LWL-Umlagenerhöhung 2017

Dorstens Stadtrat protestierten mit harschen Worten – Lösung beim Kreis

Plenarsaal der Landesversammlung , in der 18 Kreise und 9 kreisfreie Städte vertreten sind

Plenarsaal der Landschaftsversammlung Westfalen, in der 18 Kreise und 9 kreisfreie Städte vertreten sind

Mitte 2016 kam es zu einem Konflikt zwischen der Stadt Dorsten und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Letzterer forderte von den 57 Städten eine Erhöhung der Umlagen. Dorsten sollte 1,4 Millionen Euro an Mehrkosten zahlen. Der Stadtkämmerer kommentierte dies mit dem Hinweis, dass dies den Haushalt der Stadt „ruiniere“. Die Dorstener CDU-Ratsfraktion stellte sich hinter den Kämmerer und kritisierte ebenfalls „das ungezügelte Ausgabeverhalten“ des Landschaftsverbands. Schließlich unterstützte der Kreis Recklinghausen die finanzschwachen Städte des Kreises und übernahm einen Teil der Rücklagen aus seiner Rücklagenbildung. So trat dann doch nicht ein, was Dorstens Stadtkämmerer befürchtete. Der städtische Haushalt wurde nicht ruiniert. Er ist sowie schwach seit Jahren ruinös.

Stadt erinnerte den LWL an ihre Gegenforderung in Sachen Flüchtlinge

Der Unmut begann, als in der zweiten Jahreshälfte 2016 der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die an ihn zu zahlende Umlage drastisch erhöhte. 2017 sollte Dorsten 1,4 Millionen Euro mehr bezahlen. Damit wären es für 2017 eine Verbandsumlage in Höhe von 18,4 Millionen Euro, die Dorsten zahlen hätte müssen. Gegenforderungen wurden aufgestellt. Im September betreute die Stadt Dorsten 38 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. In Vorleistung musste die Stadt die Kosten ihrer Unterbringung, ihren Lebensunterhalt sowie auch ihre medizinische und häufig auch psychologische Betreuung finanzieren. Der Landschaftsverband übernahm dann diese Kosten. So stand der LWL zu diesem Zeitpunkt bei der Stadt mit 1,1 Millionen Euro „in der Kreide“. Rund 10.000 von 13.000 Altfälle vor dem Stichtag 1. November 2015 waren im September 2016 vom LWL noch nicht bearbeitet. Gleichzeitig kündigte der LWL an, weitere 6.500 aktuelle Fälle „jetzt“ zu bearbeiten, wofür der Landschaftsverband ein Jahr benötigen würde. Das alles machte dem Dorstener Stadtkämmerer Hubert Große-Ruiken graue Haare, wenn er sie nicht schon hätte. Die Stadtspitze kritisierte den Bearbeitungsrückstand beim Landschaftsverband.

Die Kämmerer der Städte schwiegen und verharrten in Schockstarre

LWL-Mitgliedskörperschaft; Gafik: LWL

LWL-Mitgliedskörperschaft; Gafik: LWL

Als Große Ruiken im September 2016 den Haushalt für 2017 vorlegte, meinte er, dass die ganze Arbeit der Kämmerei wie ein Kartenhaus zusammengefallen sei. Denn die Zahlen seien „desaströs“. Durch die Erhöhung der Umlage um 10,55 Prozent klaffte im Dorstener Haushalt plötzlich ein Loch in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Große-Ruiken erklärte das und gab einen Einblick in seine Gefühlswelt und in die seiner Amtskollegen und Bürgermeister der kreisangehörigen Städte, als ihnen am 6. September die LWL-Erhöhung präsentiert wurde. Die „Dorstener Zeitung“ zitierte den Kämmerer am 15. September 2016: „Wir waren sprachlos. Es herrschte Schockstarre und minutenlanges Schweigen.“
Nun ja, folgende Bemerkung dürfte in diesem Zusammenhang erlaubt sein: Wie dürfte denn die Gefühlswelt des Dorstener Stadtkämmerers angesichts der von ihm allein im Jahre 2015 eingefahrenen Währungsverluste durch Finanzspekulationen in Höhe von 12,8 Millionen Euro sein? In 2016 gab es einen Kursverlust aus diesen Spekulationen in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro! Der Kämmerer müsste eigentlich in ständiger Schockstarre verharren.

Grüne: Die Umlagenerhöhung in einer konzertierten Aktion verhindern

Sitzverteilung beim LWL 2014-2020

Sitzverteilung beim LWL 2014-2020

Wie auch immer. Der Dorstener Stadtrat beschloss in seiner Sitzung am 26. Oktober den Landschaftsverband unter Druck zu setzen, damit die Erhöhung reduziert wird. Im Rat war zu hören, Ein CDU-Ratspolitiker warf dem LWL „schäbiges Verhalten“ vor, die „brutale Konsequenzen“ hätten. Die Grünen schlugen vor, die drastische Umlagenerhöhung durch eine „konzertierte Aktion“ zu verhindern. Stadtkämmerer Hubert Große Ruiken kritisierte nun auch öffentlich die Sozialverbände, die wie ein Kartell seien und kein Interesse an Kostensenkungen hätten.
Damit griff er die Tätigkeit des Landschaftsverbandes als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit 16.000 Beschäftigten auf und irgendwie auch an. Immerhin ist der LWL für das Gebiet Westfalen und Lippe mit 8,2 Millionen Menschen zuständig. Die Kreise und kreisfreien Städte sind die Mitglieder des LWL, der im Rahmen der Kommunalen Selbstverwaltung regionale Aufgaben wahrnimmt. Mit seinen 21 Krankenhäusern, 35 Förderschulen, 17 Museen und als einer der größten deutschen Hilfezahler für behinderte Menschen, erfüllt der LWL Aufgaben in den Bereichen Soziales, Jugend und Schule sowie Psychiatrie, Maßregelvollzug und Kultur. Er finanziert sich durch Umlagen der Kreise und kreisfreien Städte, für deren Menschen er in den vorgeschriebenen Bereichen zuständig ist. Insgesamt beinhaltet der Haushaltsplanentwurf des LWL für 2017 einen Etat von 3,5 Milliarden Euro, über den die Abgeordneten der Landschaftsversammlung beraten, um ihn im Februar 2017 zu verabschieden.
Die Umlage an den LWL wird zwar aus der Kasse des Kreises Recklinghausen bezahlt, der aber finanziert sich ebenfalls durch eine Umlage der Städte. Und die Erhöhung hat der Kreis an die Städte weitergegeben. Der Kreis Recklinghausen zahlte 2016 noch 140 Millionen Euro, im nächsten Jahr werden es durch die Erhöhung 169 Euro sein. Die Stadt zahlt annähernd elf Prozent dieser Summen. Von 2011 bis 2017 stieg der Dorstener Anteil an der Landschaftsverbandsumlage damit von 12,7 auf dann 18,4 Millionen Euro.

LWL-Kämmerer Dr. Lunemann wies Dorstens Vorwürfe als haltlos zurück

Dr. Georg Lunemann

LWL-Kämmerer Dr. Georg Lunemann

Erster Landesrat und Kämmerer des LWL, Dr. Georg Lunemann, wies in Dorsten die Vorwürfe des Dorstener Kämmerers und des Rates zurück und erklärte die Behauptung des Stadtkämmerers, der Landschaftsverband Rheinland (LVR) würde weniger für Leistungen zahlen als der LWL, als falsch. Falsch seien auch die Behauptungen der Dorstener Kommunalpolitiker, dass der Landschaftsverband unter keiner Aufsicht stünde. „Beim LWL stimmen Abgeordnete auch aus dem Kreis Recklinghausen über den Haushalt ab, das NRW-Innenministerium muss jedes Jahr das Haushaltsgebaren des LWL genehmigen!“ Schließlich konnte Lunemann den Dorstenern mitteilen, das neue Zahlen neue Berechnungen ergeben hätten. Die Umlage-Erhöhung reduziere sich von 1,15 Prozentpunkten auf 0,9., so dass der Kreis Recklinghausen knapp zwei Millionen Euro weniger Umlage zahlen müsse. Allerdings wies er auch darauf hin, dass sich durch Entwicklungen, auf die der LWL keinen Einfluss habe, wie das immer Älterwerden der Menschen und Ansteigen von Sozialleistungen, sich die Landschaftsverbandsumlage von 2011 bis 2022 nahezu verdoppeln könnte, wobei der LWL in beträchtlichem Umfang Eigenkapital einsetzen würde und eingesetzt habe.
Die Dorstener CDU und FDP im Rat erneuerten ihre Kritik und wiesen in harschen Tönen die Richtigstellungen des LWL-Kämmerers Dr. Lunemann zurück. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Schwane, der bereits Wochen vorher das Verhalten des LWL als „schäbig“ bezeichnet hatte, warf dem Landschaftsverband öffentlich „tarnen, täuschen und tricksten“ vor. Der LWL würde schlechte Zahlen schön reden und verschleiern! Trotz der Proteste der Stadt Dorsten und anderer Städte, blieb der Landschaftsverband bei der vorgesehenen Erhöhung. Im LWL-Haushalt, welcher der übergeordneten Landschaftsversammlung vorgelegt werden muss, klaffte eine Deckungslücke von rund 206 Millionen Euro. Diese sei durch Gesetzesänderungen im Bereich des Sozialhilferechts entstanden.

Der Kreis zahlte die Erhöhung für die klammen Städte aus der Rücklage

Und dann traf ein, was den Haushalt für 2017 rettete. Am 16. November konnte der Stadtkämmerer im Haupt- und Finanzausschuss verkünden, dass der Rat am 14. Dezember einen ausgeglichenen Haushalt nach den Vorgaben des Stärkungspakts einbringen könne, der dann am 2. Februar 2017 verabschiedet werde soll. Ein Wunder? Nein! Der Landschaftsverband blieb bei seiner Erhöhung. Doch der Kreistag Recklinghausen sprang den klammen Gemeinden bei, damit sie ihren Haushalt stärkungspaktgerecht genehmigen lassen können. Dorsten zahlt jetzt für 2017 lediglich 17,2 Prozent der Erhöhungssumme. Den Rest auf die verlangten 17,6 Prozent, also 0,4 Prozent, übernimmt der Kreis aus seinen Rücklagen. – Somit ist für den Haushalt 2017 die Hürde erst einmal genommen. Es können aber jederzeit im Haushaltsjahr des nächsten Jahres weitere Hürden im Weg stehen. Darauf wies Dorsten Stadtkämmerer Hubert Große Ruiken die Ratsmitglieder unheilschwanger hin.

2017 zahlt der Kreis eine Million Euro mehr aus seinen Rücklagen

Die Landschaftsversammlung verabschiedete am 2. Februar 2017 den LWL-Haushalt für 2017. Der Hebesatz zur Landschaftsumlage wurde auf 17,4 Prozent festgesetzt. Ursprünglich war eine Anhebung des Hebesatzes von 16,7 (2016) auf 17,85 geplant. Die Differenz, die eine knappe Million Euro ausmacht, will der Kreis aus seiner Rücklage bezahlen, um die kreisangehörigen Städte nicht noch mehr zu belasten. Somit wird der Kreis 2017 insgesamt 165,8 Millionen Euro an den LWL überweisen müssen; 11,2 Miliionen Euro mehr als im Vorjahr. Der Haushalt des LWL hat ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro. Davon entfallen 90 Prozent auf soziale Leistungen. Allein bei den Hilfen für Menschen mit Behinderungen muss der Verband 2017 rund 165 Millionen Euro mehr aufwenden als 2016. Seine Rücklagen hat der LWL weitgehend aufgebraucht.


Quellen:
Dorstener Zeitung vom 31. August, 5., 7. und 15. September, 28. Oktober, 2., 11., 17. November 2016. – Homepage CDU-Kreisverband Recklinghausen (Aufruf 21. Dez. 2016). – Pressestelle LWL Münster. – DZ-Kreisseite vom 3. Febr. 2017.

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