Geldautomaten-Sprengungen

Drei mutmaßliche Täter vom LKA observiert und in Dorsten gefasst

Geödautomat der Sparkasse an der Hauptstraße in Holsterhausen; Foto: Bludau

Geldautomat der ehem.  Sparkasse an der Hauptstraße in Holsterhause; Foto: Bludau

Auf frischer Tat erwischten die Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) NRW Ende Dezember 2015 in Dorsten drei Männer unmittelbar bevor sie einen Geldautomaten der Sparkasse Vest (lediglich Service-Point) an der Hauptstraße in Dorsten-Holsterhausen in die Luft sprengen wollten. Die Festgenommenen sollen zu einer Gruppe aus dem Raum Kleve gehören, die seit März 2015 für 13 Geldautomaten-Sprengungen in NRW verantwortlich sein soll. Konkret geht es den Angaben der Ermittler zufolge 2015 um diese Taten:

23. März 2015 Sparkasse Kranenburg. 2. Juni Sparkasse Bedburg-Hau, 19. Oktober Sparkasse Kranenburg, 27. Oktober Volksbank Goch, 30 November Sparkasse Kleve, 18. November Volksbank Kevelaer, 19. November Volksbank Kalkar, 24. November Volksbank Alpen-Veen, 25. November Sparkasse Kevelaer, 6. Dezember Volksbank Emmerich, 8. Dezember Sparkasse Xanten, 18. Dezember Sparkasse Wesel, 22. Dezember Postfiliale Nettetal-Lobberich.

Die Täter konnten in Dorsten deswegen festgenommen werden, da die Ermittler sie in der vergangenen Nacht überwacht hatten. Stundenlang waren die Polizisten den Männern verdeckt über die Straßen des Niederrheins nach Dorsten gefolgt. Dort hätten sie ihren 14. Sprengversuch starten wollen, konnten aber etwa 30 Meter vom anvisierten Tatort entfernt gestoppt werden.

In keinem Fall Beute gemacht

So aktiv die Männer im Alter von 26, 27 und 33 Jahren auch waren – großen Erfolg hatten sie nicht: In keinem Fall machte das Trio Beute, wie das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Kleve am Mittwoch in Düsseldorf berichteten. Der Sachschaden an den betroffenen Gebäuden geht aber in die Millionen. Im Dorstener Ortsteil Holsterhausen planten sie offenbar die Sprengung eines Geldautomaten an einem Service Point der Sparkasse Vest an der Hauptstraße. Dort gibt es nur noch einen Geldautomaten, aber keine Filiale mit Kundenverkehr. Das Landgericht Kleve verurteilte die drei Männer Im Juli 2016 zu fünf bzw. sechs Jahren Gefängnis. Unter anderem wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und versuchten Bandendiebstahls. Das Gerichts stellte fest, dass die drei Männer in keinem Fall Beute machten, wohl aber Sachschäden von über 850.000 Euro verursachten.

Zahl der Fälle verdoppelt, Aufklärungsquote gesunken

Im Oktober 2015 hatte das LKA eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, die sich mit den Taten der “Geldautomaten-Banden“ befassen sollte. 2015 wurden in NRW bereits mehr als 60 Geldautomaten in die Luft gejagt. Häufig flüchteten die Täter mit PS-starken gestohlenen Fahrzeugen, es kam teilweise zu spektakulären Verfolgungsjagden über mehrere Autobahnen. 2016 wurden in NRW 110 Automaten gesprengt. Das waren fast doppelt so viel wie 2015. Die Aufklärungsquote hatte sich von 52 auf 25 Prozent mehr als halbiert. Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamts stammten die Täter überwiegend aus den Niederlanden mit hohem Anteil nordafrikanischer Herkunft (nach RN). Im Dezember 2016 teilte die Polizei in NRW mit, dass sie auf der Spur einer organisierten Bande aus den Niederlanden sei, die Automaten sprengten. Die Täter hätten sich gleich nach der Tat in  vorbereiteten Garagen vor der Bereichsfahndung versteckt und seien, nachdem sich wieder alles beruhigte, mit einem anderen und unverdächtigen Fahrzeug über die Grenze verschwunden. Alle 11.000 Geldautomaten in NRW würden 2022 einer Gefahrenbewertung unterzogen.

Versteck von Automaten-Sprengern in Bochum entdeckt

In einer Garage im Bochumer Norden entdeckte die Polizei Anfang Januar 2017 ein Lager von Automatensprengern. Der Vermieter der Garage machte die Polizei darauf aufmerksam. Da die Mieter der Garage seit Monaten keine Miete mehr zahlten, öffnete er die Garage und entdeckte darin ein Kraftfahrzeug, das in den Niederlanden als gestohlen gemeldet war, sowie Gasflaschen und  Chemikalien. Die Polizei konnte diese Gegenstände mit einer Serie von Automatensprengungen in Verbindung bringen, die sich bereits seit 2015 durch NRW ziehen. 2016 gab es in Nordrhein-Westfalen 136 Fälle von Geldautomaten-Sprengungen.

Sprengung in Holsterhausen – Täter dieses Mal erfolgreich 

Am 27. April 2016 wurde der Automat der Sparkasse an der Hauptstraße (siehe oben) nachts gegen 2.50 Uhr gesprengt. Zwei unbekannte, schwarz gekleidete Männer betraten den Vorraum der Filiale und brachten dort den Geldautomaten zur Detonation. Die Täter erbeuteten Bargeld, packten es in zwei schwarze Sporttaschen und flüchteten nach Zeugenaussagen auf einem Motorroller in Richtung Schermbecker Straße. Fahndungsmaßnahmen nach den Tätern verliefen ohne Erfolg. – Ende April 2017 wurde von Bankräubern in Wuppertal der bereits der 31. Geldautomat in diesem Jahr in NRW gesprengt. Die maskierten Täter entkamen. 2016 waren es in NRW 136 Automaten.

Immer mehr Nordafrikaner unter den niederländischen Tätern in NRW

Das Landeskriminalamt (LKA) registrierte 2017 in Nordrhein-Westfalen insgesamt 92 Geldautomaten-Sprengungen. Immerhin: Nach 136 Attacken im Vorjahr entspricht das einem Rückgang von gut 32 Prozent. 2015, als erste Serien von Geldautomaten-Sprengungen als neues Kriminalitätsphänomen von sich reden machten, waren es 67 Fälle. 2014 sogar nur ganze 23. Das LKA und die dort tätige Ermittlungskommission „Heat“ rechnen das Gros der Taten einer etwa 250-köpfigen Szene aus den Vororten von Utrecht und Amsterdam zu, die Täter mit nordafrikanischem Migrationshintergrund wechseln über die Grenze und verschwinden nach der Sprengung ebenso schnell wieder mit PS-starken Fahrzeugen. Einen Grund, wieso die Nordafrikaner so oft in NRW zuschlagen, sehen Ermittler des LKA darin, dass die Intensivtäter nach früheren „guten Erfahrungen“ in den Beneluxländern und der danach dort einsetzenden besseren Automaten-Sicherung auf leichtere Beute in NRW umgestiegen seien. Die Banken rüsten technisch nach, einige schränken die Nutzung ihrer Geldautomaten in der Nacht ein. Dem LKA ist bekannt, dass es etwa 200 Niederländer mit zumeist nordafrikanischem Migrationshintergrund gibt, die in wechselnden Konstellationen immer wieder auch in Deutschland tätig sind. Das Sprengen von Geldautomaten mit dem Einleiten von Gas hat mittlerweile längst den Überfall mit Maske und Waffe als klassischen Bankraub abgelöst.

Auch das noch: Nikolaus plündert Geldautomaten der Erler Volksbank

Ein als Nikolaus verkleideter Tatverdächtiger hatte zwischen den 3. und 4. Advent 2019 an der Silvesterstraße in Raesfeld-Erle einen Geldautomaten  mit „Jackpotting“ geplündert. Eine Videoauswertung zeigt eine Person im Nikolauskostüm, die sich abends an dem Automaten zu schaffen machte. Der Beuteschaden liegt im fünfstelligen Bereich. Der Begriff „Jackpotting“ geht auf den amerikanischen Hacker und Sicherheitsexperten Barnaby Jack zurück. 2010 demonstrierte er, wie er eine spezielle Software in einen Geldautomaten einspielte und auf diese Weise den Geldautomaten derart überlistete, dass dieser sämtliche Banknoten auswarf. So geschehen in der Erler Volksbank.

Erfolglose Bankautomatensprenger in der Volksbank Wulfen

In der zweiten Augusthälfte 2020 versuchten Unbekannte nachts um 4.40 Uhr die Geldautomaten im Selbstbedienungsbereich der Volksbank am Wulfener Markt zu sprengen. Die Täter hatten keinen Erfolg, richteten aber  hohen Sachschaden an. Die beiden Geldautomaten mussten ersetzt werden. Das Landeskriminalamt ermittelt, ob diese Tat mit weiteren Sprengungen von Geldautomaten in Zusammenhang steht. Das Sprengen von Geldautomaten ist bei Täterbanden eine beliebte Methode, die bereits im Jahr 2020 (Stand: Ende August) in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen schon 98-mal angewandt worden.

Vestische Sparkasse schließt etliche SB-Standorte – auch in Wulfen

Aus Sorge vor weiteren Geldautomaten-Sprengungen hatte die Sparkasse Vest Recklinghausen Mitte Februar 2022 die Geldautomaten an zwölf ihrer Selbstbedienungsstellen bereits leer geräumt. Die Sparkasse Vest ist seit 2017 sieben Mal von kriminellen Sprengkommandos heimgesucht worden. Von der Schließung der Geldautomaten war in Dorsten der SB-Standort Wulfen-Barkenberg betroffen. Die Sparkasse Vest unterhielt bis dahin in den Städten Recklinghausen, Marl, Herten, Datteln, Waltrop, Oer-Erkenschwick, Dorsten und Castrop-Rauxel neben 39 mit Personal besetzten Filialen 26 reine Selbstbedienungs-Center. Jetzt sind es nur noch 14. Die Zahl der Sprengattacken in der Zeit Januar bis Mitte Februar 2022 hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in Nordrhein-Westfalen verfünffacht. Wurden im vergangenen Jahr bis Mitte Februar sechs Taten gezählt, waren es in diesem Jahr (Stichtag 14. Februar) bereits 33 Fälle, wie aus Angaben des Landeskriminalamts (LKA) in Düsseldorf hervorgeht. 2021 waren in NRW insgesamt 151 Attacken registriert worden. Im Kreis Recklinghausen traf es 2021 Sparkassenautomaten in Recklinghausen (2) und Castrop-Rauxel sowie jeweils eine Volksbank-Filiale in Dorsten und in Castrop-Rauxel.
Der Zugang zum Geldautomaten bleibt nachts vielerorts an Filialen von Sparkassen und Banken verschlossen – um Automatensprengern Angriffe zu schweren. Bei den Sparkassen in Westfalen und Lippe werde es Ende desJahres 2023 bei 80 Prozent der Standorte eine Nachtschließung geben. Anfang des Jahres waren es etwa 70 Prozent.

Neue Geldautomaten-Boxen für den Kreis: Sparkasse investiert Millionen

Die Sparkasse Vest ist seit 2017 sieben Mal von kriminellen Sprengkommandos heimgesucht worden, zuletzt im Dezember 2021 in Recklinghausen-Suderwich. Hier zeigte sich, dass die Täter immer brutaler vorgehen und Sprengstoff einsetzen, mit dem sich auch „die hochgerüsteten Sicherheitsvorkehrungen in der Sparkasse überwinden“ ließen, so das Geldinstitut in einer Pressemitteilung vor einigen Wochen. Die aktuell zwölf vom Netz genommenen Stellen werden derzeit aufgerüstet. Nun sollen verstärkt die roten „Spardosen“ zum Einsatz kommen, wie sie zweimal im Kreis Recklinghausen existieren – in Dorsten am Hagebaumarkt und in Recklinghausen-Suderwich. Die neuen „Spardosen“ kosten einen guten sechsstelligen Betrag pro Stück. Insgesamt wird das Geldinstitut im Laufe des Jahres 2022 einen Millionenbetrag investieren. Denn insgesamt sollen mehrere neue Boxen zum Einsatz kommen. Diese seien nicht nur schon bestellt, sondern bereits im Zulauf.

Gesprengte Bank in Deuten, Dezember 2021; Foto: Bludau (DZ)

Zwei Explosionen in Bankfiliale Deuten: Täter flohen ohne Beute

In der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 2021 erschütterte im 3.30 Uhr  in Deuten eine Explosion die Nachtruhe. Unbekannte hatten mit zwei Explosionen die SB-Filiale der Vereinten Volksbank gesprengt. Von einer Nachbarin wurden drei dunkel gekleidete Männer gesehen. Als die Polizei eintraf, waren die Unbekannten längst in einem schwarzen Auto Richtung B 58 verschwunden. Die Polizei sperrte den Tatort weiträumig ab und sicherte stundenlang Spuren. Die Fahndung blieb im Tagesverlauf trotz eines Hubschraubereinsatzes erfolglos. Die Täter haben „aus technischen Gründen“ keine Beute gemacht. Die Folgen der Explosionen waren auch außerhalb des Gebäudes sichtbar. Die Straße und ein Parkplatz waren von Glassplittern übersät und wurden am Vormittag vom städtischen Entsorgungsbetrieb beseitigt. Mehrere geparkte Autos wurden beschädigt, verletzt wurde aber niemand. Das THW stützte die Decke der SB-Filiale ab, die einzustürzen drohte. Wie hoch der Sachschaden am Gebäude ist, müssen Gutachter klären (Quelle: Stefan Diebäcker und Guido Bludau in der DZ vom 21. Dez, 2021).
Ende November 2022 wurde nachts ein Geldautomat der Volksbank-Filiale an der Dorfstraße in Polsum gesprengt. Die unbekannten Täter sollen ein Fahrzeug mit Gelsenkirchener Kennzeichen benutzt haben.

Wie Corona die Sprengung von Dorstener Geldautomaten beeinflusst

Vor der versuchten Geldautomatensprengung in Deuten hat es längere Zeit keinen Anschlag auf eine Bankfiliale in Dorsten gegeben. Das LKA bestätigt: Das hat auch mit Corona zu tun. Die Sprengung des Geldautomaten bei der Volksbank in Deuten in der Weihnachtswoche 2021 war bei weitem nicht der erste Vorfall dieser Art. Das Landeskriminalamt, bei dem die Fälle zusammenlaufen, machte interessante Beobachtungen. 2021 gab es landesweit einen deutlichen Rückgang der Sprengungen zwischen Januar und April. Hatten Täter 2020 in diesem Zeitraum noch 73 Explosionen an Geldautomaten verursacht, waren es im Jahr darauf „nur“ 20. Für die Ermittler kein Grund zum Wundern, denn im ersten Quartal des Jahres galt im Nachbarland Niederlande eine nächtliche Ausgangssperre. Das LKA geht davon aus, dass die Täter meist aus den Niederlanden kommen und sich während des viermonatigen strengen Lockdowns für unauffälliges Verhalten entschieden haben. Die Fälle rund um Dorsten im Jahr 2020 sprechen für diese Annahme, denn auch hier wurde der erste am 5. April aus Schermbeck (Kreispolizei Wesel) gemeldet. Ein Versuch, bei dem die Täter ohne Beute blieben. Am 23. August sprengten Täter dann den Automaten der Deutschen Bank in Kirchhellen, am 27. August den Geldautomaten der Volksbank Wulfen-Barkenberg, am 21. September war die Sparkasse an der Schneiderstraße in Kirchhellen-Grafenwald betroffen, am 7. Oktober der Sparkassen-Automat am Dorstener Hagebaumarkt und zuletzt im Dezember die Volksbank in Deuten.

Zur organisierten Tätergruppe sollen bis zu 700 Personen gehören

Im Bereich der Kreispolizeibehörde Recklinghausen wurde der erste Fall am 22. April 2021 registriert. Weitere sechs folgten im Jahresverlauf, davon misslangen den Tätern drei. Landesweit läpperten die Fälle sich dann in diesem Jahr auf bisher 150. Die Differenz zu den 176 Fällen im Jahr zuvor erklären die LKA-Ermittler mit dem Lockdown in den Niederlanden. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei den Tätern um Menschen aus den Niederlanden mit marokkanischem Migrationshintergrund handelt. Sie sollen rund um Amsterdam und Utrecht zu Hause sein. Einzelne Festnahmen und Prozesse, wie zum Beispiel 2018 am Landgericht Essen, haben den Tätern nicht das Handwerk legen können. Nach Auskunft des Landeskriminalamtes handelt es sich um eine 500 bis 700 Personen starke, gut organisierte Tätergruppe, die ihre Arbeitsweise offenbar ständig weiterentwickelt: Wurden viele Sprengungen zunächst mit Gasgemischen herbeigeführt, setzen die Täter inzwischen meist Sprengstoff ein – und richten damit, auch wenn sie nicht immer Beute machen, erhebliche Sachschäden an (Quelle: Petra Berkenbusch in DZ vom 4. Jan. 2022).

Geldautomat 2023 in Groß Reken gesprengt: Anwohner filmt Bankräuber

Zum zweiten Mal binnen einer Woche wurde Mitte Januar 2023 in einer Nachbargemeinde von Dorsten ein Geldautomat gesprengt. Nachdem zwei Bankautomaten in Heiden gesprengt wurden, wurde am 12. Januar gegen 4.30 Uhr in Groß Reken gesprengt. Durch die Explosion erschreckt, filmte ein Anwohner die Täter und stellte den Film ins Internet. Zu sehen ist u. a. ein schwarzes Fluchtfahrzeug mit Wuppertaler Kennzeichen, vermutlich ein Audi A 6, der schon in Heiden benutzt wurde. Außerdem zeigt das Video drei Männer, die nach der Explosion den völlig verrauchten Automatenraum der Sparkasse mit mehreren Taschen verlassen. Einige Anwohner haben offenbar Gläser geworfen. Dann fuhr das Auto Richtung A 31 und vermutlich nach Dorsten davon. Die Polizeidirektion Borken hat Spezialisten aus Düsseldorf zur Spurensicherung angefordert. Am 20. Januar berichtete das ZDF-Magazin „Hallo Deutschland“ über den Vorfall und zeigte den Film des Anwohners.

Geldautomat 2023 in Schermbeck gesprengt: Kein Geld erbeutet

In Schermbeck haben Bankräuber in der Nacht zum 15. Februar 2023 einen Geldautomaten der Volksbank-Filiale in der Straße „Kerkerfeld“ gesprengt. Die Anwohner schreckten um 1.44 Uhr durch zwei Detonationen auf. Das laute Krachen war sogar in den ersten Häusern in bis Dorsten-Holsterhausen zu hören. Einige machten Videoaufnahmen von dem Vorfall, auf dem einer der flüchtenden Täter. Auf einer ist zu sehen ist. Wie Zeugen der Polizei berichten konnten, stiegen am Tatort zwei unbekannte Personen in eine wartende dunkle Limousine ein. Mit hoher Geschwindigkeit bretterten sie in Richtung Bundesstraße 58. Die Fahndung nach dem Auto lief ab. Am Mittwoch blieb die Suche allerdings erfolglos. Keinen Erfolg hatten auch die Täter. Sie erbeuteten in den aufgesprengten Automaten kein Geld. Die Volksbank-Filiale wurde durch die Sprengung völlig zerstört. – Bereits im April 2020 hatten Unbekannte versucht, einen Geldautomaten der Volksbank in Schermbeck zu sprengen – damals war allerdings die Hauptstelle an der Mittelstraße betroffen. Der Schaden am Gebäude hielt sich da allerdings im Vergleich zur aktuellen Sprengung in Grenzen.

In NRW wurden bundesweit die meisten Geldautomaten gesprengt

In Deutschland hat es zwischen seit 2016 und 2023 rund 3000 Sprengungen von Geldautomaten gegeben. Die mit Abstand meisten Fälle in dem Zeitraum gab es in Nordrhein-Westfalen, wo allein 1078 Geldautomaten gesprengt worden sind – das ist mehr als ein Drittel aller Delikte. Es folgen Niedersachsen (361), Hessen (319) und Rheinland-Pfalz (225). Die wenigsten Fälle gab es in Hamburg (26), Bremen (27) und im Saarland (34). Das traurige Rekordjahr ist 2022, in dem es bundesweit rund 530 Fälle gab. Auch 2023 gab es bundesweit bereits 267 Sprengungen (Stand 30. Juni 2023). Das geht aus einer Auswertung des Unternehmens Cennox NV hervor, das das Bargeldfärbesystem Scorpion vertreibt, das in Deutschland und den Niederlanden im Kampf gegen die kriminellen Sprenger in Geldautomaten zum Einsatz kommt. Die „Dorstener Zeitung“ veröffentlichte am 28. Juni 2023 eine Analyse, deren Zahlen in enger Abstimmung mit dem Bundeskriminalamt (BKA) erhoben worden waren, da sie „aufgrund von Definitionen und unterschiedlichen Einordnungen in Teilen marginal von den Zahlen in den Kriminalitätsstatistiken abweichen“. Die meisten kriminellen Sprenger kommen aus den Niederlanden, wo die Behörden das Problem – anders als in Deutschland – längst in den Griff bekommen haben – offenbar vor allem mittels eines Bargeldeinfärbe-Systems. Dieses macht die Geldscheine unbrauchbar, wenn ein Automat gesprengt wird, indem es die Banknoten einfärbt. Daher reduzierten sich die Fallzahlen in den Niederlanden seit 2016 um 90 Prozent. Daher fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft in NRW gemeinsam mit den Gewerkschaften aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen eine gesetzliche Verpflichtung für Banken in Deutschland, solche Einfärbe-Systeme einbauen zu müssen.

Bei Sprengungen von 2020 bis 2023 in NRW 17 Verletzte bei 615 Angriffen

Bei Angriffen auf Geldautomaten sind seit 2020 (bis August 2023) genau 17 Menschen verletzt worden. Darunter sechs Tatverdächtige, ein Polizist und zehn Unbeteiligte. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der AfD im Düsseldorfer Landtag hervor. Die Verletzten werden laut Ministerium erst seit 2020 erfasst, daher gibt es keine älteren Zahlen. Im besagten Zeitraum habe es demnach 615 Angriffe auf Geldautomaten gegeben, inklusive 105 Fälle in diesem Jahr (Stand 28. August). Bei diesen Taten konnte man in 94 Fällen bislang keine Verdächtigen identifizieren. Geht man bei den Taten weiter zurück, ist die Quote besser: „Von den seit dem Jahr 2015 bekannt gewordenen Taten wurden bisher 332 aufgeklärt. Dies entspricht einer durchschnittlichen Aufklärungsquote von 29,5 Prozent“, so das Innenministerium (dpa).

Fahrkartenautomat am Bahnhof in Hervest nachts in die Luft gejagt

Automatensprenger haben in der Nacht vom 2. auf 3. Dezember 2023 einen Fahrkartenautomaten am Bahnhof in Hervest (Am Holzplatz) gesprengt. Die Kriminellen haben nach ersten Erkenntnissen der Polizei vermutlich ein Gasgemisch in den Automaten eingeleitet und dieses dann entzündet. Es dürfte dabei einen ziemlich Knall gegeben haben. Erkenntnissen der Deutschen Bahn zufolge soll die Tat zwischen 3.30 und 4 Uhr passiert sein. Durch die Wucht der Sprengung wurde der Automat völlig zerstört. Massive Teile, wie die Front, wurden abgerissen und auf einen Fußweg geschleudert. Weitere Teile des Fahrkartenautomaten verteilten sich in der Umgebung. Neben der zuständigen Bundespolizei ermittelte auch ein Team der Kriminaltechnik der Polizei Recklinghausen. Der Schaden an dem Automaten dürfte sich sicherlich auf mehrere tausend Euro belaufen. Ob die Täter, die unerkannt entkommen konnten, Beute in Form der Geldkassette machten, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Dass Bankautomaten oder Zigarettenautomaten aufgesprengt wurden, das hat in der Vergangenheit immer wieder mal gegeben. In den letzten Wochen des Jahres 2023 haben sich unbekannte Täter in der Region mehrfach mit der gleichen Methode an Fahrkartenautomaten an kleineren Bahnhöfen zu schaffen gemacht: Im November in Recklinghausen-Süd und in Marl-Hamm, im Oktober in Kirchhellen-Feldhausen und Gelsenkirchen-Hassel – nun auch in Dorsten.

Ob sich Automatensprengungen finanziell „lohnen“ ist fraglich

Im Oktober/November 2023 sind 20 Fahrkartenautomaten im gesamten VRR-Gebiet gesprengt worden. Die Kreispolizei Recklinghausen ging nach den weiteren Ermittlungen von möglichen Tatzusammenhängen aus – davon zeugt auch die Art des verwendeten Sprengstoffs. Ob sich das Vorgehen der Täter finanziell überhaupt „lohnt“, ist fraglich. In den Geldgeräten der Automaten ist ein Geldeinfärbe-System angebracht, das im Moment des Aufbruchs oder der Sprengung den gesamten Banknotenbestand einfärbt und somit unbrauchbar macht. Doch der Sachschaden liegt immerhin zwischen 20.000 und 25.000 Euro.

Einfärbe-Systeme würden die Zahl der Sprengungen drastisch verringern

Die Täter, die vor allem aus Utrecht und Amsterdam kommen, gehen in NRW immer brutaler und rücksichtsloser vor. Cennox sind seit 2021 mindestens 51 Fälle bekannt, in denen die Kriminellen Sprengladungen zurückließen, die später von der Polizei entschärft werden mussten. Die Sprengladungen hatten ein Gewicht von bis zu 1,3 Kilogramm. Die Ladungen seien zum Teil so instabil, dass sie schon durch reines Drauftreten zur Explosion gebracht werden können, heißt es. Demnach lag in einem Fall eine sehr instabile 350-Gramm-Sprengladung noch unentdeckt unter Trümmern, während bereits wieder Kunden in der Bank waren. Deswegen durchsuchten mittlerweile Sprengstoffspezialisten zunächst den Tatort, ehe die Kriminaltechnische Untersuchung (KTU) übernehme. Die meisten der bundesweit rund 3000 Sprengungen seit 2016 gab es der Auswertung zufolge in den Juni-Monaten (296); es folgen der Mai (288) und der März (282). Die wenigsten Sprengungen gab es mit 162 Fällen im August. Die Sicherheitsbehörden in NRW sind auch davon überzeugt, dass ein flächendeckender Einbau von Einfärbe-Systemen die Zahl der Sprengungen drastisch reduzieren würde. Das haben eigene Sprengtests auf einem Sprengplatz in NRW ergeben, die von den Landeskriminalämtern in NRW und Niedersachsen organisiert wurden. Die Kreditinstitute stellten dafür Geldautomaten verschiedener Hersteller zur Verfügung. Die Bundesbank steuerte entwertetes Bargeld bei.

Seit 2024 Geldautomaten der Sparkasse Vest mit Einfärbungen

Wenn Geldautomaten von Kriminellen gesprengt werden, verfärben sich die Geldscheine mit Tinte und sind dadurch unbrauchbar. So wehren sich Dorstener Geldinstitute gegen Automatensprenger. Die Sparkasse Vest weist seit Anfang 2024 an ihren Filialen und Automatenstandorten gut sichtbar darauf hin, dass hier durch Automatensprengungen erbeutetes Geld unbrauchbar gemacht wird. Oliver Göttlich, Direktor des Marktbereichs Dorsten der Sparkasse, erläutert in der Dorstener Zeitung: „Das System wurde mit Unterstützung unseres Sparkassen-Verbandes in Münster und unserer Versicherung von der Polizei auf Wirksamkeit geprüft. Anschließend wurde es einer Gefahrenanalyse unterworfen, damit es bei Fehlbedienung keinen Schaden an unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinterlässt.“ Die „Ink Staining Solution“ (ISS), also die Einfärbung durch Tinte, ist ein sogenanntes passives System, es braucht keine Sensoren und Aktoren im Automaten, kann nachträglich angeschlossen werden. ISS reagiert auf Gewalteinwirkung von außen wie zum Beispiel Schlag oder Druckwelle, funktioniert unabhängig von Strom, Sensoren, Schalter oder ähnlichem ohne jede Verzögerung. Die Tinte befindet sich in speziellen Behältern im Kassettendeckel im Innern des Tresors. Beim Auftreten einer Druckwelle zerbersten die Flaschen und die Tinte kann sich auf die Geldscheine verteilen und sie unwiderruflich markieren.

Es fallen regelmäßig hohe Folgekosten durch die Farbbehälter an

Die Tinte hat ein Verfallsdatum, die Behälter müssen nach Angaben des Herstellers alle drei Jahre ausgetauscht werden. Dadurch fallen regelmäßig hohe Folgekosten an. Die Sparkasse Vest Recklinghausen hat sich die Ausrüstung mit dem ISS-System einen mittleren sechsstelligen Betrag kosten lassen. Dabei sei das Einfärben von Geldscheinen nur ein Teil einer „insgesamt sehr aufwändigen Sicherheitsstrategie“. Auch im Eingangsbereich der Volksbank gegenüber der Sparkasse kleben inzwischen Hinweise auf Einfärbungssysteme und Methoden, die eingeleitetes Gas vor einer Sprengung unschädlich machen. Inzwischen nutzen die kriminellen Banden allerdings meist Festsprengstoff statt Gas. – Es soll auch  längst einen „Zweitmarkt“ für eingefärbte Geldscheine geben, die manchen Bezahlautomaten noch immer überlisten können. An den Hauptstellen von Volksbank und Sparkasse in Dorsten ist vermutlich die nur wenige Meter entfernt liegende Polizeiwache die beste Abschreckung (Quelle: pb in DZ vom 1. März 2024).

  • Zur Information: Der deutschen und niederländischen Polizei ist es im Februar 2023 gelungen, eine niederländische Bande zu ermitteln, die in Bayern und Württemberg seit November 2021 mehr als 50 Geldautomaten gesprengt und dabei 5,2 Millionen Euro erbeutet hatten. Dabei wurden neun per Haftbefehl gesuchte Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren festgenommen, die nun nach Deutschland ausgeliefert werden sollen.
  • Polizei erhöht Druck auf Geldautomatensprenger. Mit einer Kontrollaktion in sieben Bundesländern – darunter auch NRW – ist die Polizei gegen die Sprengung von Geldautomaten vorgegangen. Drei Tage lang waren Automaten verstärkt überwacht und überregionale Reiserouten kontrolliert worden, um Druck auf die international agierenden Tätergruppen zu erhöhen, teilte das hessische Innenministerium Mitte März 2023 federführend in Wiesbaden mit. Mehr als 2500 Polizistinnen und Polizisten hätten vom 14. bis 17. März rund 8000 Menschen und mehr als 5300 Fahrzeuge kontrolliert. International agierenden Sprenger-Banden soll es in Deutschland so schwer wie möglich gemacht werden, erklärte das Innenministerium. Gemeinsames Ziel war gewesen, „durch eine starke Polizeipräsenz und zielgerichtete offene sowie verdeckte Maßnahmen potenzielle Tätergruppen von einer möglichen Tatausführung abzuhalten“. 42 Menschen waren vorläufig festgenommen worden (dpa).
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