Evangelisches in Lembeck

Gemeindehaus am Schluerweg 1969 eröffnet – 2006 wieder geschlossen

Ehemaliges evangelisches Gemeindehaus in Lembeck

In Lembeck anhaltend Fuß zu fassen, war für den Protestantismus bis in die jüngste Zeit schwer. Zur Zeit der Reformation sah das allerdings anders aus. Auch wenn die Stadt Dorsten ein katholisches Bollwerk blieb, wurden Dorfpfarreien ringsum in der Herrlichkeit Lembeck mit Ausnahme von Hervest evangelisch. Selbst in der Lembecker Schlosskirche wurde kalvinistisch gepredigt und Luther-Texte gelesen. Allerdings nicht lange. Denn die Landesherren von Dorsten und der Herrlichkeit, die Bischöfe von Köln und Münster, festigten mit Sanktionen ihre alte Lehre und bestraften die Anhänger der neuen Lehre als Wiedertäufer, Sakramentarier und Sektierer. Wer deutsche Kirchenlieder sang, wurde bestraft und häresieverdächtige Bücher verbrannt. In dieser so genannten Gegenreformation stellten sie 1571 durch Visitationen u. a. fest, dass das Katholische in den Kirchen „zur Rumpelkammer“ verkommen war. Aber auch die Lutherischen waren nicht zimperlich, wenn es galt, Katholiken von ihrem alten Irrglauben zu überzeugen. Beispielsweise wurde der Dorstener Franziskanerpater Johannes Rensinck 1587 im holländischen Doetinchem zum Tode verurteilt und nur gegen Zahlung eines Lösegelds, vermutlich aus Dorsten, freigelassen.

Lembeck von lutherischen und kalvinistischen Ideen durchzogen

Damals lebten in diesem kleinen Herrschaftsgebiet der Herrlichkeit rund 3.000 Menschen, davon in Lembeck 900. In Rhade wurden deutschen Psalmen gesungen, Schmuck aus der Kirche entfernt, der Altar war geborsten und der immer noch katholische Pastor verheiratet. Zudem  trug er keine Tonsur mehr und ließ sich einen Bart wachsen, was verboten war.  In Wulfen war das Taufbecken verunreinigt. In Lembeck war die Kirche zwar noch in einem guten Zustand, doch der Pfarrer war ebenfalls verheiratet. Andere Pfarrer, wie auch der in Holsterhausen und der in Hervest, lebten im Konkubinat und deren Kinder tobten durchs Pfarrhaus. Die Pfarrer wurden ermahnt, sich wieder zum Katholizismus zu bekennen, sich von Konkubinen zu trennen. Nur die Ehen, die ordnungsgemäß von Geistlichen geschlossen wurden, konnten nicht ausgehoben werden. Sie wurden aufgefordert, die Ehe nicht mehr öffentlich sichtbar weiterzuführen. Einige Pfarrer suchten von sich aus das Weite. Von den sieben gegenreformatorisch visitierten Pfarreien der Herrschaft Lembeck bekannten sich Erle und Rhade eindeutig zum Luthertum und schriftlich zur Augsburger Konfessionsfreiheit; alle anderen bekannten sich zum Katholizismus, waren aber auch mehr oder weniger von lutherischen und kalvinistische Ideen durchdrungen. Doch in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts waren auch diese wieder gutkatholisch.

600 evangelische Christen konnten in eigenen Räumen Gottesdienst feiern

Jahrhunderte später, als die Kirchen toleranter wurden und das „protestantische Element“ geduldet werden musste, die Zahl der Protestanten durch Wirtschaftszuzug und Kriegsfluchten aus dem Ost anstieg, versuchten die Protestanten in Lembeck eine Gemeinde zu bilden. Diese wurde von Wulfen aus gemeindlich betreut. Am Schluerweg entstand das evangelische Gemeindehaus, das durch Pfarrer Karl Ludwig Höpker 1969 eingeweiht wurde. Das Haus entwickelte sich zu einem Ort der Erwachsenenbildung, Podiumsdiskussionen,   ökumenischen Jugendarbeit, zu einem Haus der Gemeindegruppen, wie der Frauenhilfe. Viele haben angepackt, damit die 600 evangelischen Christen in Lembeck Gottesdienst in eigenen Räumen feiern können. Ein umfassender Umbau fand 1992 statt. Im November 2003 wurde der neue Pfarrer für Lembeck und Rhade, Bernd Münker, in sein Amt mit den Worten eingeführt: „Da ist er also, euer richtig eigener Pfarrer. Behandelt ihn pfleglich, dann bleibt er euch lange erhalten.“ Die Zeit währte sechs Jahre. Neben den Pfarrern Deppermann und Overath war er der nun dritte Pfarrer der 2003 neu strukturierten Gemeinde Holsterhausen, zu der nun Rhade und Lembeck mit ihren rund 2000 Gemeindegliedern gehörten. Kirchenvereine und ein Förderverein wurden gegründet, der ab Dezember 2005 einen „Hauch der großen Oper“ (DZ vom 30. Nov. 2005) nach Lembeck brachte, ebenso andere Kulturveranstaltungen.

Die unweigerliche Schließung war ein tiefer Einschnitt für die Gemeinde

Doch dann, noch im selben Monat, kam die Frage öffentlich auf, ob die evangelische Gemeinde Lembeck eine Zukunft habe. Diese Frage machte sich fest am Geld. Wachsende Geldsorgen, so hieß es in einer Stellungnahme, gefährden den Fortbestand. Denn es sprach sich herum, dass im Zuge von Sparmaßnahmen der evangelische Gemeinde-Standort Lembeck aufgegeben werden soll und die Lembecker Protestanten dann zum Gottesdienst nach Rhade müssten. Der Förderverein protestierte öffentlich, weil er u. a. befürchtete, dadurch werde die Jugendarbeit in Lembeck „erstickt“. Letztlich konnte sich der Förderverein gegen die Schließung nicht durchsetzen, was für Unmut in der Gemeinde sorgte. 2006 wurde dann das Haus geschlossen. Ein bitterer Einschnitt. Am Tag der Entwidmung sind die Evangelischen mit dem Abendmahlsgeschirr zur Kapelle am Seniorenzentrum gezogen. Dort haben sie eine neue Heimat gefunden. In guter Ökumene feiern sie regelmäßig Gottesdienste. Kinder und Erwachsene werden dort getauft.

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