Suizid Selbsthilfegruppe

Das Warum bleibt für Angehörige oft ungeklärt – Kraft und Trost im Gespräch

Derzeit stirbt in Deutschland alle vier Minuten ein Mensch durch Suizid. 10 000 Menschen jedes Jahr. Sechs und mehr nahestehenden Personen sind von diesen Selbsttötungen betroffen. Sie fallen in ein tiefes Loch aus Schmerz und Verzweiflung, quälen sich mit Schuldgefühlen. Für sie hat der ambulante Hospizdienst von Caritas und Maltesern Dorsten eine Selbsthilfegruppe gegründet. Einer der Initiatoren war im Oktober 2010 Heinrich Knappmann, der Jahre zuvor seinen Sohn durch Suizid verloren und danach erlebt hat, wie hilflos und sprachlos sein Umfeld auf diesen Verlust reagiert hat. Heute ist er zusammen mit der Dipl.-Pädagogin und Trauerbegleiterin Ulla Kuhn Leiter der Selbsthilfegruppe in Dorsten, die sich alle zwei Wochen mittwochs trifft. Sie kooperiert mit AGUS (Angehörige um Suizid), die bis dahin keine Gruppen in der näheren Umgebung hatte.

Nur 30 Prozent derer, die Suizid begehen, hinterlassen Abschiedsbriefe

Gleich nach Bekanntmachung der Gründung kamen sofort zwölf Anrufe und acht bis zehn Interessenten waren am Anfang dabei. Neun kommen regelmäßig. Mit vier steht die Gruppe im telefonischen oder Email-Kontakt. Die Art des Todes ist es, was die Hinterbliebenen umtreibt. Viele machen sich Vorwürfe und bekommen Schuldgefühle, mit denen sie nicht fertig werden. Nur 30 Prozent hinterlassen einen Abschiedsbrief. Das Warum bleibt also oft ungeklärt. Die Umwelt kann kaum umgehen mit der Situation. Viele begegnen den Betroffenen mit Skepsis und Ablehnung. Die aber wollen so normal wie möglich behandelt werden. Nicht nur aus Dorsten, sondern auch der Umgebung kommen deshalb die Mitglieder der Selbsthilfegruppe. Mit Menschen, die das gleiche durchmachen, sei es eben möglich über alles Belastende zu reden. In der Gruppe sind Betroffenen, die einen Angehörigen erst vor wenigen Wochen verloren haben, bei anderen liegt der Verlust schon 20 Jahre zurück und ist immer noch gegenwärtig. Manche von ihnen hadern seitdem mit Gott, der einen solchen Schritt zugelassen hat. In der Gruppe können sie sprechen oder einfach nur zuhören. Was gesprochen wird, dringt nicht nach außen. Die Teilnahme ist kostenlos und von keiner Mitgliedschaft abhängig.


Quelle: Ute Hildebrandt-Schute in der WAZ vom 7. Juli 2011

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