Koch Geflügelfabrik

Tiefgefrorene Hähnchen wurden von Dorstern aus bundesweit verschickt

Hähnchenfabrik Dr. Koch an der Bochumer Straße in den 1960er-Jahren

Hähnchenfabrik Dr. Koch an der Bochumer Straße in den 1960er-Jahren

Das seit Ende der 1980er-Jahre nicht mehr existente Dorstener Unternehmen steht im negativen Fokus zeitgeschichtlicher und menschlicher Betrachtung: die frühere Geflügelverarbeitungsfabrik Dr. Koch an der Bochumer Straße. Dort mussten nach dem Krieg junge Jugendliche des LWL-Landeserziehungsheims Kreskenhof unter menschlich  unwürdigen Umständen arbeiten. Die ehemalige Firma steht auf der „Nutznießerliste“ mit den Namen der Unternehmen, die Jugendliche aus Heimen ausbeuteten. Die Liste erstellte der Australier Martin Mitchell 2010 zusammen mit Betroffenen. Darin steht als einzige Dorstener Firma „Dr. Johann Koch Hähnchenfabrik in Dorsten“ neben rund 40 anderen Unternehmen im Bundesgebiet, darunter die Caritas, RWE, Schlaraffia-Matratzen, Siemens, Miele und Varta, Nixdorf-Computer und Quelle-Versandhaus.

Frage nach Tiefkühlkost stieg in den 1960er-Jahren

Die Geflügelschlachterei ging aus der 1932 von dem Marler Dr. Johann Koch gegründeten chemischen Fabrik hervor, die an der Bochumer Straße im Jahre 1957 der Gelsenkirchener Diplom-Physiker Adolf Hergerfeld übernahm. Nach Fertigstellung des Neubaus 1966 wurde das Werk die modernste Geflügelschlachtanlage in NRW, in der zunächst 12.000 Hähnchen pro Tag geschlachtet wurden. Die Endkapazität lag bei 30.000 Stück pro Tag. Ende der 1980er-Jahre wurde der Betrieb eingestellt und die Häuser verkauft. In der Zeit ihrer unternehmerischen Tätigkeit als Geflügelschlachterei expandierte die Firma. Die Nachfrage nach Tiefkühlkost hatte seit den 1960er-Jahren stark zugenommen, so dass die Zahl der Mitarbeiter von durchschnittlich 40 (1965/66) in der Mitte der 1970er-Jahre auf 80 bis 120 anstieg. 1972 hatte die Firma einen neuen Betriebszweig eröffnet. Unter dem Namen „Menue-Service“ werden Fertiggerichte an Krankenhäuser, Werkskantinen und Heime, ggf. auch an Gaststätten in einem Umkreis von 30 bis 50 Kilometer geliefert. Tiefgefrorenes Geflügel wurde bundesweit versandt.

Heimkinder arbeiteten acht Stunden täglich am Fließband

Das Landeserziehungsheim Kreskenhof ließ ihre Jugendlichen in der Hähnchenfabrik arbeiten. Einer von Ihnen ist der damals 15-/16-jährige Dortmunder Thomas Bornmann  (Jahrgang 1957). Die beiden Jahre bezeichnet er als die schlimmste Zeit seines Lebens. Raus kam er aus dem Kreskenhof-Heim nur, um zu arbeiten. „Acht Stunden harte Arbeit am Fließband bei Dr. Koch und dafür bekamen wir am Ende des Tages eine Mark.“

Siehe auch: Kreskenhof


Quelle:
Michael Klein „An die Kindheit im Heim erinnern zwei Fotos und eine dicke Akte“ von DZ vom 21. Januar 2011.

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