Breil-Orgelbau

Der „Kulturkampf“ im 19. Jahrhundert schadete dem Orgelgeschäft

Breil-Orgel in Telgte

Breil-Orgel in St. Hedwig in Telgte (Münsterland)

Der Orgelbauer-Betrieb der Familie Breil bestand in Dorsten genau 180 Jahre – von 1836 bis 2016. Der erste Orgelbauer der Familie, Josef Anton Breil, wurde 1801 in Dorsten geboren und starb 1868. Er lernte das Orgelbauerhandwerk bei dem bedeutenden Orgelbauer Fabricius in Grevenbroich. Nach der Lehrzeit ging er auf eine lange Wanderschaft durch die niederrheinischen und holländischen Gebiete. Nach seiner Rückkehr eröffnete er 1836 in Dorsten einen Orgelbaubetrieb; es war der erste im Vest Recklinghausen. Von seinen zahlreichen Brüdern nahm er wahrscheinlich zwei als Lehrlinge in seine neue Werkstatt auf. Die erste nachweisbare Orgel aus seinem Betrieb wurde bereits ein Jahr nach Eröffnung, 1837, in der Pfarrkirche zu Osterfeld aufgestellt, weitere folgten: Silwolde (Holland), Wulfen, Zuwent (Holland), Isselburg, Loikum, Lobit (Holland), Horneburg, Bocholt, Dingden, Recklinghausen.

Betrieb ging vom Onkel an den Neffen

Einer der Brüder von Josef Anton Breil, der bei ihm gelernt hatte, gründete in Regensburg einen eigenen Orgelbaubetrieb. Ein anderer Bruder war Organist bei den Franziskanern in Dorsten und nahm die Organisten- und Küsterstelle in Buer an. Ein Sohn dieses Bruders, Franz Breil, geboren 1828, trat im November 1848 als Lehrling in das Geschäft des Onkels in Dorsten ein, arbeitete dann als Geselle im Betrieb des berühmten Orgelbauers Sonreck in Köln, kam 1851 nach Dorsten zurück und wurde Teilhaber im Betrieb seines Onkels. Da Josef Anton Breil keine männlichen Nachfolger hatte, verkaufte er den Betrieb 1865 an seinen Neffen Franz Breil, der nun alleiniger Inhaber war. Am 25. November 1868 starb der Firmengründer.

Umstellung von der mechanischen zur pneumatischen Orgel

Zwischen 1850 und 1871 wurde jährlich eine Orgel für Kirchen im Vest, im Münsterland und am Niederrhein gebaut. Da die Räume an der Lippestraße zu eng wurden, verlagerte Franz Breil das Geschäft zuerst in die Essener Straße, dann, 1872, in eine eigene Werkstatt an der Alleestraße. Sechs Jahre lang lag das Geschäft nieder, bis 1877 aus Gladbeck ein neuer Auftrag kam. Von seinen vier Kindern trat 1879 sein einziger Sohn, der auch Franz hieß, ins Geschäft des Vaters ein. Von 1890 bis 1893 besuchte dieser süddeutsche Orgelbauanstalten. Seine erworbenen Kenntnisse brachten nach seiner Rückkehr das väterliche Geschäft wieder vorwärts. Die Aufträge mehrten sich und die Werkstatt musste erweitert werden, um Maschinen und Arbeiter unterbringen zu können. In dieser Zeit vollzog sich auch die Umstellung des Betriebes vom Bau der mechanischen zur pneumatischen Orgel. Die erste pneumatische Orgel wurde 1894 für die Klosterkirche der Dorstener Ursulinen gebaut.
1902 übernahm der Sohn Franz-Josef Breil (1865 bis 1929) das Geschäft des Vaters, der am 9. Juli 1902 starb. Bis zu zehn Orgeln verließen in einem Jahr die Werkstatt Breil. Ihr größtes Werk, die Orgel für St. Urbanus in Buer, erhielt am Vorabend des Ersten Weltkriegs die kirchliche Weihe. Die Einberufung zum Kriegsdienst riss große Lücken in die Reihe der Arbeiter. Dennoch konnte im Oktober 1914 die bis dahin zweitgrößte gebaute Orgel in St. Lambertus in Gladbeck eingeweiht werden. Während des Krieges lag der Betrieb fast still. 1925 wurde in der Agathakirche eine Breil-Orgel eingerichtet und Franz Breil führte die elektrische Traktur ein. Bis dahin baute der Familienbetrieb rund 200 Orgeln. Von den 85 Kirchen und Kapellen, die es im Vest Recklinghausen gab, waren 60 mit Breil-Orgeln ausgestattet.

Franz Ludger Breil – die 6. und letzte Orgelbau-Generation

BReil-Orgelbau

Breil-Orgelbau

Unter dessen Sohn Franz Breil (1903 bis 1985) wurde 1948 – wegweisend für den westdeutschen Raum – der Schleifladenbau mit mechanischer Traktar wieder aufgenommen. Mit seiner Ausbildung in Werkstätten süddeutscher Meister brachte er das notwendige Wissen in den elterlichen Betrieb ein, das ihm selbst in Jahren schwerer wirtschaftlicher Krisen nachhaltige Erfolge brachte. Franz Breil gehörte dem Beirat des Bundes Deutscher Orgelbaumeister in Köln an, war Mitglied des Meisterprüfungsausschusses der Handwerkskammer in Münster und öffentlich bestallter und vereidigter Sachverständiger für den Orgelbau im Regierungsbezirk Münster. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden (und entstehen) Breil-Orgeln nach den neuesten technischen Erkenntnissen für Kirchen und Konzertsäle. Ein weiteres Spezialgebiet ist die Restaurierung historischer Orgeln. – Franz Breil starb 82-jährig 1985. Sein Sohn Franz Ludger Breil setzte die Familientradition in 6. Generation fort. Doch am 17. Oktober 2016 erlosch die Firma nach 180 Jahren, Die Breilschen Orgelbau-Verträge übernahm die Orgelbau-Firma Stephan Trostheide in Oelde.

Die Orgel 2019 in das Verzeichnis Weltkulturerbe der UN?

Für 2019 sind die Orgel und das Orgelhandwerk in Deutschland zur Aufnahme in das UN-Weltkulturerbe vorgesehen. Die Orgel, der Orgelbau und die Orgelmusik wurden vor mehr als 2000 Jahren im hellenistischen Ägypten erfunden und gelangten über Byzanz ins Frankenreich, wo sie seit der Karolingischen Renaissance als Kulturgut bis in die Gegenwart entwickelt und gepflegt werden. Im Orgelbau verbinden sich von jeher Wissen im Umgang mit der Natur und traditionelles Handwerk mit innovativer Technik der jeweiligen Epoche. Für jedes Gebäude – seien es Kirchen, Konzertsäle oder Salons, etc. – wird unter Berücksichtigung der akustischen Gegebenheiten des Raums und der finanziellen Ressourcen der Auftraggeber ein individuelles Instrument geschaffen. Damit unterscheidet sich die Orgel von den meisten anderen Musikinstrumenten mit natürlicher Klangerzeugung, deren Weiterentwicklung im Laufe der Zeit aufgehört hat.
Besonders vielgestaltig zeigt sich die Situation in Deutschland, die geprägt ist durch seit dem Barock historisch gewachsene, regional schattierte Orgellandschaften (nord-, mittel-, süddeutsch). Die besonders reiche und lebendige Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik zeigt sich heute mit bundesweit 50.000 Orgeln, 400 handwerklichen Orgelbaubetrieben mit ca. 1.800 Mitarbeitern und 180 Lehrlingen sowie 3.500 hauptamtlichen und zehntausenden ehrenamtlichen Organisten. Neben verschiedenen lokal- und regionalspezifischen Orgelbaustilen gibt es eine reichhaltige Bandbreite der Komposition und Aufführungspraxis sowie Möglichkeiten der Ausbildung für Orgelmusiker an Hochschulen und kirchlichen Einrichtungen. Die Pflege der Orgelkultur ist eine transkulturelle Kulturform mit hoher Kunstfertigkeit, die in Deutschland eine wichtige Basis hat und in äußerst lebendiger Weise weitergegeben wird.

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