Wildschweine

Zahl der Borstentiere steigt – und sorgt für Probleme in Feld und Flur

Frank-Walter Steinmeier, neuer Bundespräsident, antwortete 2007 auf die Frage, welche Typen die Politik brauche: „…die Rampensau, den Nachdenklichen, den eher Bauchgesteuerten und den mit Augenmaß…“

Rampensäue, die sprachlich in die Nähe von Wildschweinen gerückt werden, gibt es in der Politik genug. Echte Wildschweine in Wald und Flur aber noch mehr. Wie Radio Vest Anfang 2017 meldete, habe sich die Zahl im Kreis Recklinghausen in den letzten 20 Jahren verzehnfacht. Dies mache den Landwirten Probleme. Für Autofahrer auf gewissen   Straßenstrecken sei das sehr gefährlich, wie heftige Unfälle das immer wieder bestätigten. – Auf der Altendorfer Straße wurde Anfang 2017 ein Wildschein überfahren, und im November 2016  rannte ein dickes Borstenvieh auf der L 608 zwischen Reken und Schloss Lembeck frontal in einen PKW, dessen Vorderteil total zerstört wurde. Die Fahrerin kam mit einem Schock davon. Einem Dorstener lief auf der Straße „Am Roten Stein“ von Wulfen in Richtung Holsterhausen plötzlich ein Wildschwein vor das Motorrad. Es kam zur Kollision, bei welcher der Motorradfahrer schwer verletzt wurde. Ausgewachsene Wildschweine können bis zu 140 Kilogramm schwer sein. Das Wildschwein, das ins Motorrad rannte, machte sich aus dem Staub. Dies sind nur einige Beispiele der vielen Unfälle auf den Straßen in waldreichen Gebieten rund um Dorsten.

Wildbrücke über A 31 errichtet

An der Straße zwischen Holsterhausen und Erle (B 224), auf der immer wieder überquerendes Wild Unfälle verursachte, wurde ein Begrenzungszaun und über die Ab 31 bei Schermbeck eine Querungsbrücke für Tiere errichtet. Aufgewühlte Erde zeugt aber immer noch von der Anwesenheit vieler Schweinerotten direkt an der Straße. Ebenso an der Straße, die in Holsterhausen am Waldfriedhof vorbei führt. Im so genannten Tüshausbusch rotten sich immer mehr die Wildschweine zusammen und hinterlassen für jedermann sichtbare Spuren, lassen sich sogar immer furchtloser sehen. Das Futter finden sie oft auf den Feldern der Bauern. Immer wieder kommt es zu abgefressenen Kartoffel-, Mais- und Weizenfeldern. Dadurch entstehen den Landwirten regelmäßig Schäden in Höhe mehrerer tausend Euro.

Wildschweine haben sich ihr Verbreitungsgebiet zurückerobert

Ausgestopftes Wildschwein als Warnung

Das allesfressende Wildschwein, auch Schwarzwild genannt, ist in der ganzen Welt zuhause, im kalten Sibirien ebenso wie im heißen Ägypten und auf der Arabischen Halbinsel, in der Mongolei wie in Europa. Und das schon immer, wenn auch einige Unterarten ausgestorben sind. In der Antike wurde das Wildschwein auch verehrt. Mit der Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft nahm auch die Bejagung des Wildschweins zu, so dass beispielsweise die Art in England bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgerottet war. In Dänemark erlegte man die letzten Wildschweine Anfang des 19. Jahrhunderts, bis 1900 gab es auch in Tunesien und dem Sudan keine Wildschweine mehr, und auch in Deutschland sowie in Österreich, Italien und der Schweiz waren weite Teile wildschweinfrei. In Bayern Sachsen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Württemberg gab es bis in die 1940er-Jahre keine Wildschweine mehr. Im 20. Jahrhundert haben sich Wildschweine weite Teile ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets durch Einwanderung wieder zurückerobert. Die Vermehrung der Wildschweine nahm und nimmt rasant zu, was an den Abschüssen und auf den Speisegarten von Restaurants ersichtlich ist. Mit ein Grund ist die fortschreitende Ausweitung riesiger Maisfelder. So wurden in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2003 erstmals jeweils mehr als 500.000 Wildschweine erlegt. In den 1960er-Jahren lag die jährliche Jagdstrecke noch bei unter 30.000 Tieren.
Wildschweine kommen den Menschen immer näher. Sie dringen in Städte ein, in Hausgärten und durchstöbern Mülltonnen nach Essbarem. Die hoch intelligenten Tiere registrieren sehr schnell, dass ihnen in Wohngebieten keine Bejagung droht, und werden daher gelegentlich sogar tagaktiv. An einem Wohnhaus in Deuten, an das ein Maisfeld reicht, machen es sich Wildschweine Nacht für Nacht gemütlich und fressen das Mais fast an der Haustür der Bewohner und lassen sich auch nicht durch nächtliche Heimkehrer stören.

In Berlin rücken Wildschweine bereits bis in den Stadtkern vor

Wildschweine suhlen gern

Berlin, so titelte die „Süddeutsche Zeitung“ am 25. Februar 2017, sei die „Hauptstadt der Ratten“, denn 14 Millionen dieser Nager lebten im Stadtgebiet. Mitten in der STadt werden ganze Grünanlagen gesperrt, um die Nager zu bekämpfen. Jetzt kommen die Wildschweine dazu, deren Anpassungsfähigkeit sich besonders deutlich in Berlin zeigt (hier nicht politisch gemeint wie Steinmeiers Eingangszitat), wo sich mittlerweile geschätzte 10.000 Borstentiere aufhalten, von denen sich etwa 4000, so die Berliner Forstverwaltung, schon längst dem Stadtkern genähert haben, sich in Parks und Gärten aufhalten. Gelegentlich führt sie ihr Weg bis in die Innenstadt. So mussten im Mai 2003 zwei Wildschweine erschossen werden, die auf dem Alexanderplatz, also mitten im betriebsamen Berlin, auftauchten.

Wild- bzw. Grünbrücke über die Autobahn

Begrenzungszaun und Warnanlage sorgen für weniger Unfälle

Gut angenommen wird die für 4,5 Millionen Euro errichtete Wildbrücke über die A 31 bei Schermbeck, die der Regionalverband Ruhr (RVR) und der Landesbetrieb Straßen-NRW im September 2012 eröffnet haben. Bereits damals nutzten in den ersten Wochen die Tiere die Brücke zur Überquerung der Autobahn. Mittlerweile konnten neben Rotwild, Schwarzwild, Rotfuchs und Wildkaninchen auch viele weitere Wildtiere von den Infrarotkameras erfasst werden. Die Wildwarnanlage samt einem Kilometer langen Zaun kostete rund 500.000 Euro. Der Wildschutzzaun ist in seiner gesamten Länge an der B 224 von der B 58 bis an den Knotenpunkt Brannenschnede/Hatkamp in Raesfeld-Erle errichtet. An fünf Wegen sind  Gitterroste als Wildsperren angebracht. Die übrigen Wege sind mit Toren gesichert, um eine Querung von Wild über die B 224 zu verhindern. Nicht nur die „Wildbrücke“ über die A31 hat für weniger Verkehrsunfälle in den letzten Jahren gesorgt, auch der Begrenzungszaun längs der Autobahn sorgte in jüngster Vergangenheit für einen unfallfreieren Verkehr.

Wildschweine zum Abschuss freigegegeben – Vorsorge Schweinepest

2016/17 sind mit 331 Wildschweinen in den 42 Dorstener Jagdrevieren so viele erlegt worden wie nie zuvor. Es sollen aber noch mehr geschossen werden. Denn die Wildschweinpopulation steigt in NRW. Anfang der 1990er-Jahre hat es in der Haard kaum Schwarzwild gegeben. Jetzt fühlen sie sich dort wohl. Das liegt an den etwa 600 Hektar großen Roteichenbeständen im Wald. Die Eicheln werden von den Tieren gerne gefressen. Die Vermehrungsrate beträgt allerdings durchgängig 300 Prozent pro Jahr. Dennoch hätten die Schwarzkittel in den Wäldern immer noch genügend Lebensraum, doch immer mehr tauchen in bewohnten Gebieten auf. Wildschweine sind intelligente Tiere und äußerst anpassungsfähig. Sie stehen plötzlich auf der Terrasse, durchwühlen Vorgärten und Mülltonnen und bei Landwirten Äcker und Grünland. Die Schäden sind immens. Jagdrevierpächter werden daher schnell mit Regressforderungen zwischen 20.000 und 40.000 Euro konfrontiert. Laut der kürzlich veröffentlichten Bilanz des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums wurden landesweit knapp 40.000 Schwarzkittel im vergangenen Jagdjahr erlegt, rund 4500 mehr als im Vorjahr. Eine intensivere Jagd soll nun helfen, die Zahl der Wildschweine in NRW weiter zu reduzieren. Dafür hat das Land bereits im Juli die Schonzeit aufgehoben, der Erlass wurde kürzlich verlängert bis Ende März 2021. Derzeit grassiert in Osteuropa die afrikanischen Schweinepest (ASP). Durch Wildschweine könnte sie eingeschleppt und auch auf Hausschweine übertragen werden. Für Menschen ist die Viruserkrankung ungefährlich. Im Osten Europas sind sowohl Wildschweine als auch bereits Hausschweine infiziert. Alle Experten sind sich sicher, dass die afrikanische Schweinepest auch das Dorstener Gebiet erreichen wird. Es ist eine Frage der Zeit. Bei der Jagd auf Wildschweine ist man anderswo schon weiter. In Tschechien werden wegen der Schweinepest Scharfschützen des Militärs auf Wildschweine angesetzt. In Bayern gibt es so genannte Saufänge – eine umstrittene, nur in Ausnahmefällen erlaubte Methode. Ganze Rotten werden dabei in ein umzäuntes Areal gelockt und die Tiere nach und nach mit Schalldämpfer-Waffen erschossen.

Wildschweinbraten steht auch vermehrt auf den Speisekarten

Wildschweinbraten

Die wegen der starken Population vermehrt erlegten Wildschweine finden sich als Braten auf den Speisekarten wieder. Wer Asterix kennt, kennt auch Obelix, der für den Genuss eines Wildschweinbraten alles um ihn herum vergaß. Als die Römer sein Dorf belagerten und es einnehmen wollten, aß er gerade ein Wildschwein und sagte zu seinem Freund Asterix, der ihn aufgeregt zum Kämpfen gegen die Römer aufforderte: „Die Römer können warten, Wildschweine nicht!“
Und zum Schluss noch einen zeitgenössischen Limerick aus Dorsten, gefunden im Internet:
Ein Wildschwein in Wäldern bei Dorsten,
das wütete schlimm in den Forsten.
Dann fing man es ein,
und jetzt ist das Schwein
ein Bratenstück – ganz ohne Borsten.


Siehe auch:
Wolfsjagden im Vest (Essay)
Jagdrecht
Wildwechsel-Brücke


Quellen:
Guido Bludau: „Schwerer Unfall in Lembeck – Wildschwein rennt frontal in Auto“ in DZ vom 25. Nov. 2016. – Ders.  „Motorradfahrer bei Kollision mit Wildschwein schwer verletzt“ in DZ vom 12. Juli 2015. – Radio Vest vom 23. Jan. 2017. – Wikipedia (Aufruf Febr. 2017). – Hegering Dorsten und Herrlichkeit Lembeck (Homepage). – „tritonus-limericks, Online-Seite (Aufruf März 2017). – Claudia Engel/Ilka Bärwald in DZ vom 15. Jan. 2018.

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