Soldatenfriedhof Holsterhausen

1950 geplant und 1953 eröffnet – ewiges Ruherecht für 306 gefallene Soldaten

W. St. – Wer auf dem Holsterhausener Waldfriedhof das Gräberfeld derer betritt, die im Krieg gefallen und hier bestattet sind, dem fällt die Ruhe auf, die Stille einer Oase mitten im halblauten Betrieb eines Friedhofs. Fünf Grabreihen mit 306 steinernen Kreuzen stehen im Halbrund für die Ewigkeit. Die teils bereits verwitterten Namen mit Geburts- und Sterbejahr künden vom einstigen Leben der Toten. Und der Besucher mag erschrecken über das junge Alter der Männer, als die fremde Erde sie in Holsterhausen aufnahm, die nun hier liegen und an einen Krieg erinnern, der sinnlos war wie das massenhafte Sterben. Die Grabkreuze machen aber keine Aussage darüber, woher der Krieg diese Menschen nach Holsterhausen gebracht hat. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen: aus Ostpreußen ebenso wie aus Oldenburg, aus dem Elsass wie aus Eupen, aus Danzig wie aus Düsseldorf, aus Wien wie aus Warne­münde, aus Kiel wie aus Königsberg, aus München wie aus Melle, aus Straubing wie aus Stargard, aus Hamburg wie aus Halberstadt. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind hier ums Leben gekommen. Und eines ist ihnen im Tod gleich geblieben: Mussten sie einst als Soldaten ausgerichtet stehen, so liegen sie auch im Tod in Reih’ und Glied. Dafür sorgte der 1919 gegründete Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der zwischen 1950 und 1957 in Dorsten acht Kriegsgräberanlagen geschaffen und sie dann der Stadt und den Gemeinden (heute Stadtteile) zur Obhut übergeben hatte. Die größte Kriegs­gräberanlage ist jene im Waldfriedhof Holsterhausen. Die Gräber werden von der Stadt gepflegt und haben daher ewiges Ruherecht, wie es das Gesetz über die Erhaltung der Gräber von 1965 bzw. 1979 vorschreibt. Auf dem katho­lischen Friedhof in Holsterhausen gibt es sechs Kriegsgräber in amtlicher Obhut und 15, die privat gepflegt werden. Diese haben kein ewiges Ruherecht. So will es das Gesetz.

306 Gräber in fünf halbrunden Bändern Richtung Kreuz abgelegt

Auf der 1953 eröffneten Ehrenanlage auf dem kommunalen Waldfriedhof in Holsterhausen befinden sich 306 Kriegsgräber, darunter 70 tote Soldaten der Zugbombardierung vom 12. März 1945 in Holsterhausen, zwei weitere Kriegsgräber werden privat gepflegt. 1958 wurden zwei italienische Kriegstote nach Italien überführt. Der Holsterhausener Kriegsgräberfriedhof hat eine Vorgeschichte.
Vor dem Bau dieses als Rundanlage (Abb. Architektenplan des Friedhofs) errichteten Soldatenfriedhofs im Holsterhausener Kommunalfriedhof lagen die Gräber ungeordnet im Bereich des heutigen Waldfriedhofs gegenüber des sogenannten Russenfriedhofs, der bereits 1943 errichtet worden war. Dass im Holsterhausener Friedhof ein „würdiger Ehrenhain“ für die Gefallenen des Krieges errichtet werden soll, war schon lange bekannt, doch die Verwaltung hielt sich zurück, die Bürger darüber zu informieren. Das geschah erst auf Anfrage der „Dorstener Volkszeitung“ im September 1951, angeregt durch einen Leserbrief, in dem die Frage gestellt wurde, ob die Gefallenen des letzten Krieges  vergessen seien, weil die Soldatengräber auf dem Holsterhausener Kommunalfriedhof vernachlässigt waren. In der Antwort der Stadtverwaltung heißt es, dass die Gefallenen „keineswegs vergessen“ seien. Im Gegenteil. Schon seit geraumer Zeit stehe das Ordnungsamt mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der für die Betreuung der Kriegsgräber zuständig ist, zwecks „würdiger Gestaltung des Ehrenhains“ in Verhandlungen.
Die Planung und Vorarbeiten waren bereits soweit fortgeschritten, dass die Verwaltung noch im September 1951 mit der Neugestaltung des Kriegsgräberfriedhofs beginnen konnte. Der Volksbund hatte die Gelsenkirchener Gartenbaufirma Wilms mit der Durchführung der Aufgaben betreut. Den Entwurf der Neugestaltung in Form einer Rundanlage fertigte der Gartenbauinspektor Treubner aus Wanne-Eickel. Fünf Gräberreihen gruppieren sich um ein Rondell. Die Gefallen lagen daher alle mit „Blickrichtung“ auf das Rondell mit dem großen Kreuz. Die Gräber sind nicht einzeln voneinander getrennt, sondern als Bänder angelegt, auf denen die bekannten schlichten Holzkreuze des Volksbundes oder einfache Natursteine gesetzt wurden. An einigen Stellen des Friedhofs, besonders am Zugang wurden Sitzbänke zum besinnlichen Verweilen aufgestellt. Die Anlage wurde am 13. September 1953 eingeweiht. Zahlreiche Angehörige der Gefallenen nahmen an der Feier teil und legten Blumen oder Kränze am Grab ihrer Angehörigen nieder.

Mutter und Bruder des gefallenen Kurt Tolde kamen zur Einweihung

Für all die anderen hier Bestatteten soll die Geschichte eines dieser Grab­kreuze aus der steinernen Anonymität geholt werden. Es ist das Grab Nr. 128. Kurt Tolde, 22 Jahre alt, fand hier seine letzte Ruhe­stätte. Der Luftwaffengefreite aus Reinowitz, der verheiratet war und zuletzt in Dresden wohnte, starb am 10. März 1945 und wurde in das Lazarett 1/614 in Dorsten bereits tot ein­geliefert. Das Dorstener Standesamt informierte die Mutter Ilse Tolde vom Tod ihres Sohnes allerdings erst 1950. Die Mutter hatte eine Suchanzeige aufgegeben. Der damalige Bür­germeister von Altschermbeck, Josef Markfort, Emmelkamp 11, schrieb am 8. August 1950 an die Mutter nach Kirchhain bei Kassel: „Gestern gelangte Ihr Brief in meine Hände. Der Friedhof liegt 10 Minuten von hier entfernt und ist mir bekannt Es ist beabsichtigt, den Ehrenhof neu herzustellen. […] Sterbetag 9. 3. 45, beerdigt 10. 3. 45. Ich habe Ihr Schreiben weitergeleitet an die Amtsverwaltung Hervest-Dorsten. Von dort werden Sie näheres erfahren. Ich habe den Auftrag dazugegeben. Sonst stets gern zu Ihren Diensten grüßt Sie hochachtungsvoll Jos. Markfort.“
Die Amtsverwaltung schrieb am 22. August 1950 der Mutter, dass der Friedhof noch hergerichtet werden müsse und lud die Familie zur Einweihung ein. Das Standesamt der Stadt Dorsten übersandte einen Monat später die offizielle Ster­beurkunde. Zur Einweihung kamen dann die Mutter Ilse Tolde und der Bruder des Gefallenen, Helmut Tolde, nach Dorsten-Holsterhausen.

“Frundsberger”-Angehörige am Holsterhausener Waldfriedhof; Foto: Biermann

SS-Freundeskreis Dorsten gedenkt der SS-Toten rituell mit Fahne

Auf dem Krieggräberfriedhof sind auch etliche SS-Soldaten bestattet. Daher trafen (treffen?) sich alljährlich auf Einladung eines (SS)-„Freundeskreises Dorsten“ am Volkstrauertag in Dorsten Angehörige und Bewunderer der gefallenen SS-Soldaten auf dem Friedhof in Holsterhausen. Sie trauern nicht still, sondern mit einem Ritual, zu dem eine Fahne mit Eisernem Kreuz ebenso gehört, wie Reden, Kränze und auch mal ein Teilnehmer in Bundeswehruniform. Die rituelle Trauerfeier gilt den fünf hier 1945 gefallenen Angehörigen des SS-Artillerie-Regiments 10 der SS-Panzer-Division „Frundsberg“. Beispielsweise nahmen an der Gedenkstunde am 15. November 2009 über zehn Personen teil, davon ein fast 90 Jahre alter Angehöriger der SS-Einheit, ein Bundeswehr-Feldwebel in Uniform (vermutlich a. D.) sowie ein Fahnenträger mit Zylinder. Pikanterweise nahm auch der inzwischen verstorbene SPD-Kommunalpolitiker Hans Löns aus Holsterhausen mit Gattin teil. Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit ist die SS-Division „Frundsberg“ 2009 getreten, als der Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass zugab, mit 17 Jahren ein „Frundsberger“ gewesen zu sein.

Siehe auch: Kriegsgräber
Siehe auch: Soldatenfriedhöfe
Siehe auch: Frundsberger (SS)

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