Schulzeit in Dorsten, 200 Bühnenmusiken, Verdienste - und fast vergessen
Von Wolf Stegemann. – 1893 in Antwerpen bis 1974 in Bochum; Komponist und Musiker. – Eigentlich Emilius Aloysius Ancelica Peeters. Seine Wirkungsorte waren Dorsten, Berlin, Bonn, Essen, München und sein Lebensmittelpunkt über 55 Jahre lang Bochum. In Bonn und Dorsten besuchte er Schulen, in Dorsten zusammen mit seinem jüngeren Bruder Gerhard das Gymnasium Petrinum. Warum er bzw. seine Familie nach Dorsten kam, ist hier nicht bekannt. Viele seiner Neigungen und Auffassungen, die Peeters in den späteren Jahrzehnten seines Lebens entwickelte, sind aus seiner Abstammung zu verstehen. Sein Vater war Flame und seine Mutter, eine geborene de la Porte, stammte aus einer alten Hugenottenfamilie. In Bonn und München studierte Emil Peeters Germanistik und Philosophie. 1913 wechselte er auf die Akademie der Tonkunst, studierte von 1914 bis 1918 in Berlin Komposition, wo u. a. Engelbert Humperdinck sein Lehrer war. Es ist unwahrscheinlich, dass sich beide über Dorsten unterhalten haben, doch sie hätten es können. Denn Humperdincks Familie stammte aus Dorsten und Peeters besuchte ja das Gymnasium in Dorsten. Zwei Preise drücken die offizielle künstlerische Anerkennung aus: 1917 erhielt Peeters ein Stipendium der Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung und 1928 den Kompositionspreis der Stadt Essen.
„Unverschämter junger Lümmel“ wagte sich an Per Gynt zu ersetzen
Über das Deutsche Opernhaus Berlin (1917/18) und das Städtische Orchester Essen (1918/19) kam Peeters 1919 nach Bochum. Der dortige legendäre Intendant Saladin Schmitt holte den Bühnenkomponisten als Kapellmeister ans Schauspielhaus, wo er bis zu seiner Pensionierung 1960 ununterbrochen tätig war. Von den alten Niederländern bis zur Zwölftonmusik, Peeters war kein Kompositionsstil fremd. Er schrieb über 200 Bühnenmusiken, darunter auch zwei Opern „Die Troerinnen“ (1929) und 1961 „Der Brand in der Oper“. Dazwischen komponierte er als einen seiner musikalischen Höhepunkte „Präludium und Fuge“ sowie Sinfonien und versuchte sich als junger kompromissloser Avantgardist auch einmal an Per Gynt, was Unmut im Publikum auslöste und ihm zugerufen wurde: „Es ist eine Unverschämtheit, dass dieser junge Lümmel die unsterbliche Musik Griegs zu ersetzen glaubt.“ Dies zeigte nichts anderes, als dass Emil Peeters schon in jungen Jahren unbeirrt ganz neue Musiken schrieb, darunter zu den Stücken „Zähmung der Widerspenstigen“, „Bluthochzeit“, „Faust I. und II. Teil“ für Soli, Chöre, Sprechchöre, Orchester und Orgel, op. 16 im Jahr 1928, „Der Tod einer Puppe“ , „Glasmenagerie“ und viele andere. Seine heitere Oper von G. Kaiser „Abenteuer in Spanien op 33“ kam 1941 in Bochum zur Aufführung
„Bravo, Bravo, Bravo … auch dem Komponisten Emil Peeters“
Emil Peeters Berufsbezeichnung war „Schauspiel-Kappellmeister und Bühnenkomponist“. Als solcher beteiligte er sich in den 1930er-Jahren an den Landesheimatspielen der Provinz Westfalen auf dem Hohenstein bei Witten, der ehemaligen Freilichtbühne Hohenstein. Er sorgte für die musikalische Umrahmung. Dazu schrieb die „Wittener Volkszeitung“ am 12. Juni 1930 (Auszug): „Wir können wiederum nur sagen: Bravo, Bravo! Bravo, dem künstlerischen Leiter Krug … und auch dem Komponisten Emil Peeters-Bochum.“ 1947 schrieb die Wochenzeitung „Die Zeit“ (Auszug): „In großen Zügen entwarf bei einer Morgenfeier der Kölner Theaterwissenschaftler Professor Dr. Carl Nießen ein Bild der ,Begegnungen mit Shakespeare’, wobei er vor allem den Einfluss des dichterischen Werkes auf die Musik des 19. Jahrhunderts. unterstrich und in der Wiedergabe der „Sommernachtstraum“-Ouvertüre von Mendelssohn und zweier Sätze aus der sinfonischen Dichtung „Romeo und Julia“ von Berlioz durch das unter Emil Peeters klangschön spielende Bochumer Orchester eine trefflich musikalische Unterstützung fand…“ Wann Emil Peeters geheiratet hatte, ist hier nicht bekannt. Erst nach seinem Ableben findet sich in den nachfolgenden Adressbüchern, zuletzt in der Ausgabe von 1993/94, der Name seiner Frau, Maria Peeters, geb. Lutze (*1912). Weitere Familienangehörige werden in diesen Quellen nicht genannt. Das Paar hatte fünf Kinder, davon zwei aus der ersten Ehe seiner Frau.
In unzeitgemäßer Weltfremdheit 8immer neue Partituren geschrieben
Der hochintelligente und schwer zugängliche Künstler, lebte zuletzt völlig zurückgezogen. Sein Credo: „Ich will schreiben, solange die Hand die Feder hält.“ Er hat es getan. Er starb 1974 im Alter von 81 Jahren. Die Musikwelt hätte sicher mehr Notiz von seinem Schaffen genommen, wenn Peeters etwas mehr für das Management seiner Musik getan hätte. In seiner unzeitgemäßen Weltfremdheit, wie sein Wesen von Kennern beschrieben wird, war es ihm wichtiger, immer neue Partituren zu schreiben, die aber ohne die heute unerlässliche Propaganda dafür nicht marktgängig waren. So still er in den letzten Jahren lebte, so unbemerkt wurde er nach seinem Tod eingeäschert. Hin und wieder kann man auf WDR 3 Werke von ihm hören. Man sollte Emilius Aloysius Ancelica Peeters wenigstens im engeren Raum seines Wirkens nicht vergessen. Und dazu gehört – wie ein Puzzle zum Ganzen – auch seine Schulbank in Dorsten.
Anmerkung: Emil Peters hat die zwölf Jahre Nationalsozialismus überstanden. Wie, das ist hier nicht bekannt. Er war in dieser Zeit nach wie vor am Schauspielhaus Bochum tätig. Allerdings gibt es keine Archivalien, die in dieser Zeit seine Arbeit und Tätigkeit belegen, außer, dass seine heitere Opermusik „Abenteuer in Spanien op 33“ 1941 in Bochum zur Aufführung kam. Und im Jahrbuch der deutschen Musik 1943 ist er mit der Werk „Symphonische Musik Nr. 2 (Bochum)“ vertreten. In einer Fülle von Zeitungsartikeln aus der Nachkriegszeit bis in die 1970er-Jahre hinein, die über sein Leben und Wirken von seinem Studium bis zu seinem Tod berichten, sind die Jahre 1933 bis 1945 völlig ausgespart. Die „Zeit“ schrieb am 22. März 1951 allgemein über das Bochumer Theater (Auszug): „Das Bochumer Theater des Intendanten Saladin Schmitts (1919-1949) – die zweite Rangkoordinate der westdeutschen Theaterprovinz in der ersten Jahrhunderthälfte – erfuhr seine offizielle Bestätigung erst in den dreißiger Jahren. Der heroische Monumentalstil, die festspielhafte Reihung von Klassikerzyklen in einer Arbeiterstadt des Ruhrgebiets, das oratorische Pathos und das ausladende Schaugepränge entsprachen dem Geschmack der NS-Machthaber.“
Quellen: „Wittener Volkszeitung“ vom 12. Juni 1930. –„Die Zeit“ vom 14. Aug. 1947. – Musik- und Personenlexikon MMG 2003 bd 60. – Zeitungsausschnitte Stadtarchiv Bochum. – „Ruhr-Nachrichten“, Ausg. Bochum, vom 9./10. März 1963, 28. Mai 1974, 25. April 1978. – „Bochumer Woche“ vom 4. Mai 1958.