Corona-Soforthilfe 2020

Dorstener klagte 2022 gegen die Rückzahlung vor Gericht – und bekam Recht

Weil er Teile seiner Corona-Soforthilfe zurückzahlen sollte, zog der Dorstener Jonas Engelmeier vor Gericht. Die Richter am zuständigen Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen fanden für sein Anliegen deutliche Worte. Bei der 19. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen stapeln sich aktuell rund 400 Fälle, bei denen Freiberufler und Solo-Selbstständige gegen die Rückforderung ihrer im März 2020 erhaltenen Corona-Soforthilfe klagen. Einer davon war der Dorstener Jonas Engelmeier. Der Veranstaltungstechniker hatte im Frühjahr 2020 massiv unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten. Von heute auf morgen waren große Teile seines Umsatzes weggebrochen. Wie Tausende andere auch beantragte Engelmeier deshalb Ende März 2020 die von Bund und Land in Aussicht gestellte Soforthilfe. Noch am gleichen Tag wurden ihm die beantragten 9000 Euro bewilligt.
Das Land NRW sollte sich in der Folgezeit jedoch weit weniger spendabel zeigen, als zunächst geglaubt. Nach Ablauf von drei Monaten wurde der Dorstener aufgefordert, seine finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Aus diesen Zahlen errechnete das Land schließlich, dass Engelmeier lediglich einen „Liquiditätsengpass“ von etwas mehr als 3000 Euro erlitten hatte. Das angeblich zu viel gezahlte Geld wurde zurückgefordert. Wie schon die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Köln, zeigten am 23. September 2022 auch die Richter in Gelsenkirchen diesem Vorgehen der Behörden die Rote Karte. Aus dem Bewilligungsbescheid sei zu keiner Zeit hervorgegangen, dass es am Ende noch eine Schlussabrechnung geben sollte, sagten sie.

Richter: „Muss man dann auch klar reinschreiben“

„Wenn es jetzt heißt, der erste Bescheid sei nur vorläufiger Natur gewesen, so lässt sich das weder der Form noch dem Inhalt entnehmen“, sagte der Vorsitzende Richter. Aus Sicht der Juristen wäre es ein Leichtes gewesen, dem Bewilligungsbescheid einen vorläufigen Charakter zu geben. „Aber das muss man dann auch klar reinschreiben und nicht denken, dass das schon jeder so auffassen wird.“ Auch das Argument des Landes, dass weniger als ein Prozent der Betroffenen gegen ihren Rückforderungsbescheid juristisch vorgegangen sind, ließen die Richter nicht gelten. Über die Gründe der Betroffenen, die Rückforderung zu akzeptieren, könne man schließlich nur spekulieren. „Viele Leute haben sich nicht gewehrt, weil sie am Ende ihrer Kräfte waren“, sagte Jonas Engelmeier nach der Verhandlung. „Dies als Argument anzuführen, dass sie mit dem Prozedere einverstanden gewesen sind, ist perfide.“ Er sei natürlich froh, gewonnen zu haben. „Aber ich bin von meinem Land enttäuscht, dass erst so ein großer Prozess geführt werden musste und vorher niemand reagiert hat.“ Engelmeier geht davon aus, dass das Verwaltungsgericht auch in den vielen gleich gelagerten anderen Klagen so entscheiden wird. Sein Fall war extra als eine Art Musterfall als erster verhandelt worden. Das Land NRW kann Berufung einlegen.

Informationen zur Corona-Soforthilfe und ihre Rückzahlungsforderungen

Mehr als 400.000 Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer aus NRW hatten im Frühjahr 2020 die Corona-Soforthilfe beantragt. Die meisten beantragten 9000 Euro, so wie der Dorstener Jonas Engelmeier auch. Sie bekamen das Geld zügig, doch forderte das Land NRW später mehrere tausend Euro davon zurück. Gegen die Bescheide der Bezirksregierungen mit Forderungen klagten landesweit über 2000 Kleinunternehmer und Solo-Selbstständige. Sie waren davon ausgegangen, das Geld behalten zu können. Aus dem Bescheid sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich um eine vorläufige Bewilligung gehandelt habe. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte im August 2022 im Zuge dreier Pilotverfahren den Empfängern der Soforthilfe Recht gegeben und die Bescheide der Bezirksregierung Düsseldorf für rechtswidrig erklärt. Köln folgte Ende September der Argumentation des Düsseldorfer Gerichts. Das Land NRW hatte die Möglichkeit, Berufung einzulegen und vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen. Die Gerichtsverhandlungen sind nur möglich, weil Betroffene sich in der „Interessengemeinschaft NRW-Soforthilfe“ vernetzt haben, aus der wiederum die „Interessengemeinschaft Kampfkasse“ hervorgegangen ist. Jedes Mitglied der IG Kampfkasse zahlt einen Beitrag, über die Höhe entscheiden die Mitglieder jeweils selbst. Aus diesem Topf werden die Musterklagen finanziert.

Siehe auch: Corona-Pandemie (Artikelübersicht)


Quellen: Text von Martin von Braunschweig, Robert Wojtasik, z. T. wörtlich entnommen der DZ vom 22. und 24. September 2022

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