Scientologen

Magie-Ausstellung „Zwischen Himmel und Erde“ abgesagt

Viel fehlte nicht, dann hätte die Stadt Anfang des Jahres 1992 die „Scientology Church“ derart „am Bein“ gehabt, dass es sicherlich schwierig wenn nicht unmöglich gewesen wäre, sie wieder los zu werden. Die Scientologen hatten Dorsten ausersehen, hier die große Magie-Ausstellung „Zwischen Himmel und Erde“ mit einem Millionen-Aufwand zu errichten, die bundesweit Besucher anziehen sollte. Allerdings gab sich die Scientologen-Sekte mit ihrer „ausgeprägten totalitären Ideologie“ (Staatsanwaltschaft München), die als „korrupt, sinister und gefährlich“ (High Court London) eingestuft wurde, nicht sofort als Veranstalter zu erkennen, sondern schoben das österreichische Unternehmen „Pyramid“ vor.

Bild aus dem Katalog

Bild aus dem Katalog

Hinter zauberhafter Schau verbarg sich eiskalte Psycho-Ideologie

Dorstens Wirtschaftsförderer Alfred Weiß sah die in Österreich bereits erfolgreich errichtete Ausstellung mehrmals, sprach mit den Managern darüber, ob sie auch an eine Errichtung der Ausstellung in Deutschland interessiert seien, was diese bejahten, und berichtete begeistert dem damaligen Stadtdirektor Dr. Zahn über das Dauerprojekt, das Millionen Besucher nach Dorsten bringen, Steuern in die Stadtkasse spülen und 40 bis 50 neue Arbeitsplätze schaffen würde. Zahn teilte die Begeisterung seines Wirtschaftsförderers. Damit die Politiker und die Öffentlichkeit das Projekt nicht „kleinlich zerredeten“, bevor es spruchreif wurde, verhandelten Zahn und Weiß  mit Verschwiegenheit. Grundstücke wurden in Aussicht genommen, Finanzierungen und Konzessionen festgelegt. In ihrer Begeisterung übersahen der Stadtdirektor und sein Wirtschafts- und Tourismusförderer, dass sich hinter dieser „zauberhaften Schau“ die eiskalte Psycho-Ideologie der Scientologen verbergen könnte, was die Manager der Ausstellung lange abstritten.

Verwaltung bremste das Projekt aus

Katalog zur Ausstellung

Katalog zur Ausstellung

Erst als alles „in trockenen Tüchern vertragsreif“ fertig war, stellten Zahn und Weiß das Projekt den Politikern und somit der Öffentlichkeit vor. Anfängliches ungläubiges Staunen wurde von Entsetzen abgelöst, weil sofort erkannt wurde, dass hinter dem Projekt die Scientologen stecken könnten. Innerhalb weniger Tage wurde dieses Projekt der Verwaltung ausgebremst. Nicht mehr die Steuern und die Arbeitsplätze waren Gegenstand der Diskussion, sondern die Blauäugigkeit auf der einen Seite und die „dubiosen Praktiken“ der anderen Seite. Aber noch hielt die Verwaltung am Projekt fest und lud Mitte Februar 1992 zwei Manager des „Pyramid Multi Media“-Unternehmens nach Dorsten ein, damit sie den Fortgang des Projekts erläutern konnten. Den bis dahin verschwiegenen Abmachungen zwischen Verwaltung und dem Veranstalter zufolge, sollte die Halle in Wulfen innerhalb weniger Wochen erstellt und die Multi-Media-Schau im Juni 1992 eröffnen werden, zwei Tage vor der Eröffnung des jüdischen Museums. Jährlich wurden mit 250.000 Besuchern gerechnet. Der Eintritt sollte 20 DM betragen.

Dann schlugen im Rathaus die Wellen der Aufregung hoch

Als die Manager einräumten, dass sie Scientologen seien, übte die Stadtspitze bemerkbare Zurückhaltung und in der Stadt schlugen die Wellen der Aufregung hoch. Nur Stadtdirektor Dr. Zahn erklärte: „Nachforschungen haben bislang den Verdacht, dass zwischen den Zielen der Sekte und den Inhalten der Ausstellung ein Zusammenhang besteht, nicht erhärtet.“ Obwohl nach dem Baurecht die Politiker über den Bau der Halle nicht zu entscheiden hätten, überließ Bürgermeister Heinz Ritter dann doch die Entscheidung den Politikern. Noch war es in der Schwebe, ob der Rat für oder gegen das Projekt stimmen würde. In Österreich zeigte sich die Ausstellung als ein wirtschaftlicher Erfolg. Eine Wiener Zeitung schrieb:

„So lobenswert der volksbildnerische Grundgedanke auch ist, so gefährlich ist die Gratwanderung zwischen schwärmerischem Glauben und nüchtern-sachlicher Betrachtung dieses Themas.“

Die Gratwanderung fand auch in Dorsten statt. Friedhelm Fragemann (SPD), zuerst nicht unbedingt abgeneigt, schlug als geeignetes Gelände für eine solche Ausstellung den Beerenkamp vor, zwei Tage später formulierte er aber ein klares Nein zur Scientologen-Ansiedlung: „Wir setzen uns ja auch nicht mit der Mafia an einen Tisch!“ Die Grünen waren ebenfalls dagegen, auch die CDU lehnte städtische Unterstützung des Projekts ab, schränkte aber ein, dass der Rat gegen eine private Ansiedlung des Projekts nichts unternehmen könne. Ablehnende Leserbriefe und Stellungnahmen von Kirchen und Bürgern füllten die Zeitungen.

Scientologen: „Wenn man uns nicht will, ziehen wir uns eben zurück!“

Karl-Christian Zahn

Karl-Christian Zahn

Die unter einem solchen öffentlichen Druck zustande gekommene Abstimmung im Rat brauchten die Politiker nicht durchführen, weil ihnen dies die Österreicher abnahmen. Sie reisten ab und schrieben an Dr. Zahn einen Brief, in dem sie enttäuscht mitteilten: „Wir drängen uns nicht auf. Wenn man uns nicht will, ziehen wir uns eben zurück!“ Sie schrieben auch, was sich in den letzten Tagen in Dorsten abgespielt habe, erinnere sie sehr an die NS-Zeit: „Die Deutschen haben aus ihrer Vergangenheit nichts gelernt. Sie brauchen offensichtlich jemanden, den sie unterdrücken können.“ Damit meinten sie, dass in Dorsten eine ungerechtfertigte Hetze gegen das Ausstellungsvorhaben entstanden sei. Stadtdirektor Dr. Zahn bedauernd gegenüber der Presse:

„Es ist schade, dass die Diskussion mit einem solchen Eifer geführt wurde. Ich habe mich um eine sachliche und ruhige Auseinandersetzung bemüht und wollte die Tür offen halten. Das ist mir nicht gelungen.“

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone