Erstarkung der AfD ist der Grund, warum die Politik das Gericht absichert
Es gibt wohl kaum jemanden in Bundesregierung oder Opposition, der sich noch nie über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geärgert hat. Karlsruher Urteile können Regierungspläne kippen und Oppositionshoffnungen zerstören. Die obersten Deutschen Richterinnen und Richter sind nur dem Grundgesetz verpflichtet und die wichtigste Instanz zur Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten im Land. Dass das Gericht und seine Entscheidungen respektiert werden – ob sie einem nun passen oder nicht – gehört zu den selbstverständlichen Grundübereinkünften der deutschen Politik. Doch in Zeiten erstarkender populistischer und rechtsextremer politischer Kräfte wird immer deutlicher, dass dieser Zustand nicht in Stein gemeißelt ist. In Deutschland ist es das Erstarken der AfD, das die Regierungsparteien mit CDU und CSU zusammengebracht hat, um das Bundesverfassungsgericht besser abzusichern. Die AfD macht aus ihrer Verachtung des Gerichts seit Jahren keinen Hehl: Wann immer die Karlsruher Richter Entscheidungen treffen, die der AfD nicht genehm sind, geht sie zum verbalen Frontalangriff über und macht das Gericht verächtlich. Deutlich wurde das zum Beispiel während der Corona-Pandemie. „Die Altparteien haben sich nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht zur Beute gemacht“, schrieb die AfD Rheinland-Pfalz bereits im Mai 2020 auf Facebook. Man darf sich keinerlei Illusionen machen: Sollte diese Partei einmal die Gelegenheit bekommen, grundlegende Institutionen unseres demokratischen Verfassungsstaates zu schwächen und in ihrem Sinne umzuformen, wird sie es ohne Zögern tun.
Die geplante Verankerung der grundlegenden Struktur und Arbeitsweise des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz, die Ampel und Union am Donnerstag in den Bundestag eingebracht haben, ist deshalb richtig und dringend notwendig. Rechtsexperten der Max-Planck-Gesellschaft haben ein paar rechtliche Lücken in dem Entwurf ausgemacht. Die Abgeordneten sollten im parlamentarischen Verfahren abwägen, ob sie diese Lücken schließen und den Schutz des Verfassungsgerichts noch weiter verbessern können. Bundesjustizminister Marco Buschmann hat unterdessen vor allzu hohen Erwartungen an die Grundgesetzänderung gewarnt. Er hat Recht: Eine Gesetzesänderung allein schützt Deutschland nicht vor dem Erstarken rechtsextremer, autoritärer Kräfte.
Quelle: Felix Huesmann in RN (DZ) vom 11. Oktober 2023