Droste-Hülshoff, Annette von

Dreizehn Mal reiste die Dichterin durch die Herrlichkeit Lembeck

1797 Schloss Hülshoff bis 1848 in Meersburg; Dichterin. – Sie  ist die einzige Schriftstellerin, die in keiner deutschen Literaturgeschichte fehlt und eine der wenigen Frauen, deren Porträt auf einem DM-Schein abgedruckt war – und zudem auf Briefmarken zu sehen ist. Sie kämpfte ein Leben lang gegen die Erwartungen ihres Standes und ihrer Familie, die literarische Leistungen, gar von einer Frau, nicht ernst nahm und öffentliches Auftreten grundsätzlich ablehnte. Hier sind Parallelen zu der Dorstener Heimatschriftstellerin Maria Lenzen sichtbar, die, literarisch und gesellschaftlich zwar einige Stufen unter Annette von Droste zu Hülshoff, ebenfalls als öffentlich auftretende Literatin gegen Vorurteile ankämpfen musste. Die westfälische Dichterin Annette von Droste zu Hülshoff durchfuhr auf ihren ausgedehnten Reisen durch das Münsterland zum Rhein zwischen 1825 und 1846 mindestens dreizehn Mal Dorsten bzw. die Herrlichkeit Lembeck.

Mit der Kutsche reiste sie mehrmals von Westfalen ins Rheinland

Annette von Droste-HülshoffIhre erste Reise dieser Art unternahm die damals 28-Jährige von Oktober 1825 bis April 1826 nach Köln, Bonn und Koblenz, um Verwandte zu besuchen. Sie benutzte die Poststraße von Münster über Haltern, Lippramsdorf, Orthöve in Hervest und in Dorsten über die Lippebrücke, um dann über Sterkrade nach Düsseldorf und Köln weiterzureisen. Zwei Jahre später fuhr sie die gleiche Strecke, um ihren Vetter Clemens von Droste in Bonn zu besuchen, der an der Universität lehrte. Bei ihrer dritten Reise ins Rheinland im September 1830 benutzte Annette von Droste zu Hülshoff auf der Rückreise im September 1931 eine andere Route. Mit dem Schiff fuhr sie von Köln nach Wesel. Von dort mit dem bereits auf sie wartenden Mietkutscher nach Münster über die neu gebaute Napoleonchaussee über Deuten und Wulfen bis Dülmen, wo sie übernachtete. Diese Strecke war auch bei schlechtem Wetter besser zu fahren als der Postweg nach Dorsten, denn auf diesem blieb die Dichterin mehrmals im Schlamm stecken und musste in Haltern Vorspannhilfe anfordern. Welche Eindrücke sie auf ihren Fahrten durch die Herrlichkeit gewonnen hatte, schrieb sie in ihren „Westfälischen Schilderungen“, die nach ihrem Tod von dem Herausgeber und ihrem lebenslangen Dichterfreund Levin Schücking in „Bilder aus Westfalen“ umbenannt wurden:

„Wir haben bei Wesel die Ufer des Niederrheins verlassen und nähern uns den Grenzen Westfalens. […] Bei jedem Hauch geht ein zartes, dem Rauschen der Fichten ähnliches Geriesel über die Fläche und säet den Sandkreis in glühenden Streifen bis an die nächste Düne, wo der Hirt halb in traumwandlerischer Beschaulichkeit seine Socken strickt und sich so wenig um uns kümmert als sein gleichfalls traumwandelnder Hund und seine Heidschnucken. Aus einzelnen Wacholderbüschen dringt das klagende, mövenartige Geschrill der jungen Kiebitze. […] Dann noch etwa jede Meile eine Hütte, vor deren Tür ein paar Kinder sich im Sande wälzen und Käfer fangen, und allenfalls ein wandernder Naturforscher, der lächelnd die zierlich versteinerten Muscheln betrachtet, die wie Modelle einer früheren Schöpfung hier überall verstreut liegen – und wir haben alles genannt, was eine lange Tagesreise hindurch eine Gegend belebt, die keine andere Poesie aufzuweisen hat als die einer fast jungfräulichen Einsamkeit und einer weichen traumhaften Beleuchtung, in der sich die Flügel der Phantasie unwillkürlich entfalten.“

Im rheinischen Schermbeck bekam die Dichterin Zahnschmerzen

Privatkutsche der Dichterin

Privatkutsche der Dichterin

Eine weitere Reise unternahm die Dichterin 1834 nach Holland und durchquerte dabei ebenfalls die Herrlichkeit, da sie die Strecke Haltern-Wulfen-Wesel-Venlo nahm. Mit ihrer Mutter reiste im Sommer 1835 Annette von Droste-Hülshoff zu ihrer in der Schweiz lebenden Schwester Jenny und kehre erst ein Jahr später nach Bonn zurück, wo sich Mutter und Tochter längere Zeit aufhielten. Annette von Droste trat erst im Februar 1837 von dort die Rückfahrt im familieneigenen Reisewagen nach Münster an. In Schermbeck übernachtete sie vom 9. auf den 10. Februar:

„Zu Schermbeck kam ich ins Bette. Die Nacht über hatte ich Zahnweh zum Verrücktwerden. […] Am anderen Morgen zuckelte ich trübsinnig weiter.“

Vermutlich hat die Dichterin in Schermbeck in einem Gästezimmer der heutigen Burg übernachtet. Da es Winter und die Burg wohl nicht oder ungenügend beheizt war, sollen „Wärmekrüge“ das Bett gewärmt haben, so dass sie bei diesem Verfahren das Bett vollgedampft hatten. Wiederum durch die Herrlichkeit fuhr sie 1841 mit ihrer Schwester Jenny, als die beiden Damen von Münster nach Wesel im Reisewagen der Familie fuhren, um mit dem Schiff nach Meersburg zu gelangen, wo sie am 30. September ankamen. Die Rückreise erfolgte im Juli 1842 bis Mannheim mit der Eisenbahn und dann weiter mit dem Schiff nach Wesel und von dort mit der vierspännigen Schnellpost durch Schermbeck, Deuten und Wulfen nach Münster.

Bei ihrer nächsten Reise nach Meersburg im September 1843, wiederum ab Wesel mit dem Schiff, fuhr Annette von Droste zu Hülshoff auf der Rückreise von Düsseldorf aus mit dem Postwagen durch Dorsten. Sie erreichte die Stadt am 26. September 1844 und besuchte hier die Familie Rensing, dann fuhr sie weiter in ihr Rüschhaus. Ihre letzte Reise durch die Herrlichkeit zum Rhein und dann nach Meersburg unternahm die Dichterin im September 1846. Sie war 49 Jahre alt. Es gab keine Rückreise. Annette von Droste zu Hülshoff starb 1848 in Meersburg an einer Lungenentzündung. Ihre große Bedeutung als eine der wichtigsten Dichterinnen der deutschen Sprache erlangte Annette von Droste zu Hülshoff erst nach ihrem Tod.

Generationen von Schülern befassten sich mit ihrem literarisches Schaffen

Grabstein der Droste

Grabstein der Droste

Annette von Droste zu Hülshoff entstammte einer altwestfälischen, katholischen Adelsfamilie. Sie wurde als Tochter von Clemens August von Droste-Hülshoff und Therese von Haxthausen auf der Burg Hülshoff zwischen Havixbeck und Roxel bei Münster geboren. Sie führte ein zurückgezogenes und eingeengtes Leben. In ihrer Kindheit und Jugend war sie bedingt durch ihre Frühgeburt kränklich, ein Hauslehrer sorgte für ihre Ausbildung. Auch war sie extrem kurzsichtig. Nach dem Tod ihres Vaters 1826 zogen sie, ihre ältere Schwester Jenny und ihre Mutter auf deren Witwensitz, dem Haus Rüschhaus bei Nienberge. – Freundschaften verband die Dichterin mit Sibylle Mertens-Schaafhausen, Johanna und Adele Schopenhauer, mit Goethes Schwiegertochter Ottilie und mit August Wilhelm Schlegel. Zudem stand sie in brieflichem Kontakt mit den Gebrüdern Grimm. Annette von Droste-Hülshoff nahm ihre literarische Arbeit sehr ernst und war sich bewusst, Kunst zu schaffen. Ihre Balladen wurden berühmt wie “Der Knabe im Moor“ und ihre Novelle „Die Judenbuche“. Ein wichtiges Dokument tiefer Religiosität ist ihr Gedichtzyklus „Das geistliche Jahr“, in dem – typisch für die Zeit – auch die Zerrissenheit des Menschen zwischen aufgeklärtem Bewusstsein und religiöser Suche gestaltet wird. Die Ausführungen in diesem Werk werden heute als biographisch erachtet, da sie über 20 Jahre an dem gesamten Zyklus arbeitete. Bedeutend für ihr literarisches Wirken waren ihre Reisen an den Bodensee, wo sie zunächst zusammen mit der Mutter ihre Schwester Jenny besuchte. Ab 1841 wohnte sie vorwiegend bei ihrem Schwager auf Schloss Meersburg am Bodensee, sah ihr Zuhause aber weiterhin im Rüschhaus bei Nienberge.

Westfalen
’s ist Abend, und des Himmels Schein
Spielt um Westfalens Eichenhain,
Gibt jeder Blume Abschiedskuss
Und auch dem Weiher linden Gruß,
der ihn mit seinen blanken Wellen
Will tausendfach entgegenschwellen.

Am Ufer Wasserlilien stehn,
und durch das Schilf Gesäusel gehn,
Wie Kinder, wenn sie eingewiegt,
verfallen halb des Schlafes Macht,
Noch einmal flüstern: „Gute Nacht!“

Es ist so still; die Ebne liegt
So fromm, in Abendduft gehüllt,
Der Witwe gleich in Trauer mild,
Die um sich zieht den Schleier fein,
So doch nicht birgt der Tränen Schein.

Am Horizont das Wolkenbild,
Ganz, wie ihr Sinnen, zuckend Licht,
Das bald sich birgt, bald aufwärts bricht,
Phantastisch, fremd, ein Traumgesicht.

Seh’ ich dich so, mein kleines Land,
In deinem Abendfestgewand:
Ich meine, auch der Fremdling muss
Dir traulich bieten Freundesgruß.

Du bist nicht mächtig, bist nicht wild,
Bist deines stillen Kindes Bild,
Das, ach, mit allen seinen Trieben
Gelernt vor allem dich zu lieben!


Siehe auch:
Literaten, verstorben (Artikelübersicht)


Quellen:
Dr. Johannes Gamse „Annette von Droste-Hülshoffs Fahrten durch die Herrlichkeit Lembeck in der Zeit von 1826 bis 1947“ in HK 1969 bis 1976 (Fortsetzungen). – Gertrudis Tüshaus „Reisen der Droste durch die Heimat“ in HK 1997. – Wikipedia, Online-Enzyklopädie.

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