. Nach der Taufe zog er nach Helmstedt, wo er Vorlesungen in Hebräisch hielt. Auf Veranlassung des Königs von Dänemark nahm er den Ruf an die Theologische Fakultät von Kopenhagen an, wo er ebenfalls Vorlesungen in Hebräisch hielt. Er stand mit anderen Hebraisten in Briefkontakt, wie mit dem Basler Gelehrten Johann Buxtorf, dessen 1603 in Basel erschienene Streitschrift „Das ist Juden Schul: Darinnen der gantz Jüdische Glaub und Glaubensubung … grundlich erkläret“ ebenfalls zum Buchbestand des Jüdischen Museums gehört.

Er hat mehrere antijüdische Schriften verfasst

Mit seinem Übertritt zum Christentum hatte Gerson, wie er selber betonte, all sein Hab und Gut verloren. Seine Frau wollte seinen Schritt nicht nachvollziehen und reichte die Trennung ein. Es gelang Gerson jedoch, seinen Sohn und einen seiner Brüder vom Christentum zu überzeugen, sodass sich die beiden 1605, ebenfalls in Halberstadt, taufen ließen. Im Jahr 1608 nahm Gerson die Stelle eines Predigers in Bernburg an, ohne dass er zuvor eine eigentliche theologische Ausbildung erfahren hatte. Als Prediger soll er sehr populär gewesen sein. Gerson versah zuerst das Amt eines Diakons und später das als Pastor der Gemeinde. Aus seiner zweiten Heirat mit einer Bürgertochter aus Bernburg gingen ein Sohn und zwei Töchter hervor. 1612 erhielt Gerson eine Predigerstelle in Dröbel (Bezirk Magde­burg) und veröffentlichte noch mehrere antijüdische Schriften. Für die christlichen Theologen waren vor allem der Talmud und seine Geltung bei den Juden ein Ärgernis. Es musste sie daher besonders interessieren, wenn ein getaufter Jude wie Christian Gerson ihnen als Weg­weiser beim Verständnis dieses Werks dien­te und es zugleich mit dem wohl unvermeid­lichen Eifer des Renegaten mit Argumenten aus der jüdischen Tradition selbst „wider­legte“.

1622 ist Christian Gersin in der Saale ertrunken

Im Alter von 55 Jahren kam Gerson bei einem Unfall ums Leben. Als er sich nach der Trauung der Tochter eines benachbarten Pastors am 25. September 1622 in Latdorf auf den Heimweg begab, gingen die Pferde der Kutsche durch und stoppten erst, als der Wagen in die Saale kippte, in der Christian Gerson ertrank. – Salomon Abraham, ein weiterer jüdischer Konvertit, wechselte zum katholischen Glauben und wurde 1844 in der Dorstener Agathakirche getauft. Sein neue Name war: Caspar Bernhard Franz Ewaldi. Es ist die einzige belegte Juden-Taufe in Dorsten (siehe Ewaldi, Franz).

Werke: „Der Jüden Thalmud fürnembster innhalt, und Widerlegung“, Goslar 1607. – „Chelec: oder Thalmudischer Judenschatz“, Helmstedt 1610

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