Denkmal für Deserteure

Vom Rat abgelehnt, da das Thema 1996 noch nicht aufgearbeitet war

1996 stellte eine Gruppe Bürger bei der Stadt Dorsten den Antrag, ein Denkmal für Deserteure des Zweiten Weltkriegs zu errichten, der 1997 von der Politik und der Mehrheit der Bürgerschaft zwar abgelehnt, das Thema aber dennoch lange Zeit kontrovers diskutiert wurde. Dazu Prof. Dr. Wolfram Wette vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt und der Universität Freiburg: „Denkprozesse sind wichtiger als Denkmale!“

Stellungnahme zur Initiative Deserteursdenkmal 1998

Im Auftrag des Bürgermeisters

Das Thema war in Dorsten bis dahin nicht und ist bis heute nicht vollständig aufgearbeitet worden. Ansätze einer Untersuchung waren vorhanden und einige lokale Fälle bekannt. Als das Dorstener Gefängnis bei der Bombardierung im März 1945 zerstört wurde, war es u. a. von etwa 40 Deserteuren der Wehrmacht überbelegt, die teilweise in den Flammen umkamen. Es waren Soldaten, die das Feldgericht 427 in Utrecht in den letzten Kriegsmonaten zu hohen Gefängnisstrafen bzw. Strafbataillon verurteilt hatte. Das Strafbataillon sollte in Münster zusammengestellt werden. Aus Platzmangel im dortigen Gefängnis wurden die Soldaten in Dorsten untergebracht. Als das Gefängnis brannte, versuchten Anwohner die Zellen zu öffnen und konnten so elf Soldaten frei bekommen. Doch die SS, die in der Bonifatiusschule einquartiert war, umstellte das Gefängnis, verlud die befreiten Soldaten auf einen LKW, darunter Offiziere, und soll sie am Freudenberg oder an der Steinhalde in Holsterhausen erschossen haben. Die Leichen sind angeblich auf dem Waldfriedhof in Holsterhausen bestattet.

Inzwischen wurde das Thema weitgehend aufgearbeitet

Über das Vorhaben der Antragssteller wurde 1998 der Dorstener Journalist Wolf Stegemann von Bürgereister Dr. Zahn mit einer Begutachtung beauftragt (Abbildung). In einem Film des WDR sprach sich Wolf Stegemann gegen die Errichtung eines Denkmals aus, weil das Thema erst aufgearbeitet werden müsse. Der Dorsten-Schermbecker Fritz Steffens gab im Jahr 2000 als 79-Jähriger ein Buch mit dem Titel „Mitternachtssonne“ unter dem Gesichtspunkt heraus: „Kriege sind abscheulich, menschenverachtend. Wer das Inferno miterlebte und die grausame Wirklichkeit zu spüren bekam, kann die Zeit nicht verdrängen.“ Darin beschreibt er eine eindringliche Geschichte eines Deserteurs – stark autobiografisch geprägt. Inzwischen hatte Wolf Stegemann einen weiteren Fall von Desertion 2007 in Band 1 „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“ veröffentlicht, herausgegeben von Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen. Ein Leser hatte daraufhin einen Fall der Desertion in seiner Familie mitgeteilt. Sein Onkel saß als angeblicher Deserteur im Dorstener Gefängnis, als es bombardiert wurde. Er konnte fliehen, sich verstecken und überlebte.

Siehe auch: Denkmale (Artikelübersicht)
Siehe auch: Deserteur der Wehrmacht
Siehe auch: Brotmanns Höhle
Siehe auch: Militärverhältnisse (Essay)
Siehe auch: Rudolf Schulz


Quellen/Literatur: Wolf Stegemann „Wer R. Schulz aus dem Todeskeller rettete, weiß niemand mehr“ in RN vom 30. März 1985 (Erlebnisbericht eines bei der Bombardierung im Dorstener Gefängnis einsitzenden Deserteurs). – Prof. Dr. Wolfram Wette „Deserteure der Wehrmacht. Feiglinge-Opfer-Hoffnungsträger?“, Essen 1995. – Wolf Stegemann „I. Beispiele von Initiativen, Denkmäler für Deserteure aufzustellen. II. Beispiele gescheiterter Versuche“, Broschüre, Dorsten, 1997. – Michael Klein „Dokument einer Fahnenflucht als mahnenden Vermächtnis“ in DZ vom 3. November 2000. – Wolf Stegemann: „Obergefreiter als Deserteur zum Tode verurteilt. Abschiedsbrief an die Eltern: Deutschland soll weiterleben“ in „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“, 2007. – Kommentar eines Lesers im Online-Magazin „Dorsten-transparent, August 2012.

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