Bündnis gegen Rechts

„Wir in Dorsten gegen Rechts“ - mit Demos, auf Plakaten und im Internet

Demonstration auf dem Dorstener Marktplatz gegen Rechts; Foto: DZ

Fünf Dorstener Bürgerinnen hatte 2019 bei der Rentnerin Ruth Lange am Kaffeetisch die Idee, sich gegen rechte Politik in der Stadt zu wenden und dagegen zu demonstrieren. Daher gingen die fünf Gleichgesinnten Irmgard Duvenbeck, Doris Fiege, Hiltrud Hatting, Petra Weiss und Barbara Zinkgräf zusammen mit Ruth Lange Anfang Mai 2019 mit dem Slogan „Wir in Dorsten gegen Rechts“ an die Öffentlichkeit. Meist an Samstagen standen im Vorfeld der Europawahlen etwa ein Dutzend Dorstener und Dorstenerinnen mit Plakaten auf dem Marktplatz, um gegen Rechts zu demonstrieren. Ihre Ziele, so Ruth Lange: „Wir setzen uns ein für eiin weltoffenes, tolerantes Dorsten, für unsere Demokratie und die Pressefreiheit. Wir rufen auf zu Respekt voreinander und mehr Empathie für den anderen.“  Gegen rechts hieß und heißt, vor allem gegen die auch in Dorsten vertretene Partei AfD aktiv zu sein, die ebenfalls im Europawahlkampf über ihr politisches Programm informierte. Ruth Lange, Sprecherin des Bündnisses „Wir in Dorsten gegen Rechts“, meldete im Mai 2019 eine  Demonstration gegen die AfD bei der Polizei an und nannte schon mal 100 zu erwartende Demonstranten, die am Marktplatz erscheinen würden, um vor dem Informationsstand der Partei AfD gegen sie zu demonstrieren. Nicht annähernd so viele kamen. Im sehr überschaubaren Rahmen machten dabei auch andere mit: eine Handvoll SPD-Leute und Mitglieder der Partei „Die Partei“ waren auszumachen, wobei sich der Vorsitzender der „Partei“ mit der AfD anlegte, was polizeiliche Folgen hatte. Mehr darüber im unten angeführten Link. Nach dem Verständnis des Bündnisses „Wir in Dorsten gegen Rechts“  demonstrieren sie eigentlich nicht „gegen etwas“, sondern „für etwas“ – wie demokratisches und solidarisches Miteinander. Die Anzahl der Dorstener, die im Vorfeld der Wahlen jeden Samstag auf dem Marktplatz zusammenkamen, war sehr überschaubar. Etwa ein Dutzend standen dann mit Plakaten auf dem Marktplatz oder an der Franziskanerkirche.

Gegen den Landesparteitag der AfD in Dorsten demonstriert

Mit rund 500 Dorstenern bekam die Gruppe „Wir in Dorsten gegen Rechts“  wesentlich mehr Unterstützung, als im September 2019 die Partei Alternative für Deutschland (AfD) erstmals zu einer überregionalen öffentlichen Veranstaltung in Dorsten in die städtische Schulaula am Gymnasium Petrinum eingeladen hatte. Es bildete sich nun ein „Bündnis gegen Rechts“ heraus, an dessen Öffentlichkeitsarbeit auch die Stadtverbandsvorsitzende der SPD, Jennifer Schug, teilnahm – wie andere Dorstener auch. Seitdem ist alles wieder ruhiger geworden. Ruth Lange und Jennifer Schug, Mitstreiter im Bündnis „Wir in Dorsten gegen Rechts!“ verstärkten sie Öffentlichkeitsarbeit. „Wir wollen nicht nur Protestbewegung sein“, zitierte die „Dorstener Zeitung“ Ruth Lange, „sondern auch aufklären über die Gefahren des Rechtspopulismus.“ Flyer und Buttons wurden angefertigt sowie eine neue Homepage eingerichtet. Interessenten können auch einen Newsletter abonnieren. Zu den monatlichen Treffen des Dorstener Bündnisses gegen Rechts kommen, wie Ruth Lange gegenüber der DZ angab, etwa 20 Personen, die dann über Inhalte, Demonstrationen gegen die AfD sowie Aktivitäten diskutieren. Dazu das Bündnis „Wir in Dorsten gegen Rechts“ auf seine Homepage: „Jegliches Handeln des Bündnisses ist auf ein demokratisches, solidarisches  Miteinander in der Stadt Dorsten und darüber hinaus ausgerichtet, welches sich in einer bunten Vielfalt des Zusammenlebens zeigen soll. Das Bündnis versteht sich infolgedessen über parteipolitische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg auch als Plattform für das Agieren und Reagieren gegen rechtsextreme Einstellungen.“

Demo in der Altstadt: „Rassismus ist bei uns allgegenwärtig!“

Anfang Juli 2020 luden zwei junge Mädchen, Pia und Julia, mit Unterstützung der Bürgerprotestgruppe „Wir in Dorsten gegen rechts!“ zu einer Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie für ein Miteinander aller Nationalitäten auf den Marktplatz ein. Denn, so die Veranstalter „Rassismus ist auch bei uns allgegenwärtig – bei der Bewerbung für eine Arbeitsstelle, bei der Suche nach einer Wohnung.“
Doch die Dorstener, vor allem junge Dorstener, zeigten auf dem mit Marktständen, Marktbesuchern und Gastronomie-Tischen vollbelegten Marktplatz offensichtlich wenig Interesse, gegen Rassismus zu demonstrieren. Das enttäuschte die Organisatoren. Anschließend versammelten sich auf Einladung „Wir in Dorsten gegen Rechts“ rund 50 Personen mit Plakaten auf dem Platz der Deutschen Einheit zu einer Kundgebung, an der auch Bürgermeister Stockhoff das Wort ergriff und das Engagement von Pia und Julia lobte. Nur wenige Passanten blieben stehen. Es wurden die Namen von Opfern rassistisch motivierter Gewalt verlesen, gefolgt von einer Schweigeminute. Pia und Julia lasen aus zuvor auf dem Marktplatz verteilten Notizen vor, in denen Dorstener begründeten, warum sie gegen Rassismus sind. Darunter: „Weil jeder Mensch, unabhängig von Hautfarbe und Religion, gleich ist.“

Demonstration gegen Rechts laut und bunt durch die Innenstadt

„Wir sind hier, damit die AfD niemals regiert!“, tönte es Ende September 2021 durch die Dorstener Innenstadt. Um die 100 Demonstranten hatten sich dem Bündnis „Wir in Dorsten gegen Rechts“ angeschlossen, um kurz vor der Bundestagswahl noch mal ein Zeichen zu setzen. Laut und bunt forderten die Teilnehmer grenzenlose Solidarität. Mit Schildern, Trommeln und bunten Regenbogenfahnen zogen sie durch die Innenstadt. „Ich finde, dass wir Dorstener aufstehen und uns alle wehren sollten gegen Hass und Hetze in unserer Stadt“, erklärte eine Demonstrantin. Die AfD, die an diesem Tag mit einem Wahlstand in der Innenstadt vertreten war, hatte kein Verständnis für die Aktion. „Wir sind eine demokratisch gewählte Partei und verstehen wirklich nicht, was diese Leute gegen uns haben“, so AfD-Sprecherin Simone Paulsen.

Bündnis will in der Öffentlichkeit mehr Präsenz zeigen

In den Räumen des Jüdischen Museums Westfalen fand am 25. September 2023 die monatliche Sitzung des Bündnisses „Wir in Dorsten gegen Rechts“ statt. Die rund 30 Teilnehmenden diskutierten darüber, wie in Zukunft in Dorsten auf die aktuelle politische Lage aufmerksam gemacht und der wachsenden Zustimmung für rechte Positionen entgegengewirkt werden kann. In den nächsten Monaten will das Bündnis für mehr Toleranz und Vielfalt einstehen, vermehrt auf dem Marktplatz präsent sein und in Form von Plakaten, Flyern und persönlichen Gesprächen zu verschiedenen politisch relevanten Themen Stellung beziehen.

Dezentrales Gedenken 2023: „Wir in Dorsten gegen Rechts“

„Wir in Dorsten gegen Rechts“ und Stadtdialog Dorsten riefen am 19. Oktober 2023 zwischen 10 und 10.15 Uhr zu einem stillen stadtweiten Gedenken an die Opfer von Krieg und Terror auf. Alle Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, in diesem Gedenken einen Moment innezuhalten oder ein stilles Gebet zu sprechen. Die Kirchenglocken von St. Agatha läuteten und gaben damit ein Zeichen für ein kurzes Innehalten. Im Aufruf dazu hieß es: „Die Solidarität dieses dezentralen Gedenken gilt allen Menschen, die von Krieg betroffen sind, an diesem Tag jedoch besonders den Menschen in der Ukraine und in Israel, die Opfer von Überfall und Terror geworden sind. Sie gilt allen Menschen, die friedlich leben wollen, unabhängig davon, ob sie Christen, Muslime oder Juden sind, einer anderen oder gar keiner Religion angehören. Nichts rechtfertigt völkerrechtswidrige Angriffskriege, Terrorismus und Gewalt sowie menschenverachtendes Verhalten.“
Auch wurden die Schulen angeschrieben, weil sich auch hier vielerorts die globalen Konflikte im Schulalltag widerspiegeln. Es treffen Kinder unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Herkunftsländer aufeinander. Insbesondere zum Terroranschlag der Hamas auf Israel haben die Schulen in NRW daher in der vergangenen Woche vom Schulministerium Materialien und Handlungsempfehlungen erhalten. Viele Schulen haben das Thema bereits aufgegriffen.

Erster Informationsstand im Januar 2024 auf dem Marktplatz

Mit einem Infostand ging das Bündnis „Wir in Dorsten gegen Rechts“ erstmals im Jahr 2024  in die Öffentlichkeit. Am 13. Januar waren die Aktivisten vor dem Alten Rathaus auf dem Marktplatz anzutreffen. Thematisch ging es um „Europa“ und die anstehenden Europawahlen am 9. Juni dieses Jahres.

Öffentliche Gesprächsrunde: Wege finden, den Rechtsruck zu verhindern

Das Bündnis veranstaltete am 22. Februar 2024 eine moderierte öffentliche Bürger-Gesprächsrunde im Treffpunkt Altstadt, zu der rund 90 Teilnehmer kamen, darunter eine Reihe Dorstener Ratspolitiker mit Bürgermeister Tobias Stockhoff und Parteivorständen, die von den übrigen Besuchern wie auf einer Bühne angegrenzt saßen und von dort zu den anderen Dorstener Teilnehmern sprachen. Dieser Eindruck wurde dann im Laufe der Veranstaltung durch das ununterbrochene Reden der Politiker noch verstärkt. Über das angesagte Diskussionsthema: „Gemeinsame Wege finden, den zunehmenden Rechtsruck zu verhindern!“, war wenig zu hören. Denn die politischen Redner „auf der Bühne“ erzählten mehr über das, was ihre Parteien bereits hinsichtlich der rechts ausgerichteten Partei AfD, die ebenfalls im Rat vertreten ist, unternommen haben und wie sie sich ihr gegenüber politisch abgrenzen. Die Bürger wurden zum Thema nicht gefragt, dazu reichte nach anderthalb Stunden politischem Gerede auch die Zeit nicht. Lediglich drei der nicht-politischen Teilnehmer hatten die Gelegenheit, etwas zu fragen bzw. eine kurze Meinung zum Thema abzugeben, obwohl sich mehrere Bürger zu Wort meldeten, was gut sichtbar war.
Ruth Lange, Moderatorin des Veranstalter-Vereins, betonte in ihrer Begrüßung, dass das Thema ihr eine „Herzensangelegenheit“ sei und betonte, dass sie eine „rhetorische Auseinandersetzung“ erwarte. Also „keine gegenseitigen Angriffe der Parteien zum Thema“. Bis auf eine kritische Anmerkung des SPD-Vertreters Friedhelm Fragemann gegenüber der Partei „Die Partei“ hielten sich die Politiker an diese Vorgabe der Moderatorin.
Die Aufforderung der Moderatorin „kräftig mitzudiskutieren!“ misslang aus Zeit- und wohl auch aus organisatorischen Gründen. Die Stadträte und der Bürgermeister sagten ja schon alles zum Thema und über ihre Parteien und sich selbst aus. Einer von ihnen beantworte kurz die Frage, warum denn in Dorsten so viele bei den Rechten mitmachten, mit dem Novalis-Zitat: „Für den Triumph des Bösen braucht es nichts weiter, als dass die Guten untätig bleiben!“
Auch mit Hinweisen darauf, dass wenige Tage zuvor auf dem Marktplatz 5000 Bürger „gegen Rechts“ demonstriert hatten, sprachen die Politiker über Politikverdrossenheit der Bürger. Das sei auch schuld daran, dass die AfD mit hohen Prozentzahlen gewählt würde und sie auch in  Dorsten in den Rat gewählt worden sei. In den Stellungnahmen fielen dann noch die Bemerkung, dass die Politiker den Bürgern gegenüber mehr sachlich als emotional sein müssten, aber auch, dass Politiker emotional sein wollten, dass Parteien den Wählern keine Angst machen dürften, dass Lokalpolitiker selbstkritisch sein sollten, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die Parteien Wähler und Mitglieder verloren hätten, dass es im Rat der Stadt eine Mauer gegenüber der AfD gebe, dass in letzter Zeit mehr Schärfte gegenüber den Rechten gezeigt werde und vieles mehr. Dazu der CDU-Fraktionsvorsitzende im Rat, Bernd Schwane: „Interessant, was alles gesagt wurde!“

SIehe auch: AfD – Alternative für Deutschland
Siehe auch: Die Partei


Quellen: DZ vom 7. Mai, 17. September 2019 und 20. Jan. 2020. – Ralph Pieper in DZ vom 6. Juli 2020. – DZ vom 19. Okt. 2023.

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