Bellendorf, Ernst

In der Aktentasche trug er die wertvollen Kleinodien der Schützen

1913 in Dorsten bis 2004 ebenda; Uhrmachermeister und Juwelier. – Er gehörte der ältesten Dorstener Familie an, die in der Lippestadt seit Jahrhunderten wohnt. Ein HofBellendorf (Bilinctorpe) existierte bereits um 500 und in einer Verkaufsurkunde aus dem Jahre 1478 ist der freie Reichshof Bellinctorpe in Altendorf-Ulfkotte genannt (heute Föcker). Der Junggeselle Ernst Bellendorf war nicht nur ein Zeuge des 20. Jahrhunderts, sondern ein guter Kenner der Dorstener Geschichte überhaupt. Er erlebte als Kind gerade noch das Kaiserreich, dann die Weimarer Republik, das Dritte Reich und das Nachkriegsdeutschland mit der Teilung und Wiedervereinigung. b-bellendorf-ernstSeine Eltern waren der Metzger Engelbert Bellendorf und Elisabeth Fromme aus der Recklinghäuser Straße. Er besuchte die Agathaschule am Kirchplatz, erlebte als Kind die Spartakisten und die Rote Ruhrarmee, sagte damals gerne „Rote Ostern“ anstatt „Frohe Ostern“ und fand die darauf folgende Besatzungszeit der Belgier spannend. Von 1927 bis 1931 lernte er in Münster das Uhrmacherhandwerk, arbeitete in Bonn, legte 1936 in Köln die Meisterprüfung ab und wurde 1939 Soldat. In den sechs Jahren Krieg war er in Polen, Holland, Belgien, Frankreich, Russland und auf dem Balkan. Nach kurzer Gefangenschaft kam er schon 1945 in seine zerstörte Heimatstadt zurück und war über den Trümmerhaufen, den er vorfand, erschüttert. Bellendorf glaubte damals nicht, dass Dorsten jemals wieder aufgebaut werden könnte. 1948 etablierte sich Ernst Bellendorf als Uhrmachermeister und Juwelier in der zum großen Teil wieder erstandenen Recklinghäuser Straße. Mehrmals wurde sein Geschäft überfallen, er mit der Pistole bedroht und einmal kamen Einbrecher in Rififi-Manier ins Haus, indem sie das Dach abdeckten.

Über dreißig Jahre lang war Ernst Bellendorf im Kirchenvorstand von St. Agatha sowie 50 Jahre lang im Vorstand des Altstadtschützenvereins tätig. Wer ihn bei Schützenfesten sah, bemerkte, dass er stets eine abgewetzte Aktentasche mit sich führte, in der er die historischen Kleinodien der Königin und die Königskette unauffällig transportierte. Denn die Kostbarkeiten verschloss er jeden Abend in seinem Safe. Bis zu seinem Tod war er der Siegelbewahrer der Schützenketten und königlichen Insignien. Diese Aufgabe hat nach seinem Tod sein Großneffe Engelbert Bellendorf, ebenfalls Juwelier, übernommen. An seinem 85. Geburtstag sagte Ernst Bellendorf vorausschauend: „Dorsten war früher eine sehr lebendige Stadt. Heute sehe ich schwarz für Dorsten.“ – Ernst Bellendorf starb 2004.

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