Efanow, Nicolaij

Er rief „Heil Hitler-Scheiße“, danach schlug ihn die Polizei tot

Nicolaj Efanow, Karteikarte

Nicolaj Efanows Karteikarte

Von Wolf Stegemann – 1927 in Makewka/UdSSR bis 1944 in Dorsten; sowjetischer Zwangsarbeiter. – Als er an Hitlers Geburtstag am 20. April 1944 seinen rechten Arm zum Hitlergruß hob, die Hacken seiner klobigen und schäbigen Schuhe zusammenknallte und „Heil Hitler-Scheiße“ rief, holten ihn in den Abendstunden Beamte der Stapo aus seiner Baracke in der Dorstener Eisengießerei und brachten ihn nach Borken. Denn von dort war der „Zivilarbeiter aus Sowjetrussland“, wie die Zwangsarbeiter und Zwangsdeportierten aus der besetzten Sowjetunion hießen, ausgeliehen. Der junge Schüler überlebte Führers Geburtstag nicht. Noch in der gleichen Nacht brachte die Polizei den als „Landwirtschaftlichen Arbeiter“ geführten Russen tot in die Eisengießerei zurück. „Auf der Flucht erschossen“ hieß es lapidar auf der erhaltenen Karteikarte.

Er wollte nur noch heimkehren

Doch die Leiche wies Spuren von Schlägen auf. Das Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit verquollen. Nicolaij Efanow fand seine letzte Ruhestätte in einem Massengrab auf dem Russenfriedhof in Dorsten-Holsterhausen. Aus einem nicht weitergeleiteten und in Teilstücken erhaltenen Brief an Angehörige in seinem Heimatort Makewka geht hervor, dass sich der Junge nach seiner Mutter und seinen Brüdern sehnte und sich nichts mehr wünschte als heimzukehren.

Nicolaij kam am 12. April 1942 als 15-Jähriger unfreiwillig nach Deutschland und arbeitete zunächst in der Landwirtschaft, zuerst im Haus Pröbsting in Hoxfeld (Kreis Borken), dann bei verschiedenen Bauern. Am 18. Februar 1943 wurde er aus nicht mehr feststellbarem Grund festgenommen und der Borkener Stapo überstellt, die ihn am gleichen Tag wieder mit der Auflage entließ, sich bei seinem Arbeitgeber, einem Landwirt, zu melden. Als der Junge die „Arbeit verweigerte“, wurde er zunächst in eine Bewährungsabteilung sowjetischer Zwangsarbeiter zuerst nach Marl-Hüls eingewiesen, wo die Männer und Frauen in erbärmlichen Verhältnissen lebten und arbeiteten, dann kam der auf dem rechten Auge blinde, mittlerweile siebzehnjährige Junge zur Eisengießerei nach Dorsten, wo für Zwangsarbeiter grausame Verhältnisse herrschten. Nicolaij Efanow hatte es nicht geschafft, in seine Heimat zurückzukehren. Er starb jung und liegt in Dorstener Erde. Übrig geblieben ist nur seine Karteikarte Nr. 129 mit seinem Foto, seinen Fingerabdrücken und mit einem vergilbten Brief.

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